Fürsorgliche Elektronik ­ Zur Einführung der Software STiNE und Turnitin an der Universität Hamburg

Wie an vielen deutschen Hochschulen wird nun auch an der Universität Hamburg moderne Software zur Verwaltung der Studierendendaten eingeführt. In Hamburg verspricht STiNE, ein integriertes Informations- und Kommunikationssystem für Studium und Lehre, welches aus dem Projekt „Virtueller Campus" hervorgegangen ist, viele Verbesserungen für die Studierenden, die Vereinfachung von Verwaltungsvorgängen sowie hohe Datensicherheit. Mit der Umstellung auf Bachelor-/Masterstudiengänge steige der Umfang der zu erfassenden Daten, welches mit den bestehenden Verwaltungssystemen schwer zu bewältigen sei. Die Internetpräsentation legt dar, dass die Verbesserungen für die Studierenden keineswegs freiwillig, sondern verbindlich sind; obwohl im Text euphemistisch beinahe überall von können statt müssen gesprochen wird. Wie an der FU Berlin im letzten Herbst kam es auch an der Universität Hamburg zu erheblichen Problemen bei der Einführung von STiNE. Des Weiteren werden ab dem nächsten Semester alle schriftlichen Arbeiten der Studierenden des Departments für Wirtschaft und Politik (DWP) der Universität Hamburg über das System Turnitin von iParadigms, LLC überprüft.

Davor sollen bereits studentische Arbeiten mit Turnitin zu Testzwecken geprüft worden sein. Bislang sollen weder der Datenschutzbeauftragte der Universität Hamburg noch des Landes Hamburg davon in Kenntnis gesetzt worden seien. Auch bei Turnitin soll es sich um ein Programm handeln, welches die Studierenden verbindlich nutzen müssen.

Ich frage daher den Senat:

Die nachstehenden Antworten beruhen überwiegend auf Angaben der Universität Hamburg.

Dieses voraus geschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Trifft es zu, dass für STiNE die Software-Lösung CampusNet des Hamburger Unternehmens Datenlotsen Informationssysteme GmbH ausgewählt wurde und dass mit dessen Implementierung die Firma EDS beauftragt wurde? Wer betreibt bzw. administriert die Software und das System?

Es wird an der Universität Hamburg die Standard-Software-Lösung CampusNET der Datenlotsen Informationssysteme GmbH eingesetzt. Im Rahmen einer Entwicklungspartnerschaft zwischen der Universität Hamburg, der Datenlotsen Informationssysteme GmbH und der EDS wird CampusNET an die Anforderungen der Universität

Hamburg angepasst und implementiert. CampusNET wird vom Regionalen Rechenzentrum der Universität betrieben.

2. In der Drs. 18/4903 wird erwähnt, dass das Multimediakontor Hamburg (MMKH) im Bereich eCampus (IT-Prozessinnovation) Aufgaben übernimmt. Übernimmt das MMKH auch Aufgaben die STiNE betreffen?

Wenn ja, welche? Inwiefern gibt es Verbindungen zwischen eCampus Hamburg und STiNE?

3. Handelt es sich bei eCampus Hamburg um dieselbe Software bzw. ITProzessinnovation wie in Berlin und damit auch um eine SAP-Software?

Läuft STiNE auf Basis einer SAP-Software?

Das Multimediakontor Hamburg (MMKH) ist am Projektcontrolling für die Universität beteiligt. Bei dem Begriff eCampus handelt es sich nicht um eine Software, sondern um den Namen der Projektorganisation der Hamburger Hochschulen, der zuständigen Behörde sowie des MMKH als Dienstleister zur Kooperation bei der Modernisierung der IT-Dienste-Infrastruktur der Hamburger Hochschulen. Das Universitätsprojekt STiNE war und ist auch Gesprächsgegenstand in den Gremien des Projekts eCampus, um hieraus hochschulübergreifend Nutzen zu ziehen. CampusNET ist kein SAPProdukt.

4. Wie hoch waren die Kosten für die Software? Wie hoch sind die laufenden Kosten für den Betrieb (Personal- und Sachausgaben) pro Jahr?

Welche Lizenzkosten sind den Hochschulen dabei entstanden und/oder entstehen pro Überprüfung? Aus welchen Haushaltsmitteln der Universität bzw. Fakultät wurde die Software finanziert?

Für das Projekt STiNE sind 1,8 Mio. Euro bereitgestellt worden, jeweils zur Hälfte von der BWF und der Universität. Die Mittel der Universität kommen aus dem Wirtschaftsplan der Universität, u. a. auch aus den Einnahmen aus Langzeitstudiengebühren. Die Lizenzgebühren sind im Gesamtkaufpreis bereits enthalten. Es wird derzeit mit den Datenlotsen über einen Wartungs- und Supportvertrag verhandelt. Dieser wird neben dem Produktsupport auch eine Anzahl von Entwicklertagen beinhalten. Die Kosten des Wartungsvertrages werden ­ abhängig von der Anzahl der vereinbarten Entwicklertage ­ zwischen 80 000 Euro und 120 000 Euro p. a. liegen. Support und Betrieb werden kurzfristige Personalkosten in der Universität von bis zu 350 000 Euro p. a. verursachen. Mittelfristig wird es im Regionalen Rechenzentrum deutliche Synergieeffekte und damit Kostenreduzierungen geben.

