Initiative: Mehr Demokratie

Die Bürgerschaft möge das Petitum des Verfassungsausschusses mit folgenden Änderungen beschließen:

1. Nummer 3 der Ausschußempfehlung erhält folgende Fassung: „3. die Drucksache 16/1185 in der folgenden Fassung zu beschließen:

Betreff: Alternativentwürfe der Bürgerschaft:

1. Für erleichterte Volksentscheide in Hamburg

2. Für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in den Bezirken Ausgehend davon, dass 116 der 121 Mitglieder der Bürgerschaft die Volksgesetzgebung 1996 neu in die Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg eingefügt haben, bestärkt dadurch, dass 222 328 bzw. 218 577 Bürgerinnen und Bürger sich in die Listen für die ersten beiden Volksbegehren eingetragen haben, und überzeugt davon, dass die Gesetzgebung und die politische Willensbildung durch das Parlament weiterhin der Normalfall sein soll, aber durch Elemente direkter Volksentscheidung zu ergänzen ist, und in der Verantwortung vor der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg beantragen wir, die Bürgerschaft möge gemäß Artikel 50 Absatz 3 Satz 2 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg dem Volk für die Abstimmung über die Initiativen von Mehr Demokratie in Hamburg folgende Alternativen beifügen:

1. Achtes Gesetz zur Änderung der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg.

Vom... Artikel 50 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 6. Juni 1952 (Sammlung des bereinigten Hamburgischen Landesrechts I 100a), zuletzt geändert am 20. Juni 1996 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 133), erhält folgende Fassung: Artikel 50:

(1) Die Einwohner der Freien und Hansestadt Hamburg können im Rahmen der Entscheidungszuständigkeit der Bürgerschaft den Erlaß, die Änderung oder die Aufhebung eines Gesetzes oder eine Befassung mit bestimmten Gegenständen der politischen Willensbildung beantragen. Haushaltsangelegenheiten, Abgaben, Tarife der öffentlichen Unternehmen sowie Dienst- und Versorgungsbezüge können nicht Gegenstand einer Volksinitiative sein. Die Volksinitiative ist zustande gekommen, wenn sie von mindestens 10 000 volljährigen Einwohnern unterstützt wird.

(2) Sofern die Bürgerschaft nicht innerhalb von vier Monaten nach Einreichung der Unterschriften ein dem Anliegen der Volksinitiative entsprechendes Gesetz verabschiedet oder einer anderen Vorlage nach Absatz 1 zugestimmt hat, sind die Initiatoren berechtigt, die Durchführung eines Volksbegehrens zu beantragen. Der Senat führt das Volksbegehren durch. Das Volksbegehren ist zustande gekommen, wenn es von einem Zwanzigstel der zur Bürgerschaft Wahlberechtigten unterstützt wird.

(3) Entspricht die Bürgerschaft nicht binnen drei Monaten dem Volksbegehren, können die Initiatoren die Durchführung des Volksentscheids beantragen. Der Senat legt den Gesetzentwurf oder die andere Vorlage dem Volk zur Entscheidung vor. Die Bürgerschaft kann einen eigenen Gesetzentwurf oder eine andere Vorlage beifügen. Ein Gesetzentwurf oder eine andere Vorlage ist angenommen, wenn die Mehrheit der Abstimmenden zugestimmt hat und entweder sich mindestens ein Drittel der Wahlberechtigten beteiligt oder bei geringerer Beteiligung mindestens ein Fünftel der Wahlberechtigten zugestimmt hat. Bei Verfassungsänderungen müssen zwei Drittel derjenigen, die ihre Stimme abgegeben haben, mindestens jedoch zwei Fünftel der Wahlberechtigten, zugestimmt haben.

(4) Ein durch Volksentscheid angenommenes Gesetz oder eine andere Vorlage kann innerhalb von zwei Jahren nicht im Wege von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid geändert werden.

(5) Während eines Zeitraumes von drei Monaten vor dem Tag einer allgemeinen Wahl in Hamburg finden keine Volksbegehren und Volksentscheide statt.

