Gastronomie

18. Wahlperiode 21. 05. 07

Bericht des Kulturausschusses zum Thema „Konzept der BallinStadt" (Selbstbefassungsangelegenheit) Vorsitzender: Abg. Dr. Willfried Maier Schriftführerin: Abg. Brigitta Martens

I. Vorbemerkungen:

Der Kulturausschuss beschloss in seiner Sitzung am 10. April 2007 einvernehmlich die Selbstbefassung mit dem Thema „Konzept der BallinStadt" gemäß Paragraf 53 Absatz 2 der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft (GO). Der Ausschuss beschäftigte sich in der genannten Sitzung abschließend mit diesem Thema.

II. Beratungsinhalt Herr Reimers, Geschäftsführer der Leisure Work Group und der Betriebsgesellschaft BallinStadt, wies in seiner Einführung darauf hin, dass die Leisure Work Group nicht nur für das inhaltliche Konzept der BallinStadt verantwortlich sei, sondern auch für die Betriebsplanung, die Organisation und den Betrieb in den kommenden 10 Jahren.

Frau Wöst, wissenschaftliche Leiterin der BallinStadt, präsentierte die inhaltliche Konzeption und erklärte zunächst, dass das Museum nach Albert Ballin benannt sei, dem Bauherrn der ursprünglichen Anlage, die zwischen 1900 und 1907 für die Auswanderer, die Europa über Hamburg verließen, auf der Veddel errichtet worden sei. Diese Auswanderer seien in der Mehrzahl nicht deutscher Nationalität, sondern vorwiegend osteuropäischer Herkunft gewesen. Das Gelände habe im Urzustand 30 Gebäude umfasst. Drei davon seien nun nach Originalbauplänen erneut errichtet worden. Einzige Neuerung seien zwei Glaskuben an zwei Gebäuden, die dem Zweck dienten, mehr Raum für die Ausstellung zu gewinnen. Bis ins kleinste Detail sei überlegt worden, wie man den Originalzustand der Bauelemente herstellen könnte.

Im Eingangsbereich werde sich ein Empfangstresen befinden, an dem Besucher ihre Eintrittskarten lösen könnten. In den Boden eingelassen sei hier ein Modell der historischen Auswandererhallen in der Größe von vier mal acht Metern. Im ersten Pavillon werde der Forschungsbereich untergebracht sein. Die Passagierlisten, die bislang im Staatsarchiv lagerten, seien nun durch die Firma MyFamily auf der Internet-Seite ancestry.de veröffentlicht. Die digitalisierten Passagierlisten seien durch die Firma MyFamily gescannt und als images abgelegt worden, wodurch die Suche nach einem bestimmten Namen durchgeführt und die entsprechende Seite der Passagierliste im Internet angesehen werde könne. Im Forschungsbereich des Museums sei es möglich, anders als von zu Hause aus kostenfrei virtuell in den Listen zu recherchieren.

Zur Unterstützung werde geschultes Personal bereitstehen. Man werde mit dem Staatsarchiv, aber auch mit dem Projekt „Link to your roots" zusammenarbeiten. Um zu demonstrieren, wie spannend Familienforschung sein könne, werde in diesem Bereich der Ausstellung eine Auswandererbiographie exemplarisch dargestellt. Auch eine Original-Passagierliste, die man betrachten, aber nicht in die Hand nehmen könne, sei in diesem Bereich ausgestellt.

Im mittleren der drei Gebäude werde die Hauptausstellung angesiedelt sein. Viele interaktive Elemente sollten dazu beitragen, die Geschichte möglichst abwechslungsreich zu erzählen. Die Ausstellung werde durchgängig zweisprachig, deutsch und englisch, präsentiert, aber man hoffe, sie bald um weitere Sprachen erweitern zu können.

Besonders für Jugendliche sei eine Computersimulation entwickelt worden, die es an sieben Stationen ermögliche, eine Auswandererbiografie zu kreieren. Auch Kinder fänden spezifische Situationen vor, die nur für sie erlebbar präsentiert würden. Fragen wie „Womit spielten Kinder?" oder „Gab es überhaupt Zeit zum Spielen?", „Ab wann galt man als Erwachsener?" würden für Kinder anschaulich behandelt.

