Wasserversorgung als Pflichtaufgabe

Jetzt komme ich zum Satz 1 und Sie werden jetzt gleich sehen, warum ich rückwärts vorgehe und Satz 1 als zweites nehme. Dieser erste Satz: "Die öffentliche Wasserversorgung obliegt der Freien und Hansestadt Hamburg als staatliche Aufgabe" definiert als einziger Satz in diesem Gesetzentwurf die Rolle der Freien und Hansestadt. Im zweiten Satz kommt nur die öffentliche Hand vor. Diese Rolle, die hier definiert wird, betrifft aber weder das vom Volksbegehren verlangte Eigentum noch die uneingeschränkte Verfügung über die Wasserversorgung. Der Wortlaut des ersten Satzes bedeutet nur, dass in Hamburg geregelt wird, was in anderen Bundesländern bereits längst gilt, nämlich dass zu aller Zeit der Staat den Bürgern gegenüber letztverantwortlich ist, die Wasserversorgung sicherzustellen.

Ein kurzes Zitat aus dem hessischen Landeswassergesetz HWG, Paragraph 54: "In Hessen ist die Wasserversorgung eine Pflichtaufgabe der Gemeinde. Bedient sich die Gemeinde bei der Erfüllung ihrer Pflichtaufgabe Wasserversorgung eines privaten Dritten," d. h. Teilprivatisierung oder auch Vollprivatisierung, „so verbleibt die Verantwortung für die Wasserversorgung uneingeschränkt bei der Gemeinde."

D. h. ein solcher Satz in einem Gesetz sagt nichts über den Besitz oder über Privatisierung oder über Teilprivatisierung aus, sondern er besagt nur, dass im Falle einer Insolvenz des Betreibers der Wasserversorgung ­ wer auch immer das sein mag ­ die Letztverantwortung gegenüber den Bürgern zur Lieferung von Wasser immer bei der Stadt ist. Das ist in Deutschland so. Das ist in Hamburg bisher aber nicht gesetzlich geregelt.

Noch einmal ganz klar. Für die Frage von Eigentum, Verfügung, Privatisierung, Teilprivatisierung der Hamburger Wasserversorgung macht dieser erste Satz keinerlei Aussage. D. h. er ist in Bezug auf die Forderung des Volksbegehrens meines Erachtens ohne jede Wirkung. Es ist ein bisschen schade, dass durch diese eigenartige Verknüpfung von Satz 1 und Satz 2 geradezu suggeriert ­ das will ich gar nicht bösartig sagen ­ der Anschein erweckt wird, als hätte der Inhalt des zweiten Satzes etwas mit der Freien und Hansestadt Hamburg zu tun. Aber der zweite Satz für sich genommen bezieht sich nur auf die öffentliche Hand. Der erste Satz ­ inhaltlich genommen ­ bezieht sich nur auf die Letztverantwortung für die Lieferung von Wasser, aber nicht auf die Rechtsform. Mir ist es eigentlich unverständlich, warum man einen solchen Gesetzestext vorlegt, wenn man mit dem Text des Volksbegehrens eigentlich eine gute Formulierung hat, an der man sich orientieren kann. Dabei möchte ich es jetzt erst einmal bewenden lassen.

Vorsitzender: Herzlichen Dank, Herr Lanz. Gibt es eine direkte Nachfrage dazu? Herr Engels.

Abg. Herr Engels: Wie Sie wissen, ist bei jedem Gesetz auch die Begründung von sehr großer Bedeutung und die Begründung steht letzten Endes auch im Widerspruch zu Ihren Äußerungen, insbesondere auch, was Satz 2 betrifft. Auf diesen sind Sie überhaupt nicht eingegangen.

Herr Lanz: Ich könnte auch die Begründung nehmen, denn dort steht im Grunde etwas Ähnliches drin, wie das was ich eben ausgeführt habe. Da steht nämlich z. B. zu Satz 1 auch nur ein einziger Satz: "Mit Satz 1 wir die öffentliche Wasserversorgung als Pflichtaufgabe der FHH festgeschrieben."

Dann kommt nur noch, warum das EU- oder anderem Recht nicht widerspricht, bis man dann mit Satz 2 beginnt. Das heißt, das ist genau das, was wörtlich im hessischen Landeswassergesetz steht: In Hessen ist die Wasserversorgung eine Pflichtaufgabe der Gemeinde. Das sagt nichts über Privatisierung oder Nichtprivatisierung oder Teilprivatisierung oder Verfügung aus. Insofern kann ich der Begründung auch nichts Zusätzliches entnehmen, was das angeht. Was anzustreben ist ­ das ist richtig ­, steht im letzten Absatz der Begründung in Satz 2:

"Dabei muss der bestimmende Einfluss der FHH als Trägerin der Wasserversorgung auf die Entscheidungen der privaten Gesellschaft organisationsrechtlich so abgesichert sein..." Also der bestimmende Einfluss. Im Anschreiben an die Bürgerschaft heißt es aber noch "der 100%ige Einfluss" und das ist für meinen Begriff ein deutlicher Unterschied.