(6) Das Hamburgische Verfassungsgericht entscheidet auf Antrag des Senats, der Bürgerschaft, eines Fünftels der Abgeordneten der Bürgerschaft oder der Volksinitiatoren über die Durchführung von Volksbegehren und Volksentscheid. Volksbegehren und Volksentscheid ruhen während des Verfahrens.

(7) Das Gesetz bestimmt das Nähere. Es kann auch Zeiträume bestimmen, in denen Fristen nach Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 Satz 1 wegen sitzungsfreier Zeiten der Bürgerschaft oder besonderer Einigungsverfahren ruhen.

Begründung:

Die Bürgerschaft macht mit dem Gesetzentwurf von ihrem Verfassungsrecht Gebrauch, für diesen Volksentscheid einen eigenen Gesetzentwurf dem Volk zur Abstimmung vorzulegen. Sie tut dies, nachdem sie selbst 1996 Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid in die Verfassung eingefügt und damit die Möglichkeit zu diesem Volksentscheid geschaffen hat.

Die Bürgerschaft berücksichtigt mit ihrer eigenen Vorlage den mit dem Volksbegehren vom März 1998 deutlich gewordenen Wunsch vieler Bürgerinnen und Bürger Hamburgs, durch Methoden direkter Demokratie mehr als bisher am öffentlichen Leben und seinen Entscheidungen teilzuhaben.

Deshalb übernimmt unser Gesetzentwurf

­ die Halbierung der Anzahl der erforderlichen Unterschriften für die Volksinitiative (neu: 10000 statt bisher 20000 Unterschriften) und für das Volksbegehren (neu: ca. 60000 statt bisher 120000 Unterschriften).

Danach wird voraussichtlich mit zahlreichen Initiativen, Begehren und Entscheiden zu rechnen sein.

Wir begrüßen eine solche Entwicklung, denn sie belebt die Politik.

Die Bürgerschaft akzeptiert jedoch nicht den Vorschlag, Regelungen über die erforderliche Mindestzahl an Ja-Stimmen aus der Verfassung zu streichen. Letztendlich muss eine Mehrheit in der Sache entscheiden, und diese Mehrheit muss auch für einen erheblichen Teil des ganzen Volkes stehen. Nach unserer Überzeugung darf durch Volksentscheid nur Gesetz werden, wofür sich eine Mehrheit findet.

Deswegen stellt der Gesetzentwurf sicher:

­ Bei einer Beteiligung von mindestens einem Drittel der Wahlberechtigten, das sind zur Zeit rund 400 000 Wahlberechtigte, entscheidet die einfache Mehrheit, bei einer geringeren Beteiligung muß mindestens eine qualifizierte Mehrheit von einem Fünftel der Wahlberechtigten, das sind rund 240 000 Wahlberechtigte, zustimmen.

Zur Zeit sieht die Hamburger Verfassung eine Mehrheit von einem Viertel der Wahlberechtigten, das sind rund 300 000 Wahlberechtigte, vor. Die Senkung des Quorums auf entweder eine Mindestbeteiligung von einem Drittel oder eine Mindestzustimmung von einem Fünftel der Wahlberechtigten soll deutlich machen, dass die Legitimation des Ergebnisses entweder durch eine gute Beteiligung oder durch ein hohes Abstimmungsergebnis gewährleistet werden muß.

Diese Regelungen lassen erwarten, dass bei Volksabstimmungen in Hamburg einerseits in der Regel das Mehrheitsergebnis gültig wird und dass der Aufruf zum Boykott einer Abstimmung wenig wirksam sein wird, dass aber andererseits diese Mehrheit auch für einen erheblichen Teil des ganzen Volkes steht.

Daß Gesetze Mehrheiten brauchen, muss um so mehr für Verfassungsänderungen gelten. Deshalb sollen Verfassungsänderungen durch Volksentscheide in Zukunft nur erfolgreich sein können, wenn mindestens zwei Fünftel der Wahlberechtigten, das sind zur Zeit rund 480 000 Wahlberechtigte, hinter ihnen stehen. Bisher muss mindestens die Hälfte der Wahlberechtigten, das sind zur Zeit rund 600 000 Wahlberechtigte, einer Verfassungsänderung zustimmen.

