Lücken im Kita-Gutscheinsystem: Kein Anrecht auf Kinderbetreuung bei Qualifizierungsarbeiten von Akademikerinnen?

In der Hamburger Morgenpost wurde der Fall einer Geisteswissenschaftlerin geschildert, die auf dem Weg zur Professur für die Zeitdauer ihrer Habilitationsarbeit keinen Anspruch auf Kinderbetreuung hat, da sie laut Auskunft der Behörde keine bezahlte Tätigkeit ausübt. Eine solche Entscheidung ist im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und insbesondere im Sinne von Chancengerechtigkeit für Frauen (hier in akademischen Berufen) nicht nachzuvollziehen. Für die wissenschaftliche Laufbahn ist es erforderlich auch unbezahlte Qualifizierungsarbeiten, wie das Schreiben einer aufwendigen Habilitationsarbeit vorzuweisen. Derartige Qualifizierungsmaßnahmen sind bei permanenter Anwesenheit von Kleinkindern nicht zu leisten ­ eine Kinderbetreuung ist bei Bedarf zwingend erforderlich, damit Wissenschaftlerinnen mit Kindern in ihrem beruflichen Fortkommen nicht benachteiligt oder behindert werden.

Auch für andere Qualifizierungs- und Fortbildungsmaßnahmen stellt sich die Frage, ob diese zu einem Kita-Gutschein für Kinder unter drei Jahren bzw. für einen erweiterten Betreuungsumfang von mehr als fünf Stunden berechtigen.

Wir fragen den Senat:

1. Bei nachgewiesener Berufstätigkeit beider Elternteile erhalten die Eltern einen Kita-Gutschein, der sich nach dem Umfang der Berufstätigkeit richtet. Dabei ist die Art der Berufstätigkeit im Kita-Gesetz nicht näher definiert.

Wie definiert der Senat Berufstätigkeit?

Der gegenüber dem bundesgesetzlichen hinausgehende Hamburger Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung dient der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Berufstätigkeit wird in diesem Sinne als gewöhnlich ausgeübte Beschäftigung zur Einkommenserzielung verstanden.

Ist es zutreffend, dass nur bezahlte Arbeit als Bewilligungsgrund für einen über fünf Stunden hinausgehenden Kita-Gutschein bzw. überhaupt für einen Kita-Gutschein (bei Kindern unter drei Jahren) berechtigt?

Nein.

Wenn nein, welche Art von Arbeit berechtigt zu einem Kita-Gutschein, der über den gesetzlichen Anspruch auf fünf Stunden für Drei- bis Sechsjährige hinausgeht?

Ausnahmsweise können Praktika als Berufstätigkeit anerkannt werden, soweit sie in einem sachlichen Zusammenhang mit der vorangegangenen Ausbildung stehen und auf die Aufnahme einer auf Dauer angelegten Berufstätigkeit ausgerichtet sind. Die Anerkennung eines solchen Praktikums ist längstens für zwölf Monate möglich.

Berechtigt ehrenamtliche Arbeit für die Inanspruchnahme eines Kita Gutscheins? Wenn nein, warum nicht?

Nein, diese Tätigkeit ist nicht auf Einkommenserzielung ausgerichtet. Im Übrigen siehe Antwort zu 1.1.

2. Welche Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen berechtigen Elternteile zur Inanspruchnahme von Kita-Gutscheinen, die über den gesetzlichen Anspruch hinausgehen?

Kinder haben gemäß § 6 Abs. 2 Hamburger Kinderbetreuungsgesetz in dem zeitlichen Umfang Anspruch auf Betreuung in einer Tageseinrichtung, in dem ihre Sorgeberechtigten wegen der Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung im Sinne des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch oder an Deutsch-Sprachkursen für Migrantinnen und Migranten ihre Betreuung nicht selbst übernehmen können. Im Übrigen vgl. die Antwort zu 1.3.

3. Ist es zutreffend, dass akademisch ausgebildete Frauen oder Männer, die Kinder im Kita-Alter haben, für die Dauer ihrer Habilitations- oder Promotionsarbeit keinen Anspruch auf eine Kinderbetreuung bei Kindern unter drei Jahren bzw. keinen Anspruch auf einen Kita-Gutschein haben, der über den fünfstündigen Rechtsanspruch für Kinder zwischen drei und sechs Jahren hinausgeht?

Wenn nein, welchen Anspruch auf Kinderbetreuung haben Mütter oder Väter, die an einer unbezahlten Qualifizierungsarbeit, wie einer Promotions- oder Habilitationsarbeit, schreiben?

Nicht die in der Frage genannten Personen, sondern ihre Kinder haben Anspruch auf einen entsprechenden Kita-Gutschein und einen Anspruch auf eine bedarfsgerechte Betreuung in einer Kindertageseinrichtung, wenn ihre Sorgeberechtigten die Betreuung nicht selbst leisten können, weil sie wissenschaftliche Literatur, ihre Promotionsoder Habilitationsschrift verfassen.

Wenn ja, teilt der Senat die Ansicht, dass hier Frauen/Männer mit Kindern in ihrem beruflichen Fortkommen im Gegensatz zu Frauen/Männern ohne Kinder behindert werden?

Wie rechtfertigt der Senat diese Benachteiligung von akademischen Müttern/Vätern?

Wenn laut Kita-Gesetz derartige Qualifizierungsmaßnahmen nicht zur Erteilung eines Kita-Gutscheins über den Rechtsanspruch hinausgehend berechtigen, welche Lösungsvorschläge zur Kinderbetreuung empfiehlt der Senat den Frauen/Männern, die für ihre wissenschaftliche Qualifizierungsarbeit Zeit ohne Kinder benötigen?

Plant der Senat Änderungen im Kita-Gutscheinsystem, die eine Kinderbetreuung in solchen Fällen möglich machen?

Entfällt.

4. Wie viele Habilitanden/-innen ohne feste Anstellung gibt es in den Hamburger Hochschulen? Bitte nach einzelnen Hochschulen aufschlüsseln.

Wie ist das Verhältnis von Männer und Frauen?

Wie viele, der unter 4. genannten Personen haben Kinder im Kindergarten (inklusive Krippe)/Vorschulalter?

Eine Habilitation ist ausschließlich an den staatlichen Hochschulen Universität Hamburg, Technische Universität Hamburg-Harburg und, nach Erlass einer geplanten Habilitationsordnung, an der HafenCity Universität Hamburg möglich.

Habilitandinnen und Habilitanden finanzieren sich in unterschiedlicher Weise:

· Beschäftigung bei der Hochschule, Bezahlung aus Haushaltsmitteln,

· Beschäftigung bei der Hochschule, Bezahlung aus Drittmitteln,

· Außeruniversitäre Beschäftigung oder

· Stipendien.

Die Anzahl, das Geschlecht und der Familienstand der Habilitandinnen und Habilitanden ohne feste Anstellung ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht zu ermitteln.