Vollstreckungsschuldner

In einem der geprüften Fälle hatte der Vollstreckungsschuldner angegeben, weiterhin als Architekt für private Bauherren tätig zu sein, zugleich aber die Frage nach Forderungen gegen Dritte verneint. Das Finanzamt ließ diese nicht ohne Weiteres schlüssigen Angaben auf sich beruhen.

59. Die Ursache dieser Mängel in der Informationsbeschaffung liegt darin, dass die Sachverhaltsaufklärung im Vollstreckungsverfahren in den einschlägigen Bestimmungen nur unvollkommen geregelt ist. Damit fehlen den Bearbeitern teilweise klare Vorgaben. Der Gedanke, der Bearbeiter könne selbst am besten beurteilen, welche Recherche dem Fall angemessen ist, führt in der Praxis nach den Feststellungen des Rechnungshofs jedoch zur Herausbildung einer Arbeitsroutine, die sich auf ein bestimmtes Standardprogramm beschränkt, anspruchsvollere Vollstreckungsmaßnahmen auslässt und gegebenenfalls auch auf Kontakte zur Veranlagungsstelle verzichtet.

Der Rechnungshof hat gefordert, die Sachverhaltsaufklärung im Vollstreckungsverfahren eindeutig zu regeln und in diesem Zusammenhang insbesondere die Mitwirkung der Veranlagungsstelle im Vollstreckungsverfahren und damit einhergehende Mitteilungspflichten zu konkretisieren.

Ratenzahlungen ohne Vollstreckungsaufschub

Das Finanzamt kann Vollstreckungsaufschub mit der Auflage regelmäßiger Ratenzahlungen gewähren, wenn die Tilgung des Rückstands in einem Zeitraum von höchstens einem Jahr gesichert ist.

In der Praxis gibt es immer wieder Fälle, in denen nach Ausschöpfung aller Vollstreckungsmöglichkeiten Rückstände verbleiben und in denen die Vollstreckungsschuldner Ratenzahlungen anbieten, ohne dass die Voraussetzungen für einen Vollstreckungsaufschub erfüllt sind. Die Finanzämter sind im Umgang mit diesen Fällen unsicher, und es mangelt an verbindlichen Vorgaben, mit denen das Finanzamt das weitere Vorgehen bei Annahme derartiger Zahlungen gegenüber dem Vollstreckungsschuldner transparent machen kann. Der Rechnungshof hat empfohlen, im Rahmen der einschlägigen Verwaltungsvorschriften für die nötige Klarheit zu sorgen, und hierzu Vorschläge unterbreitet.

Einsatz von Liquiditätsprüfern 61. Beitreibungsmaßnahmen der Finanzämter stehen häufig im Kontext einer insgesamt desolaten finanziellen Lage des Steuerpflichtigen und tragen damit ihren Teil dazu bei, dass die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen unmittelbar bedroht ist. In dieser Lage ist es insbesondere bei Selbstständigen nicht leicht, die Tilgungsmöglichkeiten sachgerecht einzuschätzen. Um in solchen Fällen die Erfolgsaussichten des Finanzamts im Beitreibungsverfahren zu verbessern, kann eine sogenannte Liquiditätsprüfung 3 Die gesetzliche Grundlage für den Vollstreckungsaufschub ist § 258 AO.

Länderübergreifende Informationssysteme

Die Vollstreckungsstellen sind darauf angewiesen, auch länderübergreifend recherchieren zu können ­ beispielsweise dann, wenn der Vollstreckungsschuldner unter seiner dem Finanzamt bekannten Wohn- oder Betriebsanschrift nicht zu erreichen ist, Anfragen beim Einwohnermeldeamt bzw. beim Wirtschafts- und Ordnungsamt erfolglos bleiben, aber nicht auszuschließen ist, dass er außerhalb Hamburgs einen neuen Betrieb führt. Bislang ist es den Vollstreckungsstellen nicht möglich, eine zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs entwickelte Datenbank zu nutzen, die die Stammdaten aller in der Bundesrepublik Deutschland registrierten Steuerpflichtigen enthält. Es ist auf Bund-Länder-Ebene geplant, den Vollstreckungsstellen künftig zumindest den Zugriff auf die für eine Anschriftenprüfung nötigen Daten zu ermöglichen. Der Rechnungshof hat die Finanzbehörde gebeten, im Interesse eines effizienten Verwaltungsvollzugs ­ unter Wahrung der Belange des Datenschutzes ­ eine möglichst umfassende Teilhabe der Vollstreckungsstellen an den vollstreckungsrelevanten Daten dieser Datenbank anzustreben.

63. Schuldnerverzeichnisse werden bei den jeweiligen Vollstreckungsgerichten oder ­ wie in Hamburg ­ als zentrales Schuldnerverzeichnis geführt. In einem Einzelfall blieb dem Finanzamt elf Monate lang verborgen, dass ein außerhalb Hamburgs lebender Geschäftsführer beim dortigen Amtsgericht eine eidesstattliche Versicherung mit Angaben zu vollstreckungsrelevantem Immobilienbesitz abgegeben hatte. Dies hätte vermieden werden können, wenn den Vollstreckungsstellen ein länderübergreifender elektronischer und damit gegenüber dem bisherigen Verfahren verwaltungstechnisch einfacherer Zugriff auf Schuldnerverzeichnisse möglich gewesen wäre.

Der Rechnungshof hat der Finanzbehörde empfohlen, sich hierfür im Rahmen der beabsichtigten Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung einzusetzen.

Auswertung von Insolvenzbekanntmachungen

Die Vollstreckungsstellen der Finanzämter werten die elektronisch zugänglichen öffentlichen Bekanntmachungen des Amtsgerichts Hamburg über Entscheidungen in Insolvenzverfahren aus. Das dabei eingesetzte gestufte Abfragekonzept führt dazu, dass ein erheblicher Teil des Arbeitsaufwandes vergeblich ist, wenn die Bekanntmachungen dezentral ausgewertet werden. Der Rechnungshof hat auf die Vorteile einer zentralisierten Auswertung hingewiesen und eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung unter Berücksichtigung verschiedener Organisationsmodelle angeregt. Sie hat zugesagt, die festgestellten Schwachstellen zu beseitigen und insbesondere für die Sachverhaltsaufklärung im Vollstreckungsverfahren eindeutige Regelungen zu treffen. Sie prüft, mit welchen Maßnahmen und gegebenenfalls auch Arbeitshilfen die Zusammenarbeit der Vollstreckungs- und der Veranlagungsstellen verbessert werden kann. Das Instrument der Liquiditätsprüfung soll kurzfristig mit Vertretern der Finanzämter erörtert werden, um auf dieser Grundlage über Art und Umfang einer praktischen Erprobung zu entscheiden. Die Finanzbehörde wird auch die übrigen Vorschläge des Rechnungshofs aufgreifen und nach praxisgerechten Lösungen suchen.