Tourismus

1. Anlass

Die Bürgerschaft hat den Senat mit Beschluss vom 22./23. Februar 2006 ersucht,

1. eine Untersuchung über den Tourismus in Hamburg mit dem Schwerpunkt Senioren zu erstellen. Im Rahmen dieser Untersuchung sollen eine Bestandsaufnahme von Seniorentourismus in vergleichbaren Metropolregionen, möglichen Entwicklungen und Potenzialen erstellt sowie Handlungsalternativen in diesem Bereich für Hamburg betrachtet werden.

2. der Bürgerschaft zeitnah darüber zu berichten.

Zum Thema Seniorentourismus bzw. zur Zielgruppe der Senioren liegen eine Reihe von Untersuchungen, Einschätzungen und Kommentierungen vor, die von der Hamburg Tourismus GmbH (HHT) ausgewertet und um Handlungsvorschläge für den Hamburg Tourismus ergänzt wurden. Für die Bestandsaufnahme des Seniorentourismus in anderen Metropolen hätte es einer besonderen externen Untersuchung bedurft, auf die unter Zeitund Kostengesichtspunkten verzichtet werden konnte, weil die Auswertung des vorhandenen Materials auch auf andere Metropolen übertragbar sein dürfte. Dies bedeutet allerdings nicht, dass HHT bei der Entwicklung einzelner seniorengeeigneter Angebote auf ein Benchmark mit anderen Städten verzichtet. Anstelle genereller Recherchen wird das Instrument vielmehr bedarfsgerecht eingesetzt.

Dieses Vorgehen ist auch hinsichtlich seiner Aktualität einer Grundlagenerhebung vorzuziehen.

Nachfolgend werden die wichtigsten Ergebnisse der HHT-Auswertungen vorhandenen Materials dargestellt.

2. Ergebnisse der Untersuchung

Die Zielgruppe

In Folge des demografischen Wandels in Deutschland und Europa wird die Gruppe der Senioren in allen Lebensbereichen ­ somit auch im Tourismus ­ immer mehr an Bedeutung gewinnen. Eine einheitliche Definition des Seniorenalters gibt es nicht. In der vorliegenden Untersuchung wird sie weit gefasst ab einem Alter von 50, wobei aufgrund der Datenverfügbarkeit und -vergleichbarkeit teilweise andere Altersabgrenzungen ­ vorwiegend ab 60 Jahren ­ genannt werden.

Das Reiseverhalten der Senioren

Im Jahr 2004 unternahmen die Senioren insgesamt 21,1 Mio. Urlaubsreisen1). Dies ergibt 1,5 Urlaubsreisen pro Senior und liegt somit leicht über dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung von 1,4 Urlaubsreisen pro Person in 2004. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die wichtigsten Kennziffern.

1) Reisen ab 5 Tagen BÜRGERSCHAFT Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft Beantwortung des Bürgerschaftlichen Ersuchens Drucksache 18/3687 „Seniorentourismus in Hamburg"

Während in der Gesamtbevölkerung (ab 14 Jahren) der Anteil derjenigen, die jährlich mindestens eine Urlaubsreise machen, von 1994 gegenüber 2004 von 78,1 % auf 74,4 % gesunken ist, stieg die Urlaubsreiseintensität der Senioren in diesem Zeitraum von 65,5 % auf 70 %. Damit hat sich die Differenz zwischen der Urlaubsreiseintensität der Gesamtbevölkerung und der „Älteren" in 10 Jahren erheblich verringert.

Deutschland war im Jahr 2004 mit 38 % der inländischen Senioren-Paare und mit 44 % der allein stehenden inländischen Senioren das beliebteste Urlaubsreiseziel dieser Nachfragegruppe. Im Vergleich dazu führten nur 31 % der Urlaubsreisen des Durchschnittes der Bevölkerung ins Inland. Für die Zukunft wird prognostiziert, dass tendenziell mehr Senioren ins Ausland reisen werden.

Bei den durchschnittlich 1,5 getätigten Urlaubsreisen im Jahr 2004 gaben Senioren-Paare durchschnittlich 826 Euro und allein stehende Senioren durchschnittlich 934 Euro pro Person und Urlaubsreise aus. Die durchschnittlichen Reiseausgaben der Gesamtbevölkerung betrugen im Jahr 2004 vergleichsweise 812 Euro pro Person.

Die Reisezeit aller Senioren bewegt sich im Gegensatz zur Gesamtbevölkerung über eine breitere Zeitspanne im Jahr, da sie i.d.R. nicht auf Ferientermine Rücksicht nehmen müssen. Ihre Hauptreisezeit erstreckt sich auf die Monate März bis November, während der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung vorwiegend von Juni bis August verreist.