Im Eingangsbereich der Hauptausstellung werde der Besucher zunächst von großen Bildern empfangen, die leicht animiert seien, also den Betrachter durch Bewegungen überraschten. Hier solle die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart dadurch geschlagen werden, dass Schwarz-Weiß-Bilder, die als statische bekannt seien, sich plötzlich bewegten. In diesem Bereich befänden sich darüber hinaus sprechende Puppen, neben die der Besucher sich setzen könne, um sich von ihnen fiktive Auswandererbiografien erzählen zu lassen. Hier werde darüber informiert, dass die frühe Auswanderung um 1848 größtenteils politisch motiviert war, während die Gründe der späteren Auswanderer völlig andere waren. Auf einem überdimensionierten Atlas würden zudem die geographischen Verhältnisse dargestellt und bei Berührung bestimmter Areale erfolgten Informationen beispielsweise zum Zarenreich oder zur Region Galizien.

Die Hauptausstellung präsentiere unter der Überschrift „Zu Hause in Europa" anschaulich die Ausgangssituation der Auswandererfamilien zwischen 1850 und 1934.

Ein besonderer Schwerpunkt liege hier auf den geographischen und wirtschaftlichen Bedingungen. Unter dem Titel „Aufbruch und Reise" würden Infrastruktur und Reisemöglichkeiten dargestellt, sodass erfahrbar werde, wie lange eine Reise aus dem Heimatort nach Hamburg dauerte. Unter der Überschrift „Ankunft in Hamburg" werde die damalige Situation in Hamburg aufgezeigt und erklärt, was den Bau der Auswandererhallen notwendig gemacht habe. Die Passage selbst werde durch ein Schiff symbolisiert, wobei kein Schiff naturalistisch nachgebaut werde, wie das in Bremerhaven der Fall sei, sondern es diene abstrakt dazu, die Überfahrt darzustellen. In diesem Bereich der Ausstellung werde mittels Filmdokumenten die Entwicklung vom Segelschiff zum Ozeanriesen, aber auch die Bequemlichkeiten oder Unbequemlichkeiten der Schiffsreise aufgezeigt.

Der Ausstellungsbereich „Ankunft in New York" veranschauliche, dass 80 Prozent der über Hamburg ausgereisten Menschen in die USA und hier zunächst nach New York gingen. Unter anderem werde gezeigt, wie sich das Leben der Menschen nach deren Ankunft gestaltete. In allen Bereichen der Ausstellung seien Hörstationen untergebracht, die besonders über die Situation der deutschen Auswanderer berichteten.

Im abschließenden Bereich der Hauptausstellung werde der Bogen von der historischen Auswanderung zur heutigen Migration geschlagen. Hier werde verdeutlicht, dass das Thema Auswanderung heute noch ebenso aktuell sei wie damals.

Im dritten Gebäude, dem sogenannten Historischen Pavillon, der diesen Namen trage, weil in dessen Südfassade Originalsteine des 1907 errichteten Gebäudes eingearbeitet worden seien, werde ausschließlich der Alltag in den Auswandererhallen selbst thematisiert. Die Besucher würden hier von Personen in den ursprünglichen Uniformen an einem Tresen empfangen, der dem Original-Empfangsbereich nachempfunden sei. Auch Betten seien hier so aufgestellt, wie sie in dem Ursprungsgebäude, das im Wesentlichen als Schlafpavillon gedient habe, angeordnet gewesen seien.

Ein Bereich dieses Gebäudes, der sich vor dem Shop und der Gastronomie befinde, solle gemeinsam mit Veddeler Bürgern gestaltet werden. In den nächsten Wochen sei eine größere Fotoaktion von Veddelern über Veddeler geplant, deren Ergebnisse hier ausgestellt werden sollten. Der Shop werde hochwertige Gegenstände und vor allem Literatur zum Thema Auswanderung bereithalten; der Gastronomiebereich sei Bestandteil der historischen Ausstellung, was sich darin manifestiere, dass Tische und

Bänke der Originalmöblierung nachempfunden seien. Auch die Gerichte seien den Original-Speisekarten entlehnt.

Frau Wöst betonte, dass die BallinStadt nicht als Museum im herkömmlichen Sinne geplant sei, was sich bereits darin ausdrücke, dass ein privates Unternehmen damit beauftragt worden sei, ein Konzept zu erstellen und den Betrieb durchzuführen. Die BallinStadt solle ein Ort sein, an dem Geschichten über Menschen erzählt würden, die über Hamburg ausgewandert seien.