Die Bürgerschaft will, dass ­ wie in Brandenburg ­ auch die volljährigen nichtdeutschen Einwohnerinnen und Einwohner, die im Zeitpunkt der Unterstützung ihre Hauptwohnung in Hamburg haben, eine Volksinitiative unterschreiben können. Daß sie damit an der Veranlassung des Volksbegehrens mitwirken, ist keine Ausübung von Staatsgewalt. Denn das Volksbegehren kommt nur zustande, wenn es von einem Zwanzigstel der Wahlberechtigten unterstützt wird. Auch am Volksentscheid können nur Wahlberechtigte teilnehmen.

Auch Bauleitpläne sollen ­ wie in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ­ nicht mehr grundsätzlich der Möglichkeit von Abstimmungen entzogen werden. Bauleitpläne müssen kraft Bundesrecht in einem besonderen Verfahren unter Beteiligung der örtlich betroffenen Bevölkerung aufgestellt werden. Sie haben insbesondere den rechtsstaatlichen Anforderungen an den Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis der Planung zu genügen. Diesen Anforderungen müssen auch alle Abstimmungen über Bauleitpläne oder Aspekte von Bauleitplänen genügen.

2. Zweites Gesetz zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes............

Vom... Hinter § 8 des Bezirksverwaltungsgesetzes vom 11. Juni 1997 mit der Änderung vom 4. November 1997 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seiten 205, 206, 489) wird folgender neuer § 8a eingefügt:

,§ 8a Bürgerbegehren und Bürgerentscheid:

(1) Die Bürgerinnen und Bürger eines Bezirkes können in allen Angelegenheiten, in denen die Bezirksversammlung Beschlüsse fassen kann, einen Bürgerentscheid beantragen (Bürgerbegehren). Ausgenommen von Bürgerbegehren sind Personalentscheidungen und Beschlüsse über den Haushalt.

(2) Das Bürgerbegehren muss schriftlich beim Bezirksamt angezeigt werden. Es muss eine mit Ja oder Nein zu entscheidende Fragestellung enthalten sowie die Benennung von drei Vertrauensleuten, die berechtigt sind, die Unterzeichnenden zu vertreten. Erklärungen der Vertrauensleute müssen einstimmig erfolgen.

(3) Ein Bürgerbegehren ist zustande gekommen, wenn es innerhalb von sechs Monaten seit der Anzeige von drei vom Hundert der zur Bezirksversammlung Wahlberechtigten unterstützt wurde. Eintragungsberechtigt ist, wer am Tage des Ablaufs der Eintragungsfrist zur Bezirksversammlung wahlberechtigt ist. Die Feststellung über das Zustandekommen eines Bürgerbegehrens trifft das Bezirksamt.

(4) Über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens entscheidet das Bezirksamt innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Bürgerbegehrens. Gegen die Zurückweisung eines Bürgerbegehrens können die Vertrauensleute des Bürgerbegehrens Klage erheben.

(5) Nach Abgabe von einem Drittel der in Absatz 3 geforderten Unterschriften beim Bezirksamt macht dieses das Bürgerbegehren amtlich bekannt und legt Unterschriftenlisten zur Eintragung aus.

(6) Spätestens vier Monate nach der Zulässigkeitsentscheidung wird über den Gegenstand des Bürgerbegehrens ein Bürgerentscheid durchgeführt, sofern die Bezirksversammlung dem Anliegen des Bürgerbegehrens nicht innerhalb von zwei Monaten unverändert oder in einer Form zustimmt, die von den Vertrauensleuten gebilligt wird, und die Vertrauensleute die Durchführung eines Bürgerentscheids beantragen. Die Bezirksversammlung kann eine eigene Vorlage beifügen.

(7) Das Bezirksamt setzt den Abstimmungstermin fest. Die Stimmberechtigten werden durch das Bezirksamt über den Termin des Bürgerentscheides und den Ort der Stimmabgabe informiert.