Die Urlaubsreisedauer wird weniger vom Alter oder sonstigen Faktoren beeinflusst, sondern von der Wahl des Reiseziels. So dauern Reisen, die ins Ausland führen durchschnittlich 13,7 Tage und sind damit länger als Inlandsreisen mit einer Dauer von 11,0 Tagen. Im Jahr 2004 betrug die durchschnittliche Reisedauer aller Reisen 12,9 Tage. Die Senioren sind mit durchschnittlich 13,2 Tagen etwas länger als der Durchschnitt der Bevölkerung unterwegs.

Bei der Wahl des Verkehrsmittels besteht zwischen den Senioren und der Gesamtbevölkerung ein signifikanter Unterschied. Zwar ist bei beiden Gruppen der PKW das beliebteste Verkehrsmittel, jedoch werden die öffentlichen Verkehrsmittel von der älteren Generation fast doppelt so häufig gewählt, wie vom Durchschnitt aller Reisenden.

Zudem bestehen Unterschiede bei der Wahl des Verkehrsmittels zwischen Senioren-Paaren und allein stehenden Senioren. Die Alleinstehenden nutzen mit 31 % vorwiegend das Auto als Transportmittel, der Bus steht mit 24 % an zweiter Stelle, die Bahn folgt mit einem Anteil von 14 %.

Bei den Senioren-Paaren hingegen beträgt die Nutzung des PKW 47 %, die vom Reisebus 16 % und der Bahn 6 %.

Das Flugzeug hat insbesondere in den letzten Jahren bei den Senioren an Bedeutung gewonnen (Senioren-Paare: 27 %, allein stehende Senioren: 24 %) und wird nach den Prognosen auch in Zukunft seine Anteile bei dieser Zielgruppe ausweiten können.

Senioren verfügen aufgrund ihres Alters und ihrer Lebenserfahrung über eine langjährige, umfassende Konsumerfahrung und Marktkenntnis. Das Alter verändert zwar die Struktur der nachgefragten Güter und Dienstleistungen. Bestimmend für den Konsum sind im Laufe des Lebens gewonnene Verhaltensweisen und Gewohnheiten, d.h. mit Eintritt eines bestimmten Alters tritt hier kein abrupter Wandel ein.

Senioren und touristische Trends

Zwei Trends werden im Tourismus festgestellt: Kurzurlaubsreisen2) und Städtereisen. Sie sind i.d.R. nicht Ersatz für Urlaubsreisen, sondern ergänzen diese. Von insgesamt 25,4 Mio. Kurzurlaubsreisen 2005 wurden 11 Mio. von der Altersgruppe „50+" unternommen. Allein der Anteil der über 60-jährigen Kurzreisenden erhöhte sich in den vergangenen zehn Jahren von 22,5 % (1995) auf 27,2 % (2005), so dass diese Reisenden heute die anteilsmäßig größte Gruppe darstellen (F.U.R. 2006, Kurzurlaubsreisen).

Das Ziel von Kurzurlaubsreisen sind häufig Städte, deshalb haben sie für Hamburg eine besondere Bedeutung.

Städtereisende gelten als junge Zielgruppe, mit einer überdurchschnittlichen Bildung und einem ebenso überdurchschnittlichen Einkommen. Senioren gelten bisher nicht als Kernzielgruppe des Städtetourismus. Die ältere Generation unternimmt immer häufiger Städtereisen. Im Jahr 2005 führten rund 25 % der 60- bis 69-Jährigen eine Städtereise durch, die meist ins Inland ging.

Die Senioren möchten im Rahmen ihrer Städtereisen bevorzugt: „interessante kulturelle Angebote nutzen", „Verwandte, Freunde und Bekannte besuchen", „Stadt besichtigen, erleben, kennen lernen" sowie „Abwechslung haben". Befragt nach der Reiseabsicht nach Überschreiten des 60. Lebensjahres äußerten die heute 40- bis 59-Jährigen, dass sie in Zukunft mehr Städtereisen unternehmen möchten.

Eine Gästebefragung der HHT im Jahr 2004 ergab, dass der Anteil der Senioren an der Gesamtzahl der Touristen in Hamburg 25 % beträgt.

Weitere Ergebnisse der Befragung sind:

­ 4 von 5 Hamburg-Gästen im Seniorenalter stammen aus dem Inland.

­ Hamburg-Gäste im gehobenen Alter reisen überwiegend aus privatem Anlass in die Hansestadt.

­ Hauptreisemotive für Senioren sind „Musicals", „Sightseeing", „Shopping", „Kultur" sowie „Freunde/Verwandte/Bekannte".

­ Der Preis ist für nach Hamburg reisende Senioren bei ihrer Reiseentscheidung weniger ausschlaggebend als bei anderen Zielgruppen.

