Benachteiligung für Kitas im Bereich der verpflichtenden Sprachförderung

Im Zuge der Beratungen zum Doppelhaushalt 2007/2008 hat die CDU-Fraktion einen Antrag verabschiedet (Drs. 18/5459), der durch eine Änderung des § 28 a des Hamburger Schulgesetzes festlegt, dass Kinder mit nachgewiesenem Sprachförderbedarf im Jahr vor der Schule zum Besuch einer Vorschulklasse verpflichtet werden sollen.

Eltern, die sich für eine Sprachförderung und den weiteren Verbleib ihrer Kinder in einer Kita entscheiden, dürfen das zukünftig nur noch mit Ausnahmeantrag und unter Auflagen (vgl. § 28 a Abs. 3 Hamburger Schulgesetz). Die Auflagen sind im Gesetz nicht näher definiert. Diese Änderung des Schulgesetzes widerspricht der bislang wiederholt öffentlich dargestellten Sachlage seitens des Senats, dass Kita und Vorschule als gleichwertige Bildungseinrichtungen betrachtet werden und Eltern die Wahlfreiheit haben, in welcher Einrichtung sie ihr Kind betreuen lassen wollen. Die Ungleichbehandlung zwischen Kita und Vorschule wird noch dadurch verstärkt, dass für Kinder mit Sprachförderbedarf der Besuch in einer Vorschule kostenlos sein soll. Kinder, die auf Antrag zur Sprachförderung und Betreuung in einer Kita bleiben, müssen jedoch den vollen Familieneigenanteil zahlen. Diese Regelungen gehen zu Lasten der Kitas ­ doch auch die Kinder sind die Leidtragenden, weil es unter Umständen zu einem erzwungenen, pädagogisch nicht sinnvollen Wechsel der Betreuungseinrichtungen kommen kann und in der Vorschule weder die Nachmittags- noch die Ferienbetreuung gesichert ist.

Es ist nicht nachzuvollziehen, warum Vorschulklassen den Kitas im Bereich der Sprachförderung überlegen sein sollen. Zusätzlich zu den zahlreichen Erfahrungen, Angeboten und Konzepten der Kitas im Bereich der Sprachförderung, hat der Senat 2005 durch die Hamburger Bildungsempfehlungen selbst dafür gesorgt, dass die Sprachförderung in den Kindertageseinrichtungen eine zentrale Rolle spielt.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

1. Der Senat hat in den Drsn. 18/5322 und 18/4946 erklärt, dass bei festgestelltem Sprachförderbedarf (nach der 4 1/2 -jährigen Untersuchung) die Sprachförderung in einer vorschulischen Institution ­ entweder Kita oder Vorschule- stattfinden kann. Mit der Änderung des § 28 a des Hamburger Schulgesetzes soll die verpflichtende Sprachförderung nun regelhaft nur noch in der Vorschule stattfinden (Ausnahmen per Antrag). Welche Gründe haben den Senat bewogen, von der ursprünglichen Meinung, dass die additive Sprachförderung sowohl in Kitas als auch in der Vorschule stattfinden kann (siehe Drsn. 18/5322 und 18/4946), abzuweichen?

2. Warum kann die additive Sprachförderung nicht regelhaft und verpflichtend in der Kita stattfinden?

3. Aus welchen Gründen kann die additive Sprachförderung nicht sowohl in der Kita als auch in der Vorschule stattfinden?

Wie rechtfertigt der Senat die Einschränkung des nach § 5 Abs. 1 SGB VIII festgesetzten Wunsch- und Wahlrechts der Eltern für Betreuungseinrichtungen, die sich aus dem verpflichtenden Besuch einer Vorschulklasse ergibt?

Aus welchem Grund kann die additive Sprachförderung bei Wunsch der Eltern nicht auch ohne Antrag und Auflagen in der Kita durchgeführt werden?

Die additive Sprachförderung findet unverändert an den Förderorten Kita und Schule statt. Die regionale Festlegung der Förderorte wird durch die Zahl der Kinder mit besonderem Sprachförderbedarf in einer Vorschulklasse (VSK) oder Kita und die Erreichbarkeit der Förderorte bestimmt. Im Übrigen siehe Drs. 18/4946.

4. Absatz 3 des § 28 a Hamburger Schulgesetz spricht von Ausnahmen von der Verpflichtung, eine Vorschule zu besuchen. Ausnahmen seien auf Antrag und bei Erfüllung von Auflagen möglich. Diese Auflagen sind jedoch nicht näher definiert.

Um welche Auflagen handelt es sich? Welche Auflagen müssen Eltern und Kitas erfüllen, damit ein Kind zur additiven Sprachförderung in der Kita verbleiben kann?

Welche Kriterien muss nach Meinung des Senats eine in § 28 a Abs. 3 Hamburger Schulgesetz definierte „geeignete Einrichtung der Kindertagesbetreuung" erfüllen, damit Eltern auf Antrag ihr Kind in der Kita zur Sprachförderung belassen können?

Von der Verpflichtung, eine VSK zu besuchen, wird auf Antrag befreit, wenn das Kind eine geeignete Kindertageseinrichtung besucht. Geeignet sind alle Einrichtungen die dem „Landesrahmenvertrag Kindertagesbetreuung in Tageseinrichtungen" beigetreten sind, da diese Einrichtungen auf die Einhaltung der „Hamburger Bildungsempfehlungen für die Bildung und Erziehung von Kindern in Tageseinrichtungen" verpflichtet sind. Andere Einrichtungen sind geeignet, wenn ihr Sprachförderkonzept mit den oben genannten Bildungsempfehlungen vergleichbar ist. Die Einrichtung muss mindestens in dem Umfang besucht werden, der dem Besuch einer VSK entspricht.

