Privatschule

Hinblick auf besonders begabte Kinder noch einmal diskutiert werden. Nach Klasse 9 könne mit einer Prüfung der qualifizierte Hauptschulabschluss, nach Klasse 10 der mittlere Bildungsabschluss erworben werden, nach dem auch der Übergang an die beruflichen Schulen und die Fachoberschulen möglich sei. Der Staatssekretär fügte hinzu, dass es wegen der fehlenden Ausbildungsplätze zahlreiche vollzeitschulische Bildungsmaßnahmen gebe und dass der Besuch der Regelschulen heute wegen der Ausbildungssituation oftmals schwer zu vermitteln sei.

Zu den von den SPD-Abgeordneten nachgefragten Zahlen zu den Übertritten ans Gymnasium nach den Klassen 5 und 6 sowie nach Klasse 10 sagten die Vertreter des Kultusministeriums eine Protokollerklärung zu.

Auf die Frage, welche Konsequenzen der neue Ressortzuschnitt des Ministeriums im Bereich der frühkindlichen Bildung habe, erläuterte der Staatssekretär, dass das Schulamt bislang durch die starke Prägung der frühkindlichen Bildung durch das SGB wenig Einfluss habe. Gegenwärtig werde aber an einem Bildungsplan für Kinder vom ersten bis zum zehnten Lebensjahr gearbeitet, der Ansprüche eines Kindes an die Gesellschaft formuliere, eine Abfolge zu erwerbender Kompetenzen beschreibe und institutionelle Förderung, Tagespflege und Eltern einbeziehe. Näheres finde sich auf der Website www.thueringen-bildungsplan.de. Zudem lege das neue Familienförderungsgesetz fest, dass in den ersten zwei Lebensjahren die Kinderbetreuung in der Familie oder einer Institution und danach in einer Institution stattfinde. In der Schuleingangsphase sei eine neue Vernetzung zwischen Schule und Kindergarten vorgesehen.

Auf die weitere Frage der Abgeordneten nach der Qualitätsentwicklung im Unterrichtsbereich sagten die Vertreter des Kultusministeriums, dass hierbei die Eigenverantwortlichkeit der Schulen, die auch über ein eigenes Fortbildungsbudget verfügten, zentral sei. Außerdem wiesen sie auf die Projekte EULE und HIBICUS hin. Dass sich laut IGLU in Thüringen 15 % der Lehrer für den Bildungserfolg verantwortlich fühlten, werteten sie zudem als Bestätigung für das bewährte Fachberatersystem. Ergänzend erwähnten sie, dass das Schulsystem sich durch Leistungsorientierung und Vergleichbarkeit der Qualifikationen auszeichne. So würden zeitgleich mit den Schülerinnen und Schülern der Klassen 5 und 6 in Bayern Vergleichsarbeiten in Deutsch, Mathematik, Englisch geschrieben. Außerdem kooperierten sie mit Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Bei Bereitschaft der Schulen dazu gebe es eine externe Evaluation.

Mit dem Hinweis auf die Schulabbrecherquote, die der Quote in Hamburg entspreche, fragten die Abgeordneten nach Lösungen für diese Jugendlichen.

Laut Auskunft des Staatssekretärs lägen keine konkreten Angaben zum Nichterwerb von Abschlüssen und dem Sprachförderbedarf vor. Er und seine Mitarbeiter berichteten von dem Erfolg der eingeführten Praxistage, über die sie dem Ausschuss weiteres Material zusagten.

Auf die weitere Frage, wieweit die Vermeidung des Sitzenbleibens gefördert würde und ob es zu einer Bewährungssituation der Kinder im Gymnasium komme, erläuterten sie, dass nach dem ersten oder zweiten Jahr auf dem Gymnasium kaum Kinder an die Mittelschulen zurückgingen, Probleme träten erst in der Pubertät auf. Hinsichtlich der Versetzungen betonten sie, dass die Klassenkonferenzen darüber entscheiden könnten und das Schulgesetz bei positiver Prognose auch entgegen des Notenschnittes eine „Versetzung aus anderen Gründen" und somit ein Eingehen auf die individuelle Situation des Kindes erlaube. Grundsätzlich merkten sie an, dass die auch durch den starken Geburtenrückgang in Thüringen entstandene Lehrer-Schüler-Relation von 1 : 13 mit der Hamburger Situation nur begrenzt vergleichbar sei.

Für die Begabtenförderung, nach der sich die Abgeordneten erkundigten, stünden viele Spezialgymnasien zur Verfügung sowie außerdem auf regionaler Ebene im Bereich Jena/Gera Spezialklassen in Naturwissenschaften, Korrespondenzzirkel und im Primarbereich Wochencamps zur Hochbegabtenförderung. Grundsätzlich müsse sie aber in den allgemein bildenden Schulen noch vorangetrieben werden.

