Aufgabenwahrnehmung durch den Aufsichtsrat der Theater Bremen

Das Theater Bremen ist in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisiert, deren alleinige Gesellschafterin die Stadtgemeinde Bremen ist. Die verfügt über einen Aufsichtsrat, dessen Mitglieder von der Freien Hansestadt Bremen ernannt werden. Neben vier Arbeitnehmervertretern gehören dem Aufsichtsrat auch vier Vertreter der Gesellschafterin an. Die Befugnisse und Pflichten des Aufsichtsrats ergeben sich aus dem Gesellschaftsvertrag Die Gesellschaft hat darüber hinaus den am 16. Januar 2007 vom Senat beschlossenen Public Corporate Governance Kodex der Stadtgemeinde und des Landes Bremen (PCGK) anzuwenden, der seinerseits eine Ergänzung zum Handbuch Beteiligungsmanagement (Handbuch) darstellt, das vom Senat am 19. März 2003 beschlossen worden ist. Hauptaufgabe des Aufsichtsrates ist die Überwachung der Geschäftsführung. Er ist das wichtigste Überwachungs- und Kontrollorgan. Gegenstand der Überwachung sind die Ordnungsmäßigkeit, die Zweckmäßigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung. Laut einer Vorlage für den Haushalts- und Finanzausschuss (17/282 S) ist beim Theater Bremen in der Spielzeit 2008/2009 ein Defizit in Höhe von 4 Mio. aufgelaufen, das im Wesentlichen durch das Musicalprojekt Marie Antoinette verursacht wurde und das nunmehr ausgeglichen werden muss. Unter anderem soll die Freie Hansestadt Bremen ein Darlehensverpflichtung des Theaters in Höhe von 2,9 Mio. übernehmen, bis 2011 zusätzlich 3,7 Mio. zum Ausgleich von Tarifsteigerungen zur Verfügung stellen sowie einen Betriebmittelkredit von bis zu 6,4 Mio. einräumen.

Der Erfolg der eingeleiteten Maßnahmen und des Konsolidierungskonzeptes des Kulturressorts hängt davon ab, ob die Missstände, die zur jetzigen Krise und finanziellen Lage des Theaters Bremen geführt haben, tatsächlich behoben werden.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

I. Zum Handbuch Beteiligungsmanagement der Freien Hansestadt Bremen

1. Bei der Berufung von Aufsichtsratsmitgliedern sind in erster Linie Beamte vorzusehen, die mit der Verwaltung der Beteiligungen Bremens beauftragt sind. Zur Wahrnehmung von Bremens Interessen kann es zweckmäßig sein, neben den Beteiligungsreferenten auch andere Beamte als Aufsichtsratsmitglieder zu benennen (siehe Handbuch Beteiligungsmanagement, Fach 3, Nr. 60, im Folgenden abgekürzt als: Handbuch 3, Nr.). Hierzu fragen wir:

a) Warum gehört dem Aufsichtsrat seit Juli 2007 kein Beteiligungsreferent an?

b) Welche Zweckmäßigkeitserwägungen haben bei der Entsendung der Vertreter der Gesellschafterin seit Juli 2007 eine Rolle gespielt?

c) Welche Zweckmäßigkeitserwägungen haben insbesondere dazu geführt, im Jahr 2009 zwei neue Vertreter der Gesellschafterin zu Entsenden?

2. Der Aufsichtsrat soll mit Personen besetzt werden, die hinsichtlich ihrer Kenntnisse und Erfahrungen geeignet und hinsichtlich ihrer beruflichen Beanspruchung in der Lage sind, die Aufgaben eines Aufsichtsratsmitglieds wahrzunehmen (Handbuch 3, Nr. 72 und 2.5.1 PCGK). Hierzu fragen wir: Inwieweit erfüllen die seit Juli 2007 von der Gesellschafterin in den Aufsichtsrat entsandten Mitglieder diese Kriterien?

