Jugendstrafanstalt

(9) Eine Anrechnung nach Absatz 8 ist ausgeschlossen,

1. bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung, soweit wegen des von der Entscheidung des Gerichts bis zur Entlassung verbleibenden Zeitraums eine Anrechnung nicht mehr möglich ist,

2. wenn dies vom Gericht angeordnet wird, weil bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung die Lebensverhältnisse der Gefangenen oder die Wirkungen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind, die Vollstreckung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfordern,

3. wenn nach § 456a Absatz 1 der Strafprozessordnung von der Vollstreckung abgesehen wird,

4. wenn die Gefangenen im Gnadenwege aus der Haft entlassen werden.

(10) Soweit eine Anrechnung nach Absatz 9 ausgeschlossen ist, erhalten die Gefangenen bei ihrer Entlassung für ihre Tätigkeit nach Absatz 2 als Ausgleichsentschädigung zusätzlich 15 vom Hundert des ihnen nach den Absätzen 2 und 3 gewährten Entgelts oder der ihnen nach § 35 gewährten Ausbildungsbeihilfe.

Der Anspruch entsteht erst mit der Entlassung; vor der Entlassung ist der Anspruch nicht verzinslich, nicht abtretbar und nicht vererblich. Gefangenen, bei denen eine Anrechnung nach Absatz 9 Nummer 1 ausgeschlossen ist, wird die Ausgleichszahlung bereits nach Verbüßung von jeweils zehn Jahren der lebenslangen Freiheitsstrafe oder Sicherungsverwahrung zum Eigengeld (§ 40) gutgeschrieben, soweit sie nicht vor diesem Zeitpunkt entlassen werden; § 57 Absatz 4 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(11) Die Justizbehörde wird ermächtigt, zur Durchführung der Paragrafen 35 und 36 eine Rechtsverordnung über die Vergütungsstufen zu erlassen.

§ 37 Taschengeld; Hausgeld:

(1) Erhalten Gefangene ohne ihr Verschulden weder Arbeitsentgelt noch Ausbildungsbeihilfe, wird ihnen ein angemessenes Taschengeld gewährt, falls sie bedürftig sind.

(2) Die Gefangenen dürfen von ihren in diesem Gesetz geregelten Bezügen drei Siebtel monatlich (Hausgeld) und das Taschengeld (§ 37 Absatz 1) für den Einkauf (§ 42 Absatz 2) oder anderweitig verwenden.

(3) Für Gefangene, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschäftigen (§ 32 Absatz 4), wird aus ihren Bezügen ein angemessenes Hausgeld festgesetzt.

§