Auf die Frage der Abgeordneten nach den Privatschulen legte der Staatssekretär dar, dass deren Finanzierung augenblicklich am intensivsten diskutiert werde, weil sie mit dem nächsten Doppelhaushalt 2006/2007 auf ein Schülerkosten-Modell umgestellt werde. Parallel habe Thüringen ­ übrigens als erstes Bundesland starken Geburtenrückgang zusammen mit freien Trägern, Landkreisen und Städten den Auftrag für ein Vollgutachten zur Kostenermittlung gegeben.

Die Delegation kam sodann zu einem Arbeitsessen mit dem Vorsitzenden und Abgeordneten des Bildungsausschusses des thüringischen Landtags, Hans-Jürgen Döring (SPD), Anja Ehrlich-Strathausen (SPD) und Michaele Reimann (Die Linkspartei. PDS) sowie den Referenten der Fraktionen für den Bildungsausschuss Jeannette Schilling (CDU), Dr. Uwe Kotkamp (Die Linkspartei.PDS) und Martin Döring (SPD) zusammen.

Hierbei informierten sie sich über die politische Einschätzung der Entwicklung des thüringischen Schulsystems und Planungen in diesem Bereich.

Sie führten anschließend in den Räumen des thüringischen Landtags ein Gespräch mit der Schulleiterin der Friedrich-Schiller-Schule Erfurt, Frau Lutze, und dem Schulleiter der Regelschule Oststadt-Gotha, Herrn Stellmacher, die zunächst einen kurzen Überblick über Entstehung und Entwicklung ihrer Schulen gaben. Herr Stellmacher stellte heraus, dass das Leitbild seiner Schule auf drei zentralen Punkten aufbaue: kein Schüler ohne Abschluss, optimale Vorbereitung auf den Berufseinstieg, ein gutes Sprungbrett zum Abitur. Die Schule arbeite als teilgebundene Ganztagsschule mit individueller Lernförderung. Sie biete Berufsorientierung, ein Freizeitangebot und projektorientiertes Lernen. In den Klassen 5 bis 8 gebe es zwei Stunden Förderunterricht in Gruppen von 3­8 Schülerinnen und Schüler für Leistungsschwache und -starke.

Die Finanzierung dieser Maßnahmen erfolge insbesondere durch einen vor allem in den Fächern Deutsch und Englisch bestehenden Lehrerüberhang. Aus seiner Sicht sollten mindestens 60 % der Schülerinnen und Schüler die Regelschulen besuchen.

Dem entsprechend sei für ihn auch ein Konzept, in dem der Berufsorientierung besondere Bedeutung zukomme, besonders wichtig. Daher informierten an seiner Schule auch Vertreter der Wirtschaft über die Anforderungen ihrer Berufe, Eltern und ehemalige Schülerinnen und Schüler stellten ihre Berufe vor.

Die Leiterin der Friedrich-Schiller-Schule hob hervor, dass diese die einzige sei, in der ab Klasse 7 flexible Stundentafeln eingeführt und die Stunden, orientiert an der Einhaltung des Lehrplans, nach Entscheidung der Schule verteilt würden. Sie arbeiteten in Klasse 5­9 mit je einer Wochenstunde nach dem Konzept „Lernen lernen" und strebten statt des additiven/integrativen Lernens das gemeinsame Lernen an. Nach ihrer Erfahrung verstärkten Freiarbeitsphasen die Gruppen- und Partnerarbeit, wofür es einen nicht durch Klingelzeichen unterbrochenen Blockunterricht und die Möglichkeit der Arbeit außerhalb des Schulgebäudes gebe. Die Schülerinnen und Schüler stellten sich eigene Themen und Aufgaben, verteilten innerhalb der Gruppe Aufgaben nach Begabung und schüfen sich zur Arbeitsorganisationen bestimmte Funktionen.

Bei dieser Arbeit sei zu beobachten, dass die Jugendlichen oft strenger miteinander verführen als in einem allein durch eine Lehrkraft geleiteten Unterricht. Eine individuelle Förderung durch die Lehrkraft sei zudem möglich. Zwei bis drei Mal im Jahr erörtere eine Arbeitsgruppe aus Schülern, Eltern, Lehrern das weitere Vorgehen im Bereich der Unterrichtsorganisation und übermittle dies der Gesamtlehrerkonferenz. Die Eltern würden entsprechend informiert. Frau Lutze betonte, dass die Schule wegen des guten Klimas weniger Sitzenbleiber und Fehltage habe.

Grundlage des Bewertungssystems, zu dem die Abgeordneten um Auskunft baten, sei die kollegiale Hospitation und dass in Beobachtungsbögen die Methoden- und Sachkompetenz der Schülerinnen und Schüler festgehalten werde.

Auf die Frage der Abgeordneten nach der Rolle der Rückläufer vom Gymnasium führte Herr Stellmacher aus, dass diese an seiner Schule einen nicht unwesentlichen Teil der Schülerschaft ausmachten und oft wegen ihres Lernverhaltens sehr problematisch seien. Seiner Meinung nach müsse der Übergang zum Gymnasium auch genauer geregelt werden. Frau Lutze fügte hinzu, dass für die große Zahl der Rückläufer bei der gegenwärtigen Wirtschaftslage die Auffassung vieler Eltern eine Rolle spiele, dass ein schlechtes Abitur einem Regelschulabschluss vorzuziehen sei.

