Bearbeitung von Verfahren im Rahmen von § 45 JGG

Denn insbesondere bei Jugendlichen seien die Aspekte des beschleunigten Verfahrens positiv zu werten hinsichtlich einer zeitnahen Reaktion und möglichen Sanktionierung auf die begangene Straftat.

Es sei richtig, so die Vertreterinnen und Vertreter der Staatsanwaltschaft, dass sowohl die Nutzung des vereinfachten als auch des beschleunigten Verfahrens zurückgegangen sei, gleichwohl innerhalb der Behörde regelmäßig darauf hingewiesen werde, die Jugendverfahren schnellstmöglich zum Abschluss zu bringen.

Sie machten deutlich, dass die Frage, welchen Abschluss ein Verfahren zu Gericht fände, nicht allein von der Staatsanwaltschaft abhänge sondern auch von den Gerichten. Zudem gebe es angesichts der weitreichenden Veränderungen im Bereich der Jugendrichter nicht mehr den an jugendspezifische Verfahren gewöhnten Richter, sodass häufiger auf die Formalanklage mit Eröffnung und Zustellung zurückgegriffen werde. Insgesamt aber habe das keine Auswirkungen auf den Gesamtablauf und sie hoben hervor, dass gegenüber der vergangenen Jahre im Bereich Jugendverfahren ­ unabhängig einer Formalanklage oder eines beschleunigten Verfahrens ­ schnellere Bearbeitungszeiten erzielt werden konnten.

Die Diversionsrichtlinie ansprechend wollten die CDU-Abgeordneten wissen, ob es diesbezüglich bereits Überlegungen für eine inhaltliche Überarbeitung gebe.

Es handele sich bei der Diversionsrichtlinie um eine verwaltungsinterne Anleitung, die sich in den vergangenen Jahren gut bewährt habe, so die Senatsvertreterinnen und -vertreter. Sie fügten hinzu, dass zunächst die Projektphase der Teen-Courts bis zu einer gewissen Solidität abzuwarten sei; die Anwendung des Teen-Courts dann aber durchaus als eine Reaktionsmaßnahme in den Maßnahme-Katalog nach § 45 Absatz 2 JGG mit aufgenommen werden sollte.

Die von den SPD-Abgeordneten erbetene Auskunft über die Häufigkeit der stattfindenden staatsanwaltlichen Ermahnungsgespräche sagten die Vertreterinnen und Vertreter der Staatsanwaltschaft zu Protokoll zu.

Protokollerklärung der Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg vom 21. Dezember 2006:

In der für Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende vorrangig zuständigen Hauptabteilung IV der Staatsanwaltschaft Hamburg wurden im Jahre 2004 604 und im Jahre 2005 552 Ermahnungsgespräche durchgeführt.

Die Ermahnungsgespräche, die in Sonderabteilungen der Staatsanwaltschaft durchgeführt wurden, deren Zuständigkeit sich auch auf Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende erstreckt, wurden statistisch nicht erfasst.

Die SPD-Abgeordneten erkundigten sich, ob über das Ermahnungsgespräch hinaus weitere Möglichkeiten des frühzeitigen Intervenierens bestünden. Insbesondere interessierte sie in diesem Zusammenhang, ob das nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sehr erfolgreiche Anti-Aggressivitäts-Training (AAT) im Rahmen der nach § 45 Absatz 2 möglichen Maßnahmen bereits Anwendung fände.

Hierzu führten die Vertreterinnen und Vertreter der Staatsanwaltschaft aus, dass § 45 JGG der Staatsanwaltschaft eine abgestufte Vorgehensweise ermögliche. Im Bereich leichter bis mittelschwerer Kriminalität sehe § 45 Absatz 1 JGG das Absehen von einer Strafverfolgung vor, weil davon ausgegangen werden könne, dass Straftaten Jugendlicher häufig ein entwicklungsbedingtes und daher altersspezifisches Verhalten seien und somit keiner Sanktionen im strafrechtlichen Sinne bedürften. Allerdings könne dieses Verhalten auch auf den Beginn einer kriminellen Karriere hindeuten, sodass es Aufgabe der Verfahrensbeteiligten sei, abgestuft, erzieherisch sinnvoll und zeitnah zu reagieren u. a. nach § 45 Absatz 2 JGG durch eine erzieherische Maßnahme oder einer der Tat angemessenen Ausgleichshandlung. Dazu gehörten aber nicht Eingriffe in die Dispositionsfreiheit des Jugendlichen, demzufolge auch seitens der Staatsanwaltschaft oder Jugendhilfe kein AAT angewiesen werden könne; hierzu bedürfe es eines richterlichen Beschlusses.

Der Vertreter der JGH bestätigte und ergänzte, dass das soziale Training eine eingriffsintensive Maßnahme darstelle und als Sanktion verhängt einer richterlichen Weisung auf der Basis einer Hauptverhandlung mit einer entsprechenden Verurteilung unterliege.

