Zur Zukunft des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen in Hamburg

Am 5. Oktober 2006 hat die Behörde für Wissenschaft und Forschung per Presseerklärung das Ende des Hochschulübergreifenden Studienganges Wirtschaftsingenieurwesen (HWI) in seiner jetzigen Form verkündet. Diese Entscheidung sei das Ergebnis einer Diskussionsrunde, zu welcher Senator Dräger mit dem Titel „Fortsetzung der Diskussion über den Reformbedarf des HWI" geladen hatte.

Der bisherige Hamburger Wirtschaftsingenieur-Studiengang soll dabei durch zwei separate, dem Bachelor-Master-Studiensystem angepasste Modelle ersetzt werden. Künftig soll es demnach einen konsekutiven Studiengang zum Wirtschafsingenieur (Master) an der TUHH und einen integrierten, von Universität Hamburg und HAW Hamburg gemeinsam verantworteten Studiengang Wirtschaftsingenieur (Bachelor und Master) geben, wobei an der TUHH von 50 Studienanfängern und an der Universität Hamburg/HAW Hamburg von 150 Studienanfängern pro Jahr die Rede ist. Der HWI hat zum Vergleich eine Kapazität von ca. 250 neuen Studierenden im Jahr.

Wie man der Presse entnehmen konnte („Die Welt" vom 06.10.2006), werden der TUHH für fünf neue betriebswirtschaftliche Professorenstellen 1,1 Mio. Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt, welche dann mit den bisherigen Professuren aus der Logistik von der TUHH und NIT verbunden werden sollen.

Begründet wurde diese Umstrukturierung mit der niedrigen Studienerfolgsquote (ca. 30 %), der hohen Fachstudiendauer (13 bis 14 Semester), den hohen Kosten des Studienganges sowie mit der angeblichen Inkompatibilität der heutigen Struktur mit dem Bachelor-Master System. Auch sei eine Erhöhung des TUHH-Anteils an einem reformierten HWI zu kostspielig.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Inwieweit sind bei dem nun bekannt gewordenen Ergebnis die Meinungen und Vorschläge der Hochschulpräsidenten berücksichtigt worden? Warum wurde der Vorschlag der Dohnanyi-Kommission zur organisatorischen Beibehaltung des Status quo nicht umgesetzt?

Die unterschiedlichen Auffassungen und Vorschläge der Hochschulpräsidenten wurden, soweit möglich, berücksichtigt. Der organisatorische Status quo konnte ­ entgegen den Vorschlägen der Dohnanyi-Kommission ­ nicht beibehalten werden, weil mit ihm die strukturellen Defizite des Studiengangs nicht zu beheben waren und weil der Status quo einer erfolgreichen Umstellung auf das Bachelor-/Master-System entgegenstand.

2. Gibt es ein Votum der Studierenden (Vollversammlung der Studierenden) bzw. von deren Vertretern in der Gemeinsamen Kommission zur Beibehaltung des trilateralen Modells des HWIs? Wenn ja, welches?

Die Studierenden haben sich für eine Beibehaltung des trilateralen Studiengangmodells ausgesprochen.

3. Gibt es ein Votum der Gemeinsamen Kommission, in der alle drei Hochschulen vertreten sind, zum bestehenden Modell? Wenn ja, wie sieht dieses aus? Welche Vertreter sprechen sich für einen Beibehaltung des trilateralen Modells aus, welche unterstützen das neue Modell?

Die Gemeinsame Kommission hat sich für die Beibehaltung des trilateralen Studiengangmodells ausgesprochen. Im Übrigen hat der Senat sich hiermit nicht befasst.

4. Wie sehen die aktuellen Kennzahlen aus aufgrund derer die Entscheidung des Senats gefallen ist? Warum unterscheiden sich die publizierten Kennzahlen in der Presseerklärung vom 5. Oktober 2006 von den aktuellen offiziellen Zahlen der Verwaltung des HWI und der offiziellen Antwort des Senats auf meine Schriftliche Kleine Anfrage vom 29. Juni 2006 (Drs. 18/4601)?

Die aktuellen Kennzahlen für die Jahre 1996 bis 2006 lauten wie folgt: Mittlere Absolventenzahl p. a. 65

Mittlere Studienanfängerzahl p. a. 220

Mittlere Fachstudiendauer 13,5 Semester Mittlere Studienerfolgsquote ca. 30 % Marginale Unterschiede in den bisher genannten Kennzahlen ­ denen allen das gleiche Datenmaterial zugrunde liegt ­ ergeben sich aufgrund divergierender Zeiträume, die für die Ermittlung der Durchschnittswerte zugrunde gelegt wurden. Auch die Einführung von Studiengebühren für Langzeitstudierende hat generell Auswirkungen auf Studienerfolg und Studiendauer.