­ Für die Senioren ist eine hohe Qualität der Reiseleistungen von großer Bedeutung, demgegenüber ist der Preis nicht von gleicher Bedeutung.

­ Senioren zeigen ein unterschiedliches Buchungsverhalten. Ein Teil der älteren Hamburggäste bevorzugt eine frühzeitige Buchung, während der andere Teil auch gerne kurzfristig bucht.

­ Das Internet ist eine bevorzugte Informationsplattform auch für Senioren.

Zusammenfassend kann auf Grund vorliegender Untersuchungen davon ausgegangen werden, dass die Gruppe der Senioren (ab 50 Jahre) als Zielgruppe für Hamburg von zunehmender Bedeutung ist.

Maßnahmen:

Bei einer seniorenspezifischen Produkt- bzw. Kommunikationspolitik ist es wichtig, die Gestaltung der Produkte beziehungsweise Angebote sowie deren Kommunikation nach den Bedürfnissen und Wünschen der Senioren auszurichten. Die heutigen Senioren ordnen sich nicht dem „alten Eisen" zu und wollen von der Gesellschaft auch nicht als solches gesehen werden. Bezeichnungen wie „Seniorenreise" oder „Seniorenteller" sind im allgemeinen Sprachverständnis eher negativ behaftete Begriffe. Demnach müssen zwar auf die heutigen und zukünftigen Senioren zugeschnittene Produkte und Angebote entwickelt werden; diese dürfen jedoch nicht explizit als Senioren-Angebote vermarktet werden. Nach Erkenntnissen der HHT bewerben andere Metropolen die Zielgruppe auch nicht über die direkte Ansprache, sondern richten ihr Marketing themenorientiert aus.

Obwohl sich die ältere Generation in ihrem Reiseverhalten größtenteils nicht signifikant von den jüngeren Reisenden unterscheidet, ist es wichtig, dass sie in den Angeboten und Produkten ihre individuellen Interessen, Ansprüche sowie Reisemotive wieder findet. Senioren haben gegenüber den jüngeren Reisenden vergleichsweise hohe Ansprüche hinsichtlich Qualität, Service, Komfort und Bequemlichkeit. Eine entsprechende Zielgruppenansprache sollte sich somit durch Freundlichkeit im Service, Komfort in Hotels, Bequemlichkeit bei Stadtrundgängen oder ausführliche Reiseunterlagen auszeichnen.

Bei der Produktgestaltung sind nicht nur die Übernachtungsgäste, sondern auch die Tagestouristen mit themenbezogenen Angeboten als Anlass für einen Tagesausflug nach Hamburg zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass sie auch von den Hamburgerinnen und Hamburgern genutzt werden können.

Die Angebotspalette Hamburgs und der HHT umfasst ein breites Repertoire an Pauschalen, Bausteinpauschalen, Gruppenangeboten, Hotelangeboten sowie Ticketverkauf.

Insbesondere die Bausteinpauschalen bieten die Möglichkeit für seniorenspezifische Leistungsbestandteile. HHT hat in der Vergangenheit wiederholt Angebote entwickelt, die den besonderen Bedürfnissen und Wünschen der älteren Generation gerecht werden. Die nachfolgenden Ansätze stellen jedoch wichtige Bestandteile einer noch zu entwickelnden Strategie dar.

Produktangebote rund um folgende Themen sind besonders geeignet:

­ Gesundheitstourismus.

­ Kultur.

­ Natur.

­ Kombinationsangebote z. B. Bildung und Kultur oder Sport und Erholung.

Hier bieten sich auch Kooperationen mit den anderen norddeutschen Ländern an.

Senioren sind zeitlich flexibler als andere Touristen, deshalb wird von den Anbietern geprüft, ob die auslastungsschwächsten Monate Januar und Februar durch spezielle Angebote belebt werden können. Entsprechendes gilt für die Wochentage, die durch verändertes Reiseverhalten der Geschäftsreisenden tendenziell nicht mehr so gut ausgelastet sind wie die Wochenenden. Das bestehende Produkt der HHT für 2006 „Hamburger Sommerfahrt" bzw. „Goldener Mittwoch" bietet drei Übernachtungen inkl. Frühstück unter der Woche (Anreise Sonntag bis Dienstag) und zielt in diese Richtung. Dabei bezahlt der Gast lediglich die Übernachtungen und bekommt die Anreise per Bahn hinzu. Dieses Angebot wird von der Hotellerie unterstützt und ist in rund 20 Hotels über den gesamten Sommer hinweg buchbar.

In den Bereichen Reiselogistik/Transport sowie der Unterbringung sind ­ auch im Hinblick auf gesundheitliche Probleme ­ seniorenspezifische Besonderheiten zu beachten:

­ Hol- und Bringservice zum Urlaubsort.

