Zertifizierung

Die rechtlichen Bedenken sind in den genannten Städten jeweils ausgeschlossen worden. So beruft sich die Stadt München u. a. auf die Mitteilung der Europäischen Kommission vom 15.10.01 „über die Auslegung des gemeinschaftlichen Vergaberechts und die Möglichkeiten zur Berücksichtigung sozialer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge" von Interesse. München folgert, dass der Wille der Europäischen Union erkennbar sei: Diese beabsichtigt bei öffentlichen Vergaben keineswegs Produzenten zu schützen, die sich ausbeuterischer Kinderarbeit bedienen. Die Stadt Neuss zitiert ein Rechtsgutachten der Kanzlei Abel-Lorenz, Barth, Baumeister, Griem zur vergaberechtlichen Zulässigkeit einer Vorgabe internationaler arbeitsrechtlicher Standards der ILO bei der Beschaffung von Dienstkleidung. Die Kanzlei kommt zum Ergebnis, dass bei Auftragssummen von über 200 000 Euro eine Verpflichtung von Bietern in einem Ausschreibungsverfahren auf die Einhaltung der in Form von internationalen Übereinkommen kodifizierten Sozialstandards mit den Vorgaben des europäischen Rechts vereinbar ist, wenn die Bundesrepublik die entsprechenden Normen ratifiziert und im nationalen Recht verankert hat. Dies trifft für die in der Beschlussvorlage genannten Regelungen in Bezug auf Dienstkleidung/Lederwaren/Stoffe, Spielwaren und Natursteinen zu.

Die genannten Beispiele zeigen: Eine Berücksichtigung der ILO-Kernarbeitsnormen ist im öffentlichen Beschaffungswesen durch Zertifikate und/oder freiwillige Selbstverpflichtungen der Produzenten möglich. Hamburg sollte aus den vorliegenden Erfahrungen lernen und zu einer sinnvollen und passenden eigenen Regelung kommen.

Sie führt unter dem Titel III „Vorschriften aus dem sozialen Bereich, die für öffentliche Aufträge gelten" aus, dass die Ausführung eines Auftrags nach Zuschlagserteilung unter „vollständiger Einhaltung aller geltenden nationalen, internationalen oder gemeinschaftlichen Normen, Regeln, Vorschriften und Pflichten erfolgen muss, die im sozialen Bereich zwingend vorgeschrieben sind." Weiter heißt es: „Die von der ILO identifizierten, grundlegenden internationalen Arbeitsnormen und die Rechte bei der Arbeit gelten selbstverständlich in der Gesamtheit der Mitgliedsstaaten." Unter den sieben KernÜbereinkommen, die die ILO als Basis für die Kern-Arbeitsnormen benennt, befinden sich auch das Übereinkommen 29 (gegen Zwangsarbeit), das Übereinkommen 138 (zur Festsetzung eines Mindestalters) und das Übereinkommen 182 (zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit).

Dies vorangeschickt möge der Europaausschuss beschließen:

Die Bürgerschaft möge beschließen,

­ künftig bei Beschaffungen der FHH nur Produkte zu berücksichtigen, die unter Beachtung der Sozialstandards der Internationalen Arbeits-Organisation ILO Nr. 29/105, 87,98,100,111 und 138 und ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention 182 gefertigt wurden. Die Umsetzung dieser Maßgabe kann durch eine Initiative für die Aufnahme eines entsprechenden Vergabekriteriums in das Vergaberecht und analog zu den Beschlüssen der Stadträte der Städte Neuss (Änderung der Vergabepraxis bei der Stadt Neuss

­ kein Einkauf von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit ­ Dokument HA080206-03556.doc), Düsseldorf (interfraktioneller Antrag vom Februar 2006), des Verwaltungs- und Personalausschusses der Stadt München oder anderer erfolgen.

­ der Bürgerschaft zu berichten, inwieweit in den Ausschreibungsverfahren und Beschaffungsverträgen für den öffentlichen Einkauf auch die darüber hinausgehenden ILO-Mindeststandards vorausgesetzt werden können.

