Übernahme von Bürgschaften durch Anstalten öffentlichen Rechts

Handeln der Verwaltung: (49) Aufgrund der Weisung des Anstaltsträgers gegenüber der Geschäftsführung des LBK-Immobilien ist die klare Trennung der Rechtskreise zwischen Verbindlichkeiten, die die Exekutive unmittelbar zu Lasten des Haushalts eingeht, und solchen, die die Anstalten im Rahmen ihrer selbständigen Wirtschaftsführung übernimmt, durchbrochen worden.

(50) Die Weisung des Anstaltsträgers erging auf der Grundlage von § 2 Abs. 4 der Satzung des LBK-Immobilien (Weisungsbefugnis im Einzelfall). Hier stellt sich zunächst die Frage, ob sich die Anstaltsträgerversammlung und damit letztlich die Verwaltung allein über die Satzung ein so weitreichendes ­ uneingeschränktes ­ Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung einräumen durfte. Zwar ermächtigt § 9 Abs. 1 und 2 LBK-Immobilien Gesetz den Senat, die erste Satzung des LBK-Immobilien durch Rechtsverordnung zu erlassen, in der u. a. nähere Vorschriften über die innere Verfassung des LBK-Immobilien und über die Befugnisse und Pflichten seiner Organe getroffen werden durften. Wie bei jeder Rechtsverordnung gebietet das Wesentlichkeitsprinzip aber, dass der Gesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Ermächtigung selbst regelt und dies nicht der Exekutive überlässt. Ein Recht zu Einzelfallanweisungen der Anstaltsträgerversammlung, das es der Anstaltsträgerversammlung praktisch in jedem beliebigen Geschäftsvorgang ermöglicht, die Entscheidung der Geschäftsführung zu reglementieren oder ­ wie hier ­ selbst abschließende Weisungen zu treffen, die die Geschäftsführung umzusetzen hat, sollte sich danach zumindest bereits aus dem Gesetz selbst ergeben.

(51) Im LBK-Immobilien Gesetz findet sich hierfür keine klare Grundlage. Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 LBK-Immobilien Gesetz hat die Anstaltsträgerversammlung die Geschäftsführung zu beraten und deren Tätigkeit zu überwachen. Sie kontrolliert die Umsetzung der Betriebsziele und ihre Zielerreichung (§ 5 Abs. 3 Satz 3). Ein Einzelfallweisungsrecht ist im Gesetz selbst nicht geregelt. Dass der Gesetzgeber der Anstaltsträgerversammlung diese weitreichende Kompetenz einräumen wollte, lässt sich auch der Einzelbegründung zu §§ 4 bis 8 LBK-Immobilien Gesetz63 nicht entnehmen: Danach soll die Anstaltsträgerversammlung das Beratungs- und Überwachungsorgan des LBK-Immobilien sein. Die FHH soll durch die Anstaltsträgerversammlung auch die Steuerungsfunktion wahrnehmen; alle

Vgl. Drs. 18/849 „Teilprivatisierung des LBK Hamburg" vom 7. September 2004.

Angelegenheiten außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs bedürfen deshalb der Zustimmung der Anstaltsträgerversammlung.

(52) Dafür, dass der Errichtungsgesetzgeber der Anstaltsträgerversammlung hier ein weitergehendes Weisungsrecht im Einzelfall einräumen wollte, finden sich allerdings Hinweise in der Drs. 18/849, Abschnitt E.3.4 ­ Organisation der Besitzanstalt. Danach ist die Anstaltsträgerversammlung beim LBK-Immobilien in Analogie zur Gesellschafterversammlung einer GmbH zu sehen. Dort kommt diesem Organ neben der Steuerung der Gesellschaft auch ein Weisungsrecht zu.

Diese Auslegung wird durch eine systematische Betrachtung gestützt. Im Vergleich zu anderen hamburgischen Errichtungsgesetzen ergibt sich, dass der Gesetzgeber neuerdings Aufsichtsbehörden von Anstalten Weisungsbefugnisse, wie sie im GmbH-Recht Gesellschaftern zukommen, einräumt. So unterliegen die Geschäftsführungen der Anstalten öffentlichen Rechts Stadtreinigung Hamburg, Hamburger Stadtentwässerung und Hamburger Friedhöfe nach einer im Oktober 2005 erfolgten entsprechenden Änderung in § 9 der jeweiligen Errichtungsgesetze66 einer dem § 37 Abs. 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) entsprechenden Weisungsbefugnis.

Im Ergebnis ist das Weisungsrecht der Anstaltsträgerversammlung wirksam eingeführt worden.

(53) Durch das Weisungsrecht der Anstaltsträgerversammlung ist der Verwaltung unmittelbar die Möglichkeit eingeräumt, die Geschäftsführung des LBKImmobilien anzuweisen. Soweit die Verwaltung damit in wesentlichen Angelegenheiten Entscheidungen für die Anstalt trifft,68 führt dies dazu, dass deren

Darüber hinaus solle die Grundstücksverwaltung des LBK-Immobilien in konzeptionellen und strategischen Fragen über die Anstaltsträgerversammlung direkt durch die zuständige Behörde gesteuert werden.