­ Gepäcktransport organisieren.

­ Mitnahme von Hilfsmitteln gewährleisten.

­ Ggf. notwendige medizinische Versorgung auch während der An- und Abreise sicherstellen.

­ Seniorengerechte Ausstattung der Zimmer, z. B. Haltegriffe und rutschfeste Matten im Bad, Handläufe, erhöhtes Bett, stärkere Nachttischlampe, verständliche Bedienungsanleitungen für Fernseher/Radio, etc.

­ Zufahrtsmöglichkeit direkt vor das Gebäude.

­ Aufzug im Gebäude.

­ Verständliches Wegweisersystem.

­ Differenziertes Ernährungsangebot vorhalten (Diätkost, Vollwertkost, vegetarische Angebote).

­ Individuelle Portionierung bei den Mahlzeiten anbieten.

Im Rahmen der Kommunikation sollen den Senioren Reiseimpulse und Kaufanreize gegeben werden. Dabei gilt es, sie nicht über ihr Alter anzusprechen, sondern ihre speziellen Ansprüche, Bedürfnisse und Werte in den Vordergrund zu stellen.

Rund 58 % der HHT-Kunden im Seniorenalter wurden über das Internet auf die HHT aufmerksam. Der Anteil der Internetnutzer im Seniorenalter wird zunehmend ansteigen, da der Umgang mit diesem Medium privat sowie beruflich heute selbstverständlich ist und somit eine Seniorengeneration heranwächst, die mit dem Internet vertraut ist. Das Internet stellt somit schon jetzt und verstärkt in der Zukunft, eine unverzichtbare Informations-, aber auch Buchungsplattform für die Senioren dar. Entsprechende seniorenspezifische Angebote und Produkte müssen kommuniziert werden.

Generell ist die Umsetzung einer barrierefreien Website auch für einen Teil der Zielgruppe Senioren von hoher Bedeutung. Insbesondere Aspekte wie Schriftgrößen, Navigation und Übersichtlichkeit sind diesbezüglich zu überprüfen.

Die Printprodukte sind z. B. im Hinblick auf das Bildmaterial, Sprachstil und Layout zu überprüfen bzw. neu zu entwickeln.

Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wirkt stark imagebildend und bietet große Chancen, für Hamburg den Seniorentourismus stärker zu entwickeln.

Neben der direkten Kommunikation mit der Zielgruppe ist entscheidend, ein Bewusstsein für die Zielgruppe der Senioren innerhalb der Leistungsträger und Partner des Hamburg-Tourismus zu schaffen. Interessierte Leistungsträger können miteinander kooperieren und somit ihre Kräfte z. B. für Marketingmaßnahmen bündeln.

Bei allen genannten Maßnahmen ist darauf zu achten, dass Hamburg im Bewusstsein der potentiellen Gäste und Besucher zwar als seniorenfreundlich gilt aber nicht das Image einer „Stadt für Seniorentourismus" erhält; dieses wäre kontraproduktiv und könnte eher abschreckend wirken.

3. Zusammenfassung Senioren sind als wichtige Zielgruppe für den Städtetourismus einzustufen. Sie eröffnen dem Hamburg-Tourismus damit Chancen und Perspektiven. Durch seniorengerechte Marketingmaßnahmen und Angebote, von denen auch die Hamburgerinnen und Hamburger profitieren können, lassen sich die Potentiale der Zielgruppe noch stärker ausschöpfen. Dabei sind folgende Aspekte zu berücksichtigen, die die Zielgruppe kennzeichnen:

­ kaufkräftig und ausgabefreudig,

­ hohe Konsumerfahrung,

­ höhere und differenziertere Ansprüche (z. B. an Qualität, Komfort, Bequemlichkeit) als jüngere Leute,

­ „gefühltes" Alter in der Regel niedriger als chronologisches Alter,

­ große Heterogenität innerhalb der Zielgruppe (z. B. aktiv und gesund versus gesundheitlich eingeschränkt).

Die Ausrichtung die Zielgruppe der Senioren erfordert auch im Bereich der Marktforschung eine weitere permanente Evaluierung und Anpassung der Marktforschungsdaten. Somit lässt sich die Dynamik dieser Gruppe erfassen, um auch zukünftig eine optimale Zielgruppenansprache zu gewährleisten.

4. Weiteres Vorgehen

Nach Auskunft der HHT werden die gewonnenen Erkenntnisse in der künftigen Angebots- und Marketingplanung berücksichtigt, um die Potentiale, die die Zielgruppe der Senioren bietet, für Hamburg noch stärker zu nutzen.

5. Petitum:

Der Senat beantragt, die Bürgerschaft wolle von den Ausführungen Kenntnis nehmen.