Warum das ein Unterschied ist, könnte ich Ihnen am Beispiel Berlin erläutern.

Vorsitzender: Darauf können wir vielleicht gleich noch zurückkommen.

Abg. Herr Engels: Im vorletzten Absatz, letzter Satz, der Begründung wird doch eindeutig gesagt: "...solange sich am Ergebnis, dass die Trägergesellschaft zu 100 % in der Hand der FHH bleibt, nichts ändert."

Das widerspricht doch den Dingen, die Sie vorher erzählt haben mit irgendwelchen ausländischen Gesellschaften oder Konzernen.

Herr Lanz: Das wäre jetzt meine Frage an die Juristen, ob das ausreichend ist in der Begründung und der Gesetzestext selber diese Aussage... Vorsitzender: Das ist vielleicht auch eine gute Überleitung, was das für die Auslegung dieses Gesetzes bedeutet. Wer von Ihnen möchte fortfahren? Herr Trümner.

Herr Trümner: Mein Name ist Trümner. Ich bin Rechtsanwalt in Berlin, Sozius der Kanzlei schneider:schwegler und pflege das Hobby Privatisierung auch in literarischer Hinsicht als Mitherausgeber und Autor eines Handbuches Privatisierung, das 1998 im Nomus-Verlag erschienen ist und dringend einer Neubearbeitung harrt, weil der Privatisierungszug seither einige Formen natürlich angenommen hat und deshalb Neuformulierungen notwendig sind. Deshalb sind solche stofflichen Beispiele, wie sie uns hier vorliegen, natürlich auch immer Anschauungsmaterial für den Autor. Deshalb vielen Dank für diese Einladung, um sich mit den hamburgischen Problemen ein bisschen intensiver auseinandersetzen zu können.

Zunächst einmal muss man natürlich sowohl das Volksbegehren seinem Wortlaut nach als auch den Bürgerschaftsbeschluss, der sich hier in einer entsprechenden Feststellung nach der Vorschrift des § 18 des Volksbegehrensgesetzes niedergeschlagen hat und einige Klarstellungen zu dem Volksbegehrenstext enthält und bringt, vor Augen führen, um daran dann zu messen ob der Gesetzentwurf, wie er hier vorliegt, diesem Ansinnen, diesen Intentionen, die darin zum Ausdruck gebracht worden sind, genügt.

Zunächst einmal, denke ich, ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass sowohl der Volksbegehrenstext als auch der Beschluss der Bürgerschaft zwei Dimensionen enthält, nämlich einmal die eigentumsrechtliche Dimension und zum anderen die verfügungsrechtliche Dimension. Diese beiden Dinge sind durch eine Und-Verknüpfung betont. Man kann sie also nicht beliebig ineinander schieben und so tun, als käme das ein und dasselbe dabei heraus. Diese Frage der eigentumsrechtlichen Situation wirkt sich dann beispielsweise in dem klarstellenden Beschluss der Bürgerschaft darin aus, dass die Wasserwerke vollständig im Eigentum der Freien und Hansestadt Hamburg bleiben müssen.

Was heißt nun die Hamburger Wasserwerke? Schon dies ist auslegungsbedürftig. Ist damit gemeint, dass Unternehmen ungeachtet ihrer jeweiligen Rechtsform umgewandelt werden könnten, denn die GmbH, wie sie derzeit existiert, könnte ja formwechselnd in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Ob das kommunalrechtlich zulässig oder staatsrechtlich in Hamburg zulässig ist, will ich jetzt mal nicht weiter prüfen. Aktiengesellschaften haben so ihre Besonderheiten. Aber auch andere Rechtsformen wären durchaus denkbar, sodass man auf den Gedanken kommen könnte, es ist das Unternehmen als solches, also das, was hier an Werthaltigkeit durch diesen organisatorischem Verbund als Unternehmen betont ist. Man kann natürlich auch sagen, es geht hier nur um den Anteilsbesitz an einer Rechtsform, die also eine juristische Person oder eine Personengesamtheit darstellt. Meiner Auslegung nach ist aber wohl eher beides zugleich gemeint, sowohl der Verkauf der Anlagegüter, also der Asset Deal, wie das so schön neumodisch im Verwaltungsjargon heißt, das ist der Verkauf von Betriebsteilen mit ihren körperlichen und nichtkörperlichen Gegenständen, die zum Unternehmen, zum Betrieb gehören. Arbeitsrechtlich ausgedrückt ein Fall des Betriebsübergangs für die Mitarbeiter ebenso wie der Verkauf der Anteile, die derzeit über einen doppelt mittelbaren Besitz der Freien und Hansestadt Hamburg an der HWW GmbH vorliegen, wäre nach diesem Ansinnen die erste Dimension Eigentümerstellung meines Erachtens ausgeschlossen, sowohl nach dem Wortlaut des Begehrens als auch des Bürgerschaftsbeschlusses.