5. Wurde die mit der Presseerklärung vom 5. Oktober 2006 verkündete Entscheidung vor oder nach dem von Senator Dräger eingeladenen Treffen zur „Fortsetzung der Diskussion über den Reformbedarf des HWI" getroffen? Warum wurden die Vertreter der Hochschulen und des Studienganges nicht schon vor dem Treffen über die Grundzüge der jetzt getroffenen Entscheidung als eine der zu erwägenden Lösungen informiert, sodass es ihrerseits eine Vorbereitungszeit gegeben hätte, diese Lösung zu analysieren und in ihren Auswirkungen abzuschätzen?

Zu Fragen der internen Meinungsbildung nimmt der Senat grundsätzlich nicht Stellung. Im Übrigen waren den Vertretern der Hochschulen die Grundzüge der ­ in früheren Besprechungen mit der Behörde auch eingehend erörterten ­ Entscheidungsoptionen bekannt.

6. Wurde bei der Entscheidungsfindung auf studienganginternes Expertenwissen zurückgegriffen? Wenn ja, auf wessen Expertenwissen? Wurden für die Entscheidungsfindung Empfehlungen von Experten der bisherigen Studienstruktur berücksichtigt? Wenn nein, warum nicht?

In den Diskussionsprozess einbezogen wurden Vertreter der Gemeinsamen Kommission und Vertreter der Studierenden. Ihre Vorschläge wurden soweit wie möglich berücksichtigt.

7. Wurde bei der hohen Fachstudiendauer berücksichtigt, dass Studenten des HWI 13 Wochen mehr Praktika absolvieren müssen, als Studenten vergleichbarer Studiengänge?

Ja.

8. Welche Kosten pro Studierendem entstehen im neuen konsekutiven Modell der TUHH (unter Berücksichtigung der neu zur Verfügung zu stellenden Mittel in Höhe von 1,1 Mio. Euro), und wie hoch sind die Kosten pro Studierendem im bisherigen Modell des HWIs? Wird das addierte Gesamtbudget der zwei Studienangebote (an der TUHH sowie das gemeinsame Modell der Universität Hamburg mit der HAW Hamburg) größer oder kleiner sein, als das Gesamtbudget des derzeitigen HWIs? Wie groß ist das jeweilige Budget?

Werden die den Kapazitätsberichten zu entnehmenden Stellen und Studienanfänger mit den Absolventen korreliert, ergeben sich folgende Personalkosten: Kosten pro Studienanfänger im bisherigen Studiengangsmodell: ca. 15 000 Euro p. a.

Kosten pro Absolvent im bisherigen Studiengangsmodell: ca. 45­60 000 Euro p. a

Für das neue Master-Programm an der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) ist von folgenden Kosten auszugehen: Kosten pro Studienanfänger ca. 22 000 Euro p. a.

Kosten pro Absolvent ca. 22 000 Euro p. a.

Die Hochschulen erhalten Globalbudgets, eine Zuweisung zu einzelnen Studiengängen erfolgt nicht. Das addierte Budget der beiden Studiengangsmodelle wird um ca. 1,1 Mio. Euro höher sein als das bisherige Budget. Von dem zukünftig zur Verfügung stehenden Budget werden auch die im Zuge der Bachelor-/Master-Umstellung erhöhten Betreuungsrelationen sowie die längere Regelstudienzeit finanziert. Abhängig von der genauen Ausgestaltung der Curricula an der Universität Hamburg und an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) kann außerdem ggf. entweder die Kapazität des neuen Wirtschaftsingenieur-Studiengangs an Universität und HAW erhöht oder in der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften andere Verbesserungen erreicht werden.

9. Wie hoch lagen die Studienerfolgsquoten der TUHH-Studiengänge Elektrotechnik, Verfahrenstechnik, Maschinenbau, Schiffbau, Energie- und Umwelttechnik und Biotechnologie-Verfahrenstechnik im Vergleich zum HWI?

Im Rahmen der Datenerhebung für die Empfehlungen zur „Strukturreform für Hamburgs Hochschulen" (2003) wurden folgende Studienerfolgsquoten an der TUHH ermittelt: Elektrotechnik 33 % Verfahrenstechnik 43 % Maschinenbau 52 % Energie- und Umwelttechnik 40 % Hochschulübergreifender Studiengang 30 % Wirtschaftsingenieurwesen (HWI)

Die Daten zu den Studiengängen Schiffbau und Biotechnologie-Verfahrenstechnik liegen nicht vor. Sie konnten in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht ermittelt werden.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei den Ingenieur-Studiengängen an der TUHH keine Zulassungsbeschränkung existierte, während der hochschulübergreifende Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen i. d. R. eine Zulassungsbeschränkung vorsieht.