Probleme bei der Haftpflichtversicherung für Pflegekinder

Sobald ein Pflegekind in einer neuen Familie ist, sind die Pflegeeltern für alle Personen- und Sachschäden haftbar, die das Kind sich oder Dritten zufügt.

Schäden, die durch ein Pflegekind verursacht werden, können in bestimmtem Umfang durch den Abschluss einer Familienhaftpflichtversicherung abgedeckt werden. Eine Familienhaftpflichtversicherung enthält dann in der Regel den Passus, dass alle Kinder, die im Haushalt der Familie leben, in den Versicherungsschutz miteinbezogen werden können und umfasst daher auch Pflegekinder, sofern sie dem Versicherer ausdrücklich gemeldet worden sind.

Eine Versicherungslücke soll jedoch bei der Familienhaftpflichtversicherung für alle Personen- und Sachschäden, die das Pflegekind Dritten zufügt, bestehen, wenn das Pflegekind noch nicht deliktfähig ist (vor Vollendung des siebten Lebensjahres), wenn das Pflegekind behindert ist, wenn das Pflegekind nicht die nötige „Einsichtsfähigkeit" besitzt bzw. wenn das Pflegekind „vorsätzlich" einen Schaden verursacht hat.

Diese Versicherungslücke soll auch bei Ansprüchen im Binnenverhältnis von Pflegepersonen und Pflegekind bestehen. So seien im Rahmen der Familienhaftpflichtversicherung meist nur ­ mit Ausnahme des Vorgenannten ­ die Ansprüche Dritter versichert sind, nicht aber die von Pflegekindern gegenüber ihren Pflegeeltern und umgekehrt. Bei Schäden, die das Pflegekind an Rechtsgütern der Pflegepersonen verursacht hat, greife die Versicherung ebenso wenig wie bei gesetzlichen Haftpflichtversicherungsansprüchen der Pflegekinder gegenüber ihren Pflegeeltern. Letzteres sei z. B. der Fall, wenn das Pflegekind aufgrund von Fahrlässigkeit der Pflegeeltern zu Schaden kommt.

Um auszuschließen, dass die Haftung für derlei Schäden allein bei den Pflegeeltern liegt, hat das Amt für Familie, Jugend und Sozialordnung für alle Pflegekinder, die in Hamburg Pflegegeld erhalten, eine Extra-Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Diese Versicherung soll nach den Bestimmungen des BGB auch solche Schäden regulieren. (vgl. Broschüre Pflegekinder, Behörde für Soziales und Familie, September 2004).

Nach bisherigen Erkenntnissen soll aber diese Extra-Haftpflichtversicherung sowohl im Binnenverhältnis wie gegenüber Dritten zumeist auch nur Schäden erfassen, die durch ein bereits deliktfähiges Kind nach Vollendung des siebten Lebensjahres verursacht werden. Eine weitere Versicherungslücke soll für behinderte Pflegekinder bestehen. Unklar sei weiterhin, wie der Versicherungsschutz bei Schäden geregelt ist, wo die mangelnde „Einsichtsfähigkeit" des Kindes konstatiert wird bzw. die von Pflegekindern „vorsätzlich" verursacht wurden.

Dies vorausgeschickt, frage ich den Senat: Grundsätzlich ist derjenige zum Schadenersatz verpflichtet, der selber schuldhaft einer dritten Person einen Schaden zufügt. Kinder unter sieben Jahren sind nicht schuldfähig, und haften für einen von ihnen verursachten Schaden nicht. Kinder von sieben bis 14 Jahren haften, soweit sie nach ihrem Entwicklungsstand über die Einsicht in ihr Tun verfügen; ob eine Verpflichtung zum Schadenersatz besteht, muss dementsprechend in jedem Einzelfall gesondert beurteilt werden. Kinder ab dem vollendeten vierzehnten Lebensjahr haften in der Regel im vollen Umfang. Bei behinderten Kindern wird die Schuldfähigkeit und damit ihre Verpflichtung zu Schadenersatz unabhängig vom Alter beurteilt.

Versichert werden können nur fahrlässig und grob fahrlässig verursachte Schäden.

Vorsatz ist nicht versicherbar.

Pflegeeltern sind verantwortlich für die ihnen zur Betreuung überantworteten Pflegekinder. Sofern sie ihre Aufsichtspflicht mangelhaft wahrnehmen, können sie unter Umständen auch für Schäden haften, die von einem Pflegekind verursacht werden (§ 832 BGB).

Vor diesem Hintergrund wird Pflegeeltern vom zuständigen Jugendamt empfohlen, sofern eine eigene Haftpflichtversicherung besteht, dem Versicherungsträger die Aufnahme eines Pflegekindes mitzuteilen. Dieses ist dann in der Regel prämienfrei mitversichert.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

A. Art, Umfang und Kosten der Versicherungsleistungen

1. Trifft es zu, dass Schäden, die in der Familienhaftpflichtversicherung mitversicherte Pflegekinder verursachen, nur zum Teil abgesichert sind?

Wenn ja, welche durch Pflegekinder verursachte Schäden werden von der Familienhaftpflichtversicherung in der Regel mit welcher Begründung nicht übernommen? Welche durch Pflegekinder verursachten Schäden werden in der Regel durch die Familienhaftpflichtversicherung übernommen?