­ zu prüfen, inwieweit der Senat durch eine Teilnahme am Programm der „Business Social Compliance Initiative" der Foreign Trade Association (FTA) die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen unterstützen kann.

­ weiter an der Erstellung wirksamer Zertifikate und Zertifizierungsmethoden, ggf. auch gemeinsam mit Hamburger Unternehmen, zu arbeiten.

­ in Zusammenarbeit mit der Hamburger Wirtschaft einen „Hamburger Fairness Code" zu entwickeln, dem Hamburger Firmen im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung beitreten können. Dieser „Hamburger Fairness Code" muss soziale und ökologische Mindeststandards definieren, die sich an den Forderungen des dritten Tätigkeitsberichts des Entwicklungspolitischen Beirats vom März 2004 orientieren, die Teil der Vertragsvereinbarungen dieser Firmen werden und bei Verstößen auch zu Geschäftsabbruch führen können.

Der Senat soll selber Mitglied werden und die Überprüfung der Lieferanten bzw. Produzenten unterstützen.

­ gegenüber der Europäischen Kommission, der Bundesregierung und im Bundesrat die Initiative des Europäischen Parlaments zur Stärkung des fairen Handels vom 06.06.2006 (A6-0207/2006) zu unterstützen.

­ eine Informationsveranstaltung für die Hamburger Wirtschaft zum Thema Fairer Handel im Jahr 2007 zu planen und durchzuführen, auf der auch für die Teilnahme am „Hamburger Fairness Code" geworben werden soll.

­ die Öffentlichkeit durch eine Informationskampagne für das Thema Fairer Handel zu sensibilisieren.

­ der Bürgerschaft bis Ende 2007 zu berichten.

Die SPD-Abgeordneten bezeichneten als wichtig, durch Annahme einer der Anträge zu signalisieren, dass Hamburg sich trotz der wirtschaftlichen Interessen und der vielen Veranstaltungen ­ wie z. B. der China-Woche ­ der Situation in China bewusst sei und nicht darüber hinweg sehe. Dabei komme es darauf an, Kritik und Erwartungen gemeinsam zu formulieren und zu äußern, ohne zu sehr über konkurrierende Formulierungen zu streiten.

Die CDU-Abgeordneten betonten, sie hätten sich bei der Formulierung ihres Zusatzantrages sehr um Aktualität bemüht. Er enthalte eine deutliche Botschaft mit sehr weitgehenden Signalen und eine Annahme würde in der Öffentlichkeit verdeutlichen, dass die Bürgerschaft einerseits bestimmte Entwicklungen mit Sorge verfolge, andererseits aber auch mit der nötigen Sensibilität agiere. Sie würden sich sehr freuen, wenn der Ausschuss diesen Antrag einstimmig annehmen würde, zumal er dem vorgelegten Ergänzungsantrag der GAL-Abgeordneten inhaltlich sehr nahe komme.

Der GAL-Abgeordnete führte aus, dass er sich dem CDU-Antrag inhaltlich anschließen könne. Das Engagement der CDU sei ausdrücklich zu begrüßen, auch weil ihr Zusatzantrag eine Verbesserung der Ursprungsdrucksache 18/4755 aus dem August 2006 darstelle. Er schlage daher vor, das Petitum des bürgerschaftlichen Ursprungsantrages zu modifizieren und durch eine wortgleiche Übernahme des Petitums aus dem CDU-Zusatzantrag zu ersetzen.