Frau Wöst wies darauf hin, dass die Grundsteinlegung für die BallinStadt im Dezember 2005 erfolgt sei. Im Sommer des Jahres 2006 sei das Konzept in seinen Grundzügen erstmalig präsentiert worden. Im September 2006 sei der Erste Bürgermeister mit Vertretern der Wirtschaft und der Presse gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Leisure Work Group in New York gewesen und habe das Projekt dort präsentiert. Der neu errichtete Anleger der BallinStadt werde anlässlich der „Langen Nacht der Museen" Ende Mai erstmalig genutzt. Der 4. Juli 2007 sei als offizieller Eröffnungstermin der BallinStadt vorgesehen.

Frau Wöst erwähnte, dass das finanzielle Gesamtvolumen für die BallinStadt 12 Millionen Euro umfasse, was auch die finanziellen Mittel für die Parkgestaltung beinhalte.

Dieser Park schaffe die Anbindung zwischen der BallinStadt und dem Wohngebiet der Veddel, aber vor allem auch an den Anleger. Letzterer ermögliche den Besuch der BallinStadt vom Wasser aus. Mit Barkassenunternehmen fänden zurzeit Gespräche statt, um diese auf die BallinStadt als Ausflugsziel aufmerksam zu machen.

Die Finanzierung des Projekts werde mit drei Millionen Euro von Sponsoren wie Hapag-Lloyd, Flughafen Hamburg, Norddeutsche Affinerie und der Hamburger Feuerkasse übernommen. Aber auch die Leisure Work Group habe eine größere Summe in das Projekt investiert. Auch das amerikanische Unternehmen MyFamily.com habe man als Sponsor gewinnen können. Darüber hinaus sei die Max-Warburg-Bank in das Sponsoring mit eingetreten. Frau Wöst führte aus, dass Max Warburg ein enger Vertrauter von Alfred Ballin gewesen sei. Sein Bankhaus sei bereits damals die Hausbank der Hapag-Lloyd gewesen. Auch die PR-Agentur Edelmann habe sich am Sponsoring beteiligt; Herrn Edelmanns Vorfahren seien selbst über Hamburg ausgewandert.

Frau Wöst verlieh ihrer Hoffnung Ausdruck, 150 000 Besucher pro Jahr in dem Museum begrüßen zu können, was ermöglichen würde, das Museum ohne betriebswirtschaftliche Probleme zu betreiben.

Sie erwähnte die Kooperation mit Ellis Island, von wo aus ihr beispielsweise 70 Interviews mit Menschen, die über Hamburg auswanderten, sowie zahlreiches Fotomaterial zur Verfügung gestellt worden seien. Auch zu einem Museum in Buenos Aires, dem Museo dos Imigrantes, bestünden enge Kontakte. Die Mitarbeiter dieses Museums arbeiteten nach einem ähnlichen Konzept, nämlich an einem historischen Ort, in einem Einwandererhotel, ein Museum zu unterhalten. Frau Wöst wies darauf hin, dass es der Leisure Work Group von Anfang an wichtig gewesen sei, nicht nur Amerika als Einwanderungsland in den Fokus zu nehmen, sondern auch Südamerika und Kanada als solches darzustellen.

Frau Wöst führte aus, dass das Interesse an Auswanderung nicht nur bei älteren Bevölkerungsgruppen vorhanden sei, sondern auch bei vielen jungen Menschen. Besonders für Schulklassen ließe sich dieses Themenfeld in den unterschiedlichsten Fächern behandeln. Diesen Aspekt aufgreifend sei man inzwischen damit beschäftigt, unterschiedlichste Themenbereiche der Auswanderung für verschiedene Klassenstufen aufzuarbeiten.

Herr Reimers ergänzte Frau Wösts Ausführungen durch den Hinweis, dass in jedem der drei Gebäude WC-Anlagen untergebracht seien. Ebenfalls seien in allen drei Gebäuden Garderoben vorgesehen, die es den Besuchern ermöglichten, auch bei ungünstiger Witterung mit wärmender Kleidung von einem Gebäude in das andere zu gelangen.

Ursprünglich sei darüber nachgedacht worden, ein Besucherführungs- und Leitsystem zu installieren, das völlig personalfrei funktioniere. Von dieser Idee habe man sich jedoch zugunsten von Menschen verabschiedet, die an den Eingangsbereichen die Karten für das jeweilige Gebäude entwerteten.