Warum ist die Schule Adressat der von Eltern gestellten Ausnahmeanträge und nicht die Kita oder die zuständige Behörde? Wer entscheidet letztendlich über den Ausnahmeantrag und den Verbleib der Kinder mit Sprachförderbedarf in der Kita?

Da die Verpflichtung zum Besuch einer VSK durch die Schule gemäß dem Hamburgischen Schulgesetz (HmbSG) ausgesprochen wird, ist auch der Antrag auf Befreiung an die Schule zu richten. Über den Antrag entscheidet die Schule.

5. Welche Faktoren qualifizieren Vorschulen mehr zur Durchführung der additiven Sprachförderung als Kitas?

Hält der Senat Vorschulklassen im Bereich der Sprachförderung für besser geeignet als Kitas? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum sollen dann Kinder mit Sprachförderbedarf regelhaft in die Vorschule gehen?

In der Drs. 18/4946 führt der Senat aus, dass „die zuständigen Behörden sich auf ein gemeinsames Bildungsverständnis und gemeinsame Bildungsziele auch in Bezug auf die Sprachförderung verständigt haben". Wie beurteilt der Senat heute seine Aussagen vom September 2006 in Hinblick auf die Ungleichbehandlung hinsichtlich der Sprachförderung in Kita und Vorschule?

Siehe Antwort zu 1. bis 3.2.

6. Wie beurteilt der Senat die Ungleichbehandlung in Hinsicht auf die Beitragsfreiheit für Kinder mit Sprachförderbedarf in der Vorschule im Vergleich zur Betreuung in der Kita, für die weiterhin der Familieneigenanteil bezahlt werden muss?

Warum werden Kinder/Eltern finanziell schlechter gestellt, die sich mit einem Antrag für die Sprachförderung in der Kita und damit für den Verbleib ihrer Kinder in der Kita aussprechen?

Aus welchem Grund werden Kinder mit Sprachförderbedarf, die sich mit ihren Eltern für den Verbleib in der Kita entscheiden, nicht von den Kita-Gebühren befreit?

Hält der Senat diese Ungleichbehandlung einer Gruppe von Kindern mit Sprachförderbedarf für rechtlich zulässig?

Die dem Sachverhalt zugrunde liegende Regelung beinhaltet eine Schulpflicht für alle Kinder, bei denen in der 4 1/2 -jährigen Untersuchung ein besonderer Sprachförderbedarf festgestellt wird. Damit wird sichergestellt, dass diese Kinder bereits ein Jahr früher in die VSK eingeschult werden, um Sprachdefizite bis zum Beginn der ersten Grundschulklasse aufarbeiten zu können. Aufgrund der Schulpflicht ist der Besuch der VSK für die Eltern gebührenfrei. Sie umfasst alle entsprechenden Kinder, also auch jene, die bisher gar keine Kindertagesbetreuung besucht haben.

Im Wege einer Ausnahmeregelung kann diese Verpflichtung durch den Besuch einer Kindertageseinrichtung zu den dort geltenden Bedingungen ersetzt werden. Eine „Kita-Pflicht" wird damit nicht begründet.

Im Übrigen sind Leistungsangebot und -umfang der Kindertageseinrichtung nicht mit denen der Vorschulklassen identisch. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Inanspruchnahme einer Ausnahmeregelung gerade keine „Gleichheit" darstellt.

7. Wie garantiert der Senat den Eltern, die ihr Kind wegen der verpflichtenden Sprachförderung in die Vorschule bringen, eine Nachmittags- oder Ferienbetreuung, wenn vorher in der Kita eine Nachmittagsbetreuung bestand?

Die Ansprüche der Kinder sind im § 6 des Hamburger Kinderbetreuungsgesetzes geregelt.

Wenn der Senat eine Nachmittagsbetreuung in der Kita im Anschluss an die Vorschule garantieren kann, hält der Senat diesen Wechsel von Institutionen für pädagogisch sinnvoll?

Wie soll sichergestellt werden, dass die Kinder, die dann mit Sprachförderbedarf in eine Vorschule gehen, ein Mittagessen bekommen?

Der Wechsel der Institutionen und die Versorgung mit Mittagessen kann für VSKKinder ebenso gestaltet werden, wie es bei Schulkindern bereits praktiziert wird. Im Übrigen siehe Antwort zu 4.1 und 4.2.

8. Welchen Richtwert soll es zukünftig für die Anzahl von Vorschulkindern in den Vorschulklassen geben?

Für Schulen mit dem KESS-4-Sozialindex 1 und 2 gelten für die VSK als Richtwert 18 Kinder plus drei Plätze für eventuelle Rückstellungen. Die maximale Schülerzahl beträgt dann 21.

Für Schulen mit dem KESS-4-Sozialindex 3 bis 6 beträgt der Richtwert für die VSK 22 Kinder plus drei Plätze für eventuelle Rückstellungen. Die maximale Schülerzahl beträgt dann 25.

Wie viele Erzieher/-innen-/Sozialpädagog/-innenstellen werden zur Betreuung einer Vorschulklasse bereitgestellt? % der Stelle eines Sozialpädagogen oder einer Sozialpädagogin.

Wer führt die additive Sprachförderung mit wie vielen Stunden in der Woche durch?

Wird die additive Sprachförderung in einer extra Gruppe erfolgen oder begleitend im Rahmen des Vorschulalltages?

Die additive Sprachförderung wird nachmittags von Lehrkräften im Umfang von 2 x 2

Unterrichtsstunden pro Schulwoche durchgeführt.