Die Abgeordneten fragten sodann, wie die Heterogenität an den Schulen erreicht werde, welche Grundsätze der Personalauswahl gelten würden und ob angesichts der großen Zahl der Rückläufer nicht eher eine bessere Förderung auf den Gymnasien angeraten sei.

Zur letzten Frage war Herr Stellmacher der Auffassung, dass die Erkenntnis, dass auch ein gestufter Weg zum Abitur führe, weiter verbreitet werden müsse. Hinsichtlich des integrativen Unterrichts sagte Frau Lutze, dass dieser bei Körperbehinderten kein Problem sei, bei geistig Behinderten aber Grenzen habe. Hinsichtlich der Personalauswahl plädiere sie für schulscharfe Einstellungen, sehe aber, nachdem eine entsprechende Regelung kürzlich abgelehnt worden sei, nur geringe Chancen für eine baldige allgemeine Umsetzung.

Die Abgeordneten wollten sodann wissen, welche Erfahrungen mit den gemeinsamen Lehrplänen in den Klassen 5 und 6 bestünden, wieweit der Fortbildungsetat genutzt würde und wie sich die Anwendung des Sockelfaktorenmodells zwischen den Schulformen unterscheide.

Das Sockelfaktorenmodell, so Frau Lutze, funktioniere bei großen Schulen, bei kleineren, deren Zahl gegenwärtig zunehme, sei es problematisch. Was den Fortbildungsetat anbetreffe, sei gegenüber früher eine Verbesserung eingetreten. Wenn manche Schulen ihren Etat nicht nutzten, könnten andere davon profitieren. Die gemeinsamen Lehrpläne seien praktikabel, doch da die Schulformen sich in den Lernformen unterschieden, differierten oft auch die Inhalte.

Bei der Lehrerausbildung bemängelte sie, dass die universitäre Ausbildung bislang zu wenig Praxis enthalte.

Die Delegierten erkundigten sich anschließend danach, wie die Zuweisung fester Einzugsbereiche zu den Schulen eingeschätzt werde.

Sie würden, so Frau Lutze und Herr Stellmacher, die Auflösung der Einzugsbereiche sehr begrüßen. Frau Lutze sah dafür allerdings wenig Aussicht, da die Gemeinden die Transporte der Schülerinnen und Schüler bezahlten. Sie erläuterte, dass man schon jetzt über einen Gastschulantrag eine Schule seiner Wahl besuchen könne, wenn die Transportkosten selbst getragen würden, doch sei eben dies für sozial Schwache ein Problem.

Abends traf sich die Delegation in Dresden zum Gespräch und gemeinsamem Essen mit dem Vorsitzenden des Ausschusses für Schule und Sport des sächsischen Landtags Lars Rohwer (CDU) und den Abgeordneten Rolf Seidel (CDU), Dr. Simone Raatz (SPD), Cornelia Falken (Linksfraktion. PDS), Dr. Andre Hahn (Linksfraktion. PDS) sowie Dr. Matthias Rößler, Staatsminister für Kultus a. D. (CDU) und der Parlamentarischen Beraterin der CDU, Antje Adamovsky. Mit ihren parlamentarischen Gesprächspartnern diskutierten die Hamburger Abgeordneten über die im Gespräch mit den Vertretern des Staatsministeriums für Kultus gewonnenen Informationen.

Sonnabend, den 17. Juni 2006

Das Programm des letzten Reisetages eröffnete ein Gespräch mit der Referentin für Mittelschulen im sächsischen Kultusministerium, Frau Dr. Maier, der Referentin für das Sächsische Staatsinstitut für Bildung und Schulentwicklung (Comenius-Institut), Frau Dr. Frau Kendler, der Leiterin des Comenius-Instituts, Frau Zeller, und der Leiterin der Mittelschule Dresden-Weixdorf, Frau Schmutzler. Anknüpfend an das Gespräch mit dem Kultusminister erhielten sie hier vertiefende Auskünfte zu den zwei Tage zuvor angesprochenen Themenbereichen.

Frau Zeller referierte einleitend die Grundzüge des sächsischen Schulsystems, das nach der Wende mit dem Ziel eingerichtet worden sei, viele Möglichkeiten der individuellen Laufbahngestaltung anzulegen. So seien für einen problemlosen Wechsel aufs Gymnasium z. B. auch die Anforderungen in den Klassen 5 und 6 von Mittelschule und Gymnasien vergleichbar. Den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen in Haupt- und Realschule werde man an der Mittelschule bei sonst gemeinsamem Unterricht durch die besonderen Lerngruppen für die Hauptschüler in den Kernfächern gerecht. In den anderen Fächern gäben die Lehrpläne Hinweise zu Niveau und Gestaltungsmöglichkeiten. Der Übergang in die Klasse 10 und auch der mittlere Bildungsabschluss, zu dem zentrale Abschlussprüfungen durchgeführt würden, richte sich nach den nationalen Bildungsstandards.