Der zweite Teilaspekt, die verfügungsrechtliche Stellung, wird in den beiden Texten ­ des Volksbegehrens und des Bürgerschaftsbeschlusses ­ nahezu gleichlautend wieder aufgenommen und meint wohl die dingliche Verfügungsberechtigung, die wenigstens auch mittelbar bei der Freien und Hansestadt Hamburg bleiben muss. Was man sich darunter genau vorzustellen hätte, will ich an einem kleinen Beispiel versuchen zu erläutern. Die Frage wäre nämlich, ob die HWW GmbH, die derzeit mit der Durchführung der Aufgabe öffentliche Wasserversorgung, genauer Trinkwasserversorgung, befasst ist, in der Weise diese ihre Aufgabenerfüllung ändern könnte, indem sie über einen Betriebsführungsvertrag schuldrechtlicher Art mit der Privatwasser AG den gesamten Betrieb zur wirtschaftlichen Führung auf Zeit durch die Privatwasser AG überträgt. Wir hätten dann zwar möglicherweise ­ da bin ich mit den Details nicht vertraut

­ bei der HWW GmbH noch das Eigentum an den Betriebsmitteln, aber eine nutzungsüberlassungsvertragliche, praktische Übertragung auf die Privatwasser AG.

Wenn jetzt die Verfügungsberechtigung der Freien und Hansestadt Hamburg, wie das Begehren und der Beschluss der Bürgerschaft es wollen, uneingeschränkt bei der Freien und Hansestadt Hamburg, wenn auch mittelbar über die weiteren dazwischen geschalteten Gesellschaften verbleiben soll, dann wäre hier die ungeteilte Verfügungsbereitschaft, Verfügungsfähigkeit jedenfalls schon nicht mehr gegeben. Zwar ist die Freie und Hansestadt Hamburg über die HWW GmbH Eigentümerin der Betriebsmittel, sodass der Eigentümer prinzipiell mit der Sache nach Belieben verfahren könnte wie es ihm gerade gefällt. Er könnte also auch vom Besitzer unserer Privatwasser AG die Herausgabe der Sachen und Rechte verlangen. Nun könnte in diesem Falle, gestützt auf den Nutzungsüberlassungsvertrag, die Privatwasser AG die Herausgabe verweigern, weil sie durch den Nutzungsüberlassungsvertrag berechtigten Besitz an diesen Betriebsmitteln hat. Dieses Beispiel zeigt, dass bei einer solchen vertraglichen Konstellation des Aus-der-Hand-Gebens und des Benutzens weiterer echter Privater bei der Verrichtung der Aufgabe Wasserversorgung eine volle Verfügungsfähigkeit der Freien und Hansestadt Hamburg über die Wasserwerke nicht mehr vorliegen wird. Es ist dann sozusagen ein auf Zeit Aus-der-Hand-Geben der Wasserwerke zu verzeichnen.

Ich möchte dieses Beispiel bei Ihnen in den Köpfen verankern, um daran entlang zu prüfen, ob der Entwurf für ein Gesetz zur Sicherstellung der Wasserversorgung in öffentlicher Hand diesen Standards der Volksbegehren und dem Beschluss aus dem vergangenen Jahr, verankert worden sind. Zunächst einmal knüpfe ich an das an, was mein Vorredner gesagt hat. Der Satz 1 dieses Gesetzentwurfes stellt nur etwas klar, was sich möglicherweise schon aus der Verfassungslage Hamburgs ergibt, nämlich dass die öffentliche Trinkwasserversorgung eine öffentliche Pflichtaufgabe ist, so steht es jedenfalls auch in der Begründung und hier reichen die Begriffe zumindest aus, um die notwendige Klarheit herbeizuschaffen, dass wir nicht irgendeine, sondern eine Pflichtaufgabe haben, die sich Hamburg wieder zueignet. Der Hinweis auf das hessische Gesetz ist berechtigt. Wir haben, anders als in den Flächenländern, die Trennung zwischen Staat und Gemeinde in Hamburg gerade nicht. Das ist ja auch in der Verfassung Hamburgs zum Ausdruck gebracht worden. Insoweit ist es auch richtig, hier von der Wasserversorgung als staatlicher Aufgabe zu reden und nicht von einer kommunalen Pflichtaufgabe zu sprechen, wie das allerdings für Hessen in dem zitierten § 54 des hessischen Wassergesetzes der Fall ist.

Ich möchte in Erinnerung rufen ­ Sie wissen das mit Sicherheit besser als ich ­, dass nach Ihrer Verfassungspräambel die natürliche Lebensgrundlage unter dem besonderen Schutz des Staates steht. Zu den natürlichen Lebensgrundlagen zählt mit Sicherheit auch die öffentliche Trinkwasserversorgung. Einer der Debattenredner zu dem Antrag vom November vergangenen Jahres hatte, glaube ich, sogar als der Vertreter der CDU ­ ich muss das leider ein bisschen im Vagen lassen ­ sehr deutlich darauf hingewiesen, dass das Trinkwasser als Lebensgrundlage geradezu unentbehrlich sei.