Nach den Kommentierungen zum GmbHG haben die Gesellschafter einer GmbH im Unterschied zur Aktiengesellschaft eine in jeder Hinsicht übergeordnete Geschäftsführungskompetenz, weil die Geschäftsführer der GmbH weisungsgebunden sind; hiervon sind auch positivgebietende Weisungen im Einzelfall erfasst.

In § 9 Abs. 1 der Errichtungsgesetze wurde jeweils folgender Satz angefügt: „Die Geschäftsführung ist dem Unternehmen gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, die für den Umfang ihrer Befugnisse, das Unternehmen zu vertreten, durch Weisungen der Aufsichtsbehörde festgesetzt sind." Diese Formulierung entspricht weitestgehend § 37 Abs. 1 GmbHG; vgl. dazu Fn. 65.

Wie sehr die Entscheidungen des LBK-Immobilien von der Verwaltung selbst getroffen oder beeinflusst worden sind, wird u. a. darin deutlich, dass zahlreiche Korrespondenz der Bürgschaftsnehmer sowie Asklepios nicht allein mit der Geschäftsführung des LBK-Immobilien, sondern direkt mit der Finanzbehörde geführt wurde und dort auch Entscheidungen für den LBKImmobilien vorbereitet worden sind. Vgl. z. B. Schriftwechsel der Finanzbehörde vom 18. Januar 2005 mit Molita und der BayLB bzgl. der Bürgschaftsübernahme und des weiteren Vorgehens zur Vermeidung eines Baustopps; Schriftwechsel zwischen Asklepios Kliniken GmbH und der Finanzbehörde zur Bürgschaftsübernahme vom 27. und 28. Dezember 2004 und zur Abwicklung der vom LBK-Immobilien übernommenen Mitfinanzierung der Dezemberrate 2004 (vgl. Tz. 22)vom 24. Januar 2005.

Übernahme von Bürgschaften durch Anstalten öffentlichen Rechts grundsätzliche Selbständigkeit gegenüber der Exekutive insoweit in Frage gestellt ist, als die Verwaltung von diesem Recht Gebrauch macht.

Solche Entscheidungen sind nicht mehr nur der selbstständigen und vom Haushalt des Landes getrennt zu betrachtenden Wirtschaftsführung der Anstalt zuzurechnen, sondern vielmehr maßgeblich der Verwaltung, die dabei ohne Einschränkungen dem Haushaltsrecht unterworfen ist. So liegt es hier: In der Weisung des Anstaltsträgers ­ durch die Anstaltsträgerversammlung - an die Geschäftsführung des LBK-Immobilien, die Bürgschaften zu übernehmen, liegt ungeachtet der die Anstalt treffenden zivilrechtlichen Zurechenbarkeit der Bürgschaftsübernahmen in erster Linie eine Entscheidung des Anstaltsträgers und nicht der Anstalt selbst.

Nichts Anderes würde im Übrigen gelten, wenn die Geschäftsführung des LBKImmobilien die Anstaltsträgerversammlung um Zustimmung gebeten und diese, d. h. die Ermächtigung zu einer zu Lasten Hamburgs gehenden Bürgschaftsübernahme, erhalten hätte. Auch in einem solchen Fall läge nämlich die maßgebliche Entscheidung bei der Anstaltsträgerversammlung. Beiden Fallgestaltungen ist ­ ungeachtet der Eigenschaft der Anstaltsträgerversammlung zugleich als Organ der Anstalt ­ gemein, dass letztlich die Entscheidung des Anstaltsträgers - vermittelt durch die Anstaltsträgerversammlung - maßgeblich ist, sei es als verbindliche Weisung an die Geschäftsführung, sei es als konstitutive Zustimmung zu deren Petitum. Entscheidend kommt es darauf an, dass die Anstaltsträgerversammlung das Instrument darstellt, mit dem der Anstaltsträger ­ ggf. durch Weisung an die Mitglieder der Anstaltsträgerversammlung ­ der Anstalt die Durchsetzung seines Willens verbindlich aufgibt.

(54) Auch wenn die Bürgschaften nicht förmlich durch die FHH selbst übernommen wurden, sind die haushaltsmäßigen Wirkungen der Anweisung durch den Anstaltsträger wegen der finanziellen Überforderung des LBK-Immobilien einer Bürgschaftsübernahme durch die FHH gleichzusetzen. In beiden Fällen wird die Bürgerschaft für künftige Haushaltsjahre in ihrer Mittelbewilligung präjudiziert, so dass es ihrer Zustimmung zur Bürgschaftsübernahme bedurft hätte. Die Anweisung der Geschäftsführung des LBK-Immobilien zur Bürgschaftsübernahme war daher verfassungsrechtlich ohne parlamentarische Ermächtigung unzulässig.

Zustimmend Wendt in v.Mangold/Klein/Starck, a.a.O. Art. 110, Rdn 70, für juristische Personen des öffentlichen Rechts, die überwiegend oder ausschließlich finanzwirtschaftliche Transaktionen durchführen sollen und darum wie ein Bestandteil des Bundes- oder Landeshaushalts zu behandeln seien.