5. Aus welchen Mitteln soll STiNE langfristig finanziert werden? Ist vorgesehen, die Einnahmen aus den Studiengebühren zur Finanzierung von STiNE zu verwenden?

STiNE wird grundsätzlich aus den Haushaltsmitteln der Universität finanziert werden.

Da Elemente der Software direkt zu einer Verbesserung des Services für Studierende führen werden (Download von Scripten, Kommunikation von Dozenten und Studierenden, Informationen zur Verlegung von Lehrveranstaltungen, Einbindung des E-learnings, Informationen zu den Studienverläufen, Studienverlaufsplanung etc.), plant die Universität, unter der Beteiligung der AG Studienbedingungen, an der Studierende mitwirken, für diesen Zweck auch Studiengebühren einzusetzen.

6. Trifft es zu, dass STiNE sukzessive von beinahe alle Studierenden verwendet werden muss? Falls ja, aus welchem Grund? Gibt es noch andere Möglichkeiten für die Studierenden, sich beispielsweise für ein Studienfach einzuschreiben oder für ein Seminar anzumelden?

Um die Prozesse der Studienorganisation einheitlich und besser zu organisieren, sollen künftig alle Studierenden im Bachelor-Master-Studiensystem die digitalen Buchungen in STiNE nutzen. Außerdem ist die Anmeldung zu Lehrveranstaltungen mit begrenzten Teilnehmerzahlen auch für Diplom- und Magisterstudierende erforderlich. Einzelne Departments haben für ihre Studierenden Sonderregelungen getroffen.

Langfristig soll STiNE von allen Studierenden genutzt werden.

7. Trifft es zu, dass aus technischen Problemen die Studierenden der Universität Hamburg STiNE seit dem 09.10.2006 nicht nutzen konnten?

Wenn ja, was für ein Defekt lag vor? Wie viele Studierenden waren von den technischen Probleme betroffen?

Studierende konnten STiNE aufgrund von Startschwierigkeiten in den ersten Tagen nur eingeschränkt nutzen. Ursache waren Performance-Probleme, die sich in der Last, Applikationslogik und Datenbankkonfiguration begründeten. Davon war der überwiegende Teil der Studierenden betroffen.

8. Sind diese Probleme mittlerweile behoben? Wenn nein, welche Übergangslösungen gibt es? Kann dies zur Verzögerung eines Studiums führen? Wenn ja, wie wurden die Probleme behoben?

Diese Probleme sind bis zum Freitag, dem 13.10.2006 behoben worden. Um Benachteiligungen auszuschließen, wurde die Anmeldefrist für die Studierenden auf den 19.10.2006 verlängert. Die Universitätsleitung hat zugesagt, dass den Studierenden durch diese Verzögerungen keine Nachteile entstehen werden.

9. Wie können diese Probleme zukünftig vermieden werden?

Die Universität geht davon aus, dass es die o. g. Probleme in Zukunft nicht mehr geben wird.

10. Ist STiNE barrierefrei?

STiNE erfüllt die Anforderungen der Barrierefreiheit der Prioritätsstufe 1 (BITV).

Wer haftet, wenn STiNE für einzelne Studierende oder Gruppen von Studierenden falsche Entscheidungen fällt, oder technische Probleme ­ wie am 09.10. ­ möglicherweise verursacht durch Überlastung oder Hacker, zu Nachteilen für Studierende führt?

Aus Sicht der Universität ist es selbstverständlich, dass den Studierenden keinerlei Nachteile erwachsen, falls es auf Grund von Systemfehlern oder technischen Problemen zu falschen oder verzögerten Entscheidungen, z. B. bei der Platzvergabe in Lehrveranstaltungen, kommen sollte.

12. Trifft es zu, dass bei STiNE die Bestätigung der Zu- oder Absage doch postalisch versandt wird und nach der Zulassung die Studierenden beglaubigte Kopien von Zeugnissen und anderen studienrelevanten Nachweisen auf dem Postweg dann doch wieder und zusätzlich eingereicht werden müssen? Wenn ja, worin konkret besteht der Zeitgewinn und mindere Verwaltungsaufwand?

Zurzeit erfolgt die Zu- oder Absage für einen Studienplatz noch auf dem Postwege.

Zukünftig wird die Zulassung zum Studium per E-Mail erfolgen. Als Anhang zur Mail wird der Immatrikulationsantrag versandt, mit dem die formelle Annahme des Studienplatzes durch den Bewerber/die Bewerberin erfolgt. Dieser Immatrikulationsantrag wird unterschrieben an die Universität zurückgesandt.

Der wesentliche Zeitgewinn liegt u. a. in der besseren Vernetzung der einzelnen Prozessschritte. Außerdem wird der Dateneingabeaufwand im Zentrum für Studierende reduziert, die Zusagen zu den Studienplätzen werden deutlich schneller erfolgen.

Darüber hinaus werden Studierende demnächst wesentliche persönliche Daten im System selbst ändern können, ohne jedes Mal beim Zentrum für Studierende vorstellig zu werden. Sie können dann auch Bescheinigungen selbst ausdrucken, die ggf. digital signiert sein werden etc.