Gleichwohl bestehe für die JGH die Möglichkeit im Rahmen eines Jugendhilfeverfahrens einen Antrag zu stellen, mit der Bitte eine Sanktion für den Jugendlichen in Form einer sozialen Trainingsmaßnahme zu verhängen. Diese Möglichkeit sei sowohl bei beschleunigten und vereinfachten als auch bei Formalanklageverfahren gegeben.

Darüber hinaus könne eine solche Maßnahme bis zur Rechtskraft eines Urteils auch nach § 71 Absatz 1 JGG als vorläufige Anordnung über die Erziehung des Jugendlichen verhängt werden.

Die Nachfrage der CDU-Abgeordneten, ob die Möglichkeit bestehe, Sanktionen in Form von Arbeitsleistungen zu verhängen, bejahte der Vertreter der JGH und erläuterte, dass die Zuweisung und Kontrolle darüber bei den Jugendgerichtshilfen liege, die im Einzelfall bestimmte Institutionen zur Verfügung hätten und differenzierten, ob bei der Durchführung eine Betreuung erforderlich werden würde oder nicht. Die pädagogisch begleiteten Arbeitsleistungen würden dann in der Regel in Kooperation mit den Gartenbauämtern und den Umweltschutzverbänden durchgeführt. Das sei eine regelmäßig angewendete Praxis, die aber noch ausbaufähig sei.

Darüber hinaus sei in diesem Zusammenhang anzumerken, dass sich auch in diesem Bereich die Neuorganisation positiv auswirke. So seien alle Mittel, die bisher im Bereich ambulanter Maßnahmen für Straffällige zur Verfügung gestanden hätten, beim Bezirksamt Eimsbüttel zentralisiert worden, was zu einer verbesserten Steuerungsmöglichkeit bei der Finanzierung bestimmter Maßnahmen beitrage.

III. Ausschussempfehlung:

Der Rechtsausschuss empfiehlt der Bürgerschaft, von vorstehender Beratung Kenntnis zu nehmen.

Betreff: Bearbeitung von Verfahren im Rahmen von § 45 JGG (Diversion)

A. Ziele

Aus den nach dem JGG möglichen Maßnahmen ist diejenige auszuwählen, die ­ unter Berücksichtigung bereits erfolgter anderweitiger Reaktionen ­ notwendig ist, um auf Jugendliche und Heranwachsende (ergänzend) erzieherisch einzuwirken.

Die im Folgenden dargestellten Maßnahmen der Diversion müssen dabei beschleunigt umgesetzt werden. Ein Einwirken auf den Beschuldigten ist dann besonders erfolgversprechend, wenn ihm im persönlichen Kontakt mit Mitarbeitern der Strafverfolgungsbehörden der Normverstoß verdeutlicht wird.

B. Richtliniencharakter

Die nachstehenden Grundsätze entfalten keine Bindungswirkung für eine Bearbeitung von Einstellungen nach § 45 JGG. Der Staatsanwaltschaft verbleibt vielmehr ein Beurteilungsspielraum: Deshalb kann § 45 JGG auch in anderen als den hier aufgeführten Fällen Anwendung finden bzw. in Ausnahmefällen auch aufgrund besonderer Umstände ausscheiden. Die Grundsätze dieser Verfügung gehen im Zweifel auch den Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz vor.

C. Möglichkeiten des JGG

Das JGG gewährt Staatsanwälten und Richtern zum Erreichen dieser Ziele eine Vielzahl von Möglichkeiten. Eine wesentliche Vorschrift ist dabei § 45 JGG. Diese Vorschrift stellt für die Staatsanwaltschaft die Kernvorschrift im Zusammenhang mit der Diversion dar. Sie bietet im Bereich der leichten und auch der mittelschweren Kriminalität die Möglichkeit der schnellen und jugendgerechten Erledigung der Strafverfahren durch die Staatsanwaltschaft. Durch Nutzung der verschiedenen in § 45 JGG vorgesehenen Verfahrensmöglichkeiten kann auf die Vorwürfe gegen jugendliche und heranwachsende Beschuldigte differenziert reagiert werden, ohne dass es eines förmlichen Verfahrens bedarf.

Vor der Anwendung von § 45 JGG sollte geprüft werden, ob andere Einstellungsmöglichkeiten für den konkreten Fall angezeigt sind, wobei in geeigneten Fällen eine Einstellung nach § 153 StPO in Betracht gezogen werden kann. Weiter ist zunächst zu prüfen, ob zwischenzeitlich eine andere jugendrichterliche Maßnahme oder Strafe bekannt geworden ist (§ 154 StPO), oder es an dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Anklage fehlt (§§ 374 StPO, 80 JGG).