2. Bei welcher Versicherung bzw. bei welchen Versicherungen hat das Amt für Jugend eine Extra-Haftpflichtversicherung für in Hamburg lebende Pflegekinder abgeschlossen?

3. Wer und was gelten über diese Extra-Haftpflichtversicherung als versichert?

Versicherungsumfang und Modalitäten einer Schadensregulierung bei einer FamilienHaftpflichtversicherung ergeben sich aus den jeweiligen Versicherungsverträgen, die zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer abgeschlossen worden sind. Die Versicherungsbedingungen der Unternehmen sind vielfältig. Insofern können dazu keine generalisierenden Angaben gemacht werden.

Das ehemalige Amt für Jugend hat eine Extra-Haftpflichtversicherung bei der „Alte Leipziger VAG" abgeschlossen, die subsidiär für Schäden eintritt, die durch betreute Kinder in Pflege- und Erziehungsstellen und bei Besuchspaten im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen sowie Pflegeeltern bei Verletzung der Aufsichtspflicht im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen verursacht werden. In allen Fällen muss aber geprüft werden, ob eine andere Haftpflichtversicherung für die Regulierung eines entstandenen Schadens herangezogen werden kann.

Der Versicherungsvertrag umfasst folgende Risiken:

· Gesetzliche Haftpflichtansprüche der Pflegekinder gegenüber den Pflegeeltern;

· Gesetzliche Haftpflichtansprüche Dritter gegenüber den Pflegekindern;

· Gesetzliche Haftpflichtansprüche Dritter gegenüber den Pflegeeltern aus Aufsichtspflichtverletzungen;

· Gesetzliche Haftpflichtansprüche der Pflegekinder untereinander;

· Gesetzliche Haftpflichtansprüche der Pflegeeltern gegenüber den Pflegekindern.

Die aus Sicht der zuständigen Behörde ausreichende Deckungssumme beträgt je Versicherungsfall und Jahr maximal 2 Mio. Euro für Personen- und sonstige Sachund Vermögensschäden bzw. maximal 4 Mio. Euro je Jahr insgesamt.

Für Schadenersatzansprüche der Pflegeeltern gegenüber den Pflegekindern besteht eine Selbstbeteiligung in Höhe von 20 % (mindestens 25 Euro, höchstens 500 Euro).

Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

4. Wann ist dieser Versicherungsschutz vom Amt für Jugend abgeschlossen worden? Wie wurde vorher verfahren?

Soweit die Akten in der für die Beantwortung der Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit ausgewertet werden konnten, wurde die Haftpflichtversicherung erstmalig 1975 abgeschlossen. Wie vorher verfahren wurde, war nicht zu ermitteln. Darüber hinaus liegen der zuständigen Behörde keine Erkenntnisse vor.

5. Wie viele Pflegekinder welcher Altersgruppen sind über diese ExtraVersicherung haftpflichtversichert? Wie viele nicht und warum nicht?

Versichert sind altersunabhängig alle Pflegekinder im Rahmen einer von einem zuständigen Jugendamt eingerichteten Vollzeitpflege nach §§ 27, 33 SGB VIII.

6. Wie viele Schadensfälle haben sich seit Abschluss dieser Extra-Haftpflichtversicherung ereignet, wie hoch ist die durchschnittliche Schadensumme pro Fall und wie hoch die jährliche Gesamt-Schadenssumme in den letzten fünf Jahren? In welchem Deckungskreis bzw. welchem Titel werden diese Aufwendungen erfasst?

Informationen über die Anzahl der Schadensfälle seit Abschluss der Versicherung, die Höhe der durchschnittlichen Schadenssumme je Fall und die jährliche Höhe der Gesamtschadenssumme in den letzten fünf Jahren betreffen ausschließlich den Geschäftsbereich des Versicherungsträgers und sind der Behörde nicht bekannt.

Die Versicherungsprämien werden aus dem Titel 4460.534.81 „Betriebsausgaben für Hilfen zur Erziehung ­ Rahmenzuweisung gemäß § 27 BezVG" finanziert.

7. Werden Pflegeeltern über diesen Extra-Versicherungsschutz aufgeklärt?

Wenn ja, wie erfolgt diese Information? Wenn nein, warum nicht?

Die Pflegeeltern werden durch die Pflegeelternberatung des zuständigen Jugendamtes anhand des Informationsblattes „Haftpflichtversicherung" über den Versicherungsschutz aufgeklärt. Außerdem erhalten die Pflegeeltern ein sog. PflegeelternHandbuch, in dem die wichtigsten Informationen zum Pflegeverhältnis (Rechte, Pflichten, etc.) erklärt sind. Weiter gibt es dazu auch eine Schulungsveranstaltung der Pflegeelternschule des Vereins Pfiff e. V.

8. Wie hoch sind die Versicherungssummen, die von den Antragstellern in dieser Extra-Haftpflichtversicherung beantragt werden können? Reichen diese nach Ansicht der Behörde aus, um in der Regel die Schadensfälle zu regulieren?

Siehe Antwort zu 1. bis 3.