(8) Beim Bürgerentscheid ist stimmberechtigt, wer am Tage der Stimmabgabe zur Bezirksversammlung wahlberechtigt ist. Ein Bürgerentscheid ist zustande gekommen, wenn die Mehrheit der Abstimmenden zugestimmt hat und entweder sich mindestens ein Drittel der Stimmberechtigten beteiligt oder bei geringerer Beteiligung mindestens ein Fünftel der Stimmberechtigten zugestimmt hat. Stehen mehrere Vorlagen zur Abstimmung, die den gleichen Gegenstand betreffen, und sind nicht nur für eine Vorlage mehr gültige Ja- als Nein-Stimmen abgegeben worden, so ist die Vorlage angenommen, die die meisten Ja-Stimmen erhalten hat. Ist die Zahl der gültigen Ja-Stimmen für mehrere Vorlagen gleich, so ist diejenige angenommen, die nach Abzug der auf sie entfallenden Nein-Stimmen die größte Zahl der Ja-Stimmen auf sich vereinigt. Die Möglichkeit der brieflichen Abstimmung ist zu gewährleisten.

(9) Die Auffassungen der Bezirksversammlung und der Vertrauensleute des Bürgerbegehrens zu dem Gegenstand des Bürgerentscheides dürfen in Veröffentlichungen des Bezirkes nur in gleichem Umfang dargestellt werden.

(10) Während eines Zeitraumes von drei Monaten vor dem Tag einer allgemeinen Wahl in Hamburg finden keine Bürgerentscheide statt.

(11) Der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Beschlusses der Bezirksversammlung. Ein so zustande gekommener Beschluß kann innerhalb von zwei Jahren nicht im Wege des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheides geändert werden.

(12) Der Senat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die näheren Regelungen zum Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu treffen.

Begründung:

Die Bürgerschaft macht mit dem Gesetzentwurf von ihrem Verfassungsrecht Gebrauch, für diesen Volksentscheid einen eigenen Gesetzentwurf dem Volk zur Abstimmung vorzulegen. Sie tut dies, nachdem sie selbst 1996 Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid in die Verfassung eingefügt und damit die Möglichkeit zu diesem Volksentscheid geschaffen hat.

Einen Bürgerentscheid im Bezirk hatte der Gesetzgeber im Zuge der Verfassungsreform nicht vorgesehen. Wir halten es aber für konsequent, ihn grundsätzlich für alle politischen Entscheidungen einzuführen, die der Bezirksversammlung zugänglich sind. Die Bürgerschaft erwartet, dass durch die Einführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid auf Bezirksebene noch mehr Interesse an politischen Fragen bei den Bürgerinnen und Bürgern geweckt wird.

Deshalb übernimmt unser Gesetzentwurf den Vorschlag des Volksbegehrens vom März 1998, dass für das Bürgerbegehren die Unterschriften von nur 3 Prozent der Wahlberechtigten ausreichen sollen.Vor allem auch hier muss die Mehrheitsentscheidung von einem erheblichen Teil der Wahlberechtigten unterstützt werden.

Deswegen stellt der Gesetzentwurf sicher,

­ dass bei einer Beteiligung von mindestens einem Drittel der zur Bezirksversammlung Wahlberechtigten die Mehrheit entscheidet, bei einer geringeren Beteiligung muss mindestens eine qualifizierte Mehrheit von einem Fünftel der zur Bezirksversammlung Wahlberechtigten zugestimmt haben. "

2. Es wird folgende Nummer 4 angefügt: „4. den nachfolgenden Beschluß zu fassen: Die Bürgerschaft ersucht den Senat, unter Berücksichtigung der Beratungen im Verfassungsausschuß gesetzliche Regelungen über die Durchführung von Einigungsverfahren auf Landes- und auf Bezirksebene sowie über die Information der Stimmberechtigten zu Volksentscheid und Bürgerentscheid vorzulegen und ggf. das Hamburgische Gesetz über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid vom 20. Juni 1996 anzupassen."