3. Ergeben sich gegen einen Bericht der Geschäftsführung, etwa aufgrund der dem Aufsichtsrat bekannten Umstände, Bedenken, muss der Aufsichtsrat diesen unverzüglich nachgehen, gegebenenfalls in dem erforderlichen Umfang selbst Prüfungen vornehmen oder die Abschlussprüfer veranlassen, ihren Bericht zu ergänzen oder besondere Sachverständige zuziehen (Handbuch 3, Nr. 98). Hierzu fragen wir:

a) Hat der Aufsichtsrat seit Juli 2007 Berichte angefordert, falls ja, welche, aus welchem Grund und mit welchem Ergebnis?

b) Hat der Aufsichtsrat seit Juli 2007 selbst Prüfungen vorgenommen, falls ja, welche, aus welchem Grund, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Ergebnis?

c) Hat der Aufsichtsrat seit Juli 2007 die Abschlussprüfer um die Ergänzung eines Berichts gebeten, falls ja, in welchem Fall, aus welchem Grund und mit welchem Ergebnis?

d) Hat der Aufsichtsrat seit Juli 2007 besondere Sachverständige zugezogen, falls ja, wen, aus welchem Grund, zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Ergebnis?

4. Erkennt der Aufsichtsrat Fehler der Geschäftsführung (etwa im Hinblick auf die Ordnungsmäßigkeit, die Zweckmäßigkeit oder die Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung), hat er einzuschreiten. Hat die Geschäftsführung gegen ihre Pflichten verstoßen, ist deren Abberufung, unter Umständen auch die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, zu prüfen (Handbuch 3, Nr. 86 und 90). Hierzu fragen wir:

a) Seit wann sind der KEB und dem Kulturressort Mängel in der Geschäftsführung des Theaters bekannt gewesen, wann hat der Aufsichtsrat davon Kenntnis gehabt, und wann wurde die Geschäftsführung des Theaters von wem angewiesen, diese zu beseitigen?

b) Hat der Aufsichtsrat seit Juli 2007 selbst Fehler bzw. Pflichtverletzungen der Geschäftsführung des Theaters erkannt, falls ja, zu welchem Zeitpunkt und welche, falls nein, warum nicht?

c) Ist seit Juli 2007 die Abberufung eines Geschäftsführers geprüft worden, falls ja, wann, von wem und mit welchem Ergebnis?

d) Ist im genannten Zeitraum die Geltendmachung von Ersatzansprüchen geprüft worden, falls ja, von wem, aus welchem Anlass und mit welchem Ergebnis, falls nein, warum nicht?

II. Zum Gesellschaftsvertrag der Theater Bremen 5. Die Gesellschafterversammlung beschließt über den Erlass oder die Änderung einer Geschäftsanweisung für die Geschäftsführung (§ 6 VI. Hierzu fragen wir:

a) Hat die Gesellschafterversammlung seit Juli 2007 Geschäftsanweisungen für die Geschäftsführung beschlossen, falls ja, welche?

b) Hat der Aufsichtsrat im Zusammenhang mit dem Projekt Marie Antoinette auf den Beschluss einer Geschäftsanweisung hingewirkt, z. B. nachdem ihm Mängel in der Geschäftsführung bekannt geworden sind, falls ja, wann und welchen Inhalts, falls nein, warum nicht?

6. Geschäftsführungshandlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb hinausgehen, bedürfen einer vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats. Insbesondere gilt dies für die Aufnahme neuer Geschäftszweige und die Erteilung von Prokuren und Handlungsvollmachten (§ 6 VII. Nr. 4 und 10). Hierzu fragen wir:

a) Wann und unter welchen Voraussetzungen hat der Aufsichtsrat dem Geschäftszweig Marie Antoinette zugestimmt?