Trotzdem vertrete er die Auffassung ­ fuhr der GAL-Abgeordnete fort ­, dass die Vorgaben für den Senat im Punkt fünf des CDU-Petitums zu vage formuliert seien, denn in Bezug auf die öffentliche Beschaffung reiche eine bloße Befragung der Lieferanten mit einer anschließenden Berichterstattung an die Bürgerschaft nicht aus. Hierzu bedürfe es seitens des Parlaments stärkerer Vorgaben dahingehend, dass künftig bei Beschaffungen der Freien und Hansestadt Hamburg nur Produkte zu berücksichtigen seien, die unter Beachtung der im GAL-Ergänzungsantrag genannten Sozialstandards der Internationale Arbeitsorganisation (ILO) gefertigt worden seien. Außerdem sei unverständlich, warum die CDU die freiwillige Selbstverpflichtung in ihrem Antrag ausgeklammert habe. Hinzu komme, dass der Punkt sechs keine echte Forderung sei, da der Senat in der vorangegangenen Beratung bereits erklärt habe, entsprechend zu verfahren. Der Senat müsse vielmehr dazu verpflichtet werden, nach dem Vorbild von Düsseldorf, Neuss und München zu handeln. Da der in der Sitzung vorgelegte GAL-Ergänzungsantrag diese Forderung erhebe, sei er weitergehender, werde deshalb aufrechterhalten und zusätzlich zur Abstimmung gestellt.

Die SPD-Abgeordneten begrüßten inhaltlich noch einmal ausdrücklich die vorgelegten Anträge und kündigten für beide ihre Zustimmung an. Sie kritisierten allerdings die Kurzfristigkeit mit der dem Ausschuss diese umfangreichen Anträge vorgelegt worden seien.

Anschließend lehnte der Ausschuss den Ergänzungsantrag der GAL mit den Stimmen der CDU- gegen die Stimmen der SPD- und GAL-Abgeordneten ab und nahm die Ursprungsdrucksache in der durch den Zusatzantrag der CDU-Abgeordneten geänderten Fassung einstimmig an.

III. Ausschussempfehlung:

Der Europaausschuss empfiehlt der Bürgerschaft einstimmig, das Petitum der Drs. 18/4755 (Neuf.) in der folgenden geänderten Fassung anzunehmen:

Die Bürgerschaft unterstützt die Bundesregierung und das Europäische Parlament in der Verurteilung der sogenannten Laogai-Lager in der Volksrepublik China. Sie unterstützt das Bestreben, in Zusammenarbeit mit der Regierung der Volksrepublik China die Schließung der Laogai-Lager zu erreichen.

Solange dies nicht erreicht ist, fordert der Europaausschuss den Senat auf,

1. bei offiziellen Anlässen mit den chinesischen Partnern den Dialog über die Menschenrechte fortzusetzen und die Problematik dieser Gefangenenlager gegenüber den chinesischen Partnern zur Sprache zu bringen, beispielsweise im Gespräch mit Vertretern aus Hamburgs Partnerstadt Shanghai.

2. die Behörden der Partnerstadt Shanghai, die den Status einer Provinz innehat, um Informationen zu ersuchen über die Anzahl der Laogai-Lager im Verwaltungsgebiet, die Zahl der darin inhaftierten Menschen, sowie über die aus den Lagern hervorgehenden Produkte und deren Produktbezeichnungen.

3. die Handelskammer zu bitten, Hamburger Unternehmen, die in China tätig sind, auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass sie mit chinesischen Geschäftspartnern zusammenarbeiten, hinter denen sich Laogai-Einrichtungen verbergen, sowie

4. die Öffentlichkeit durch geeignete Veranstaltungen ­ möglichst gemeinsam mit der Wirtschaft ­ für das Thema der sozialen Mindeststandards zu sensibilisieren.

5. Ergebnisse zu diesem Thema aus der im Jahre 2004 erfolgten Befragung der Lieferanten der öffentlichen Beschaffung Hamburgs zu veröffentlichen und der Bürgerschaft zu berichten, ob und inwiefern Maßnahmen geplant sind, die in zweifelsfreier Weise die öffentliche Beschaffung von Waren ausschließen, welche ganz oder teilweise in Zwangsarbeit hergestellt wurden.

6. hierzu die Etablierung von Zertifizierungsmodellen zu unterstützen, die eine Wertschöpfung aus Zwangsarbeit ausschließen und für alle Produktionsschritte eines Produktes die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen garantieren und die Öffentlichkeit für dieses Thema zu sensibilisieren.

7. der Bürgerschaft bis Ende 2007 zu berichten.