b) Aufgrund welcher Informationen (insbesondere im Hinblick auf die Kostenkalkulation und die Gesamtfinanzierung) hat der Aufsichtsrat dem Projekt Marie Antoinette zugestimmt? Waren diese Informationen geeignet, auf ihrer Grundlage die Risiken abzuschätzen und die Entscheidung für ein Projekt in der Größenordnung von über 4 Mio. zu treffen?

c) Wurden im Zusammenhang mit dem Projekt Marie Antoinette Prokuren oder Handlungsvollmachten erteilt, die der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats bedurften, und falls ja, wann?

d) Welche Auflagen hat der Aufsichtsrat hinsichtlich der Durchführung und Steuerung des Projektes Marie Antoinette der Geschäftsführung des Theaters auferlegt, wurden diese eingehalten, und falls nein, warum nicht?

e) Waren dem Aufsichtsrat der Theater Bremen die Verträge für die Produktion Marie Antoinette bekannt, falls nein, warum nicht?

f) Wie bewertet der Senat die Verträge der Produktion Marie Antoinette im Hinblick auf die Anmietung des Musicaltheaters, die Lizenzvereinbarung, die Zweitverwertungsrechte und die Vermarktung sowie die den Lizenzgebern gewährten Eingriffsrechte bei der Gestaltung des Bühnenbildes und bei der Auswahl der Tontechnik?

g) Welche Regelungen gab es für die Geschäftsführung des Theaters im Hinblick auf Vergaben im Rahmen der Produktion Marie Antoinette, und war der Aufsichtsrat daran beteiligt, oder hätte er befasst werden müssen?

7. Die Geschäftsführer haben vor Beginn eines Geschäftsjahres einen Wirtschaftsplan vorzulegen, dem der Aufsichtsrat und das Fachressort zustimmen müssen (§ 6 XI. Hier zu fragen wir:

a) Sind dem Aufsichtsrat die Wirtschafspläne für die Geschäftsjahre 2007/2008, 2008/2009 und 2009/2010 pünktlich vorgelegt worden? Falls nein, warum nicht, wie hat der Aufsichtsrat sie eingefordert, und wann wurden sie vorgelegt?

b) In welchem Umfang hat der Aufsichtsrat die Wirtschaftspläne (insbesondere den Wirtschaftsplan 2008/2009, der die Musicalproduktion Marie Antoinette enthält) geprüft, und zu welchen Ergebnissen ist er gekommen?

8. Für die Berichtspflichten der Geschäftsführer gegenüber dem Aufsichtsrat gilt § 90 entsprechend (§ 6 XII. Hierzu fragen wir:

a) Wann hat der Aufsichtsrat und aus welchem Anlass Berichte von der Geschäftsführung eingefordert?

b) Hat es seit dem Juli 2007 Lageänderungen gegeben, die eine unverzügliche Berichterstattung erfordert hätten, und wann hat eine solche Berichterstattung stattgefunden?

c) Hatte der Aufsichtsrat Hinweise auf eine unvollständige oder unrichtige Berichterstattung durch die Geschäftsführung des Theaters im Zusammenhang mit dem Projekt Marie Antoinette und falls ja, seitwann und wie wurde darauf reagiert?

9. Der Aufsichtsrat soll in der Regel einmal im Kalendervierteljahr zusammentreten, er muss mindestens einmal im Kalenderhalbjahr zusammentreten (§ 8 XIII. siehe auch Handbuch 3, Nr. 76). Hierzu fragen wir:

a) An welchen Terminen haben seit dem Juli 2007 Aufsichtsratssitzungen stattgefunden, gab es in der Begleitung des Projektes Marie Antoinette größere Zeitlücken im Sitzungsturnus, und falls ja, warum?

b) Nach welchen Kriterien wurden die Termine und die zeitlichen Abstände zwischen den Termine bestimmt?

c) Lagen dem Aufsichtsrat seit dem Juli 2007 Hinweise bzw. Erkenntnisse vor, die eine Erhöhung der Sitzungsintensität angezeigt erscheinen ließen, falls ja, wie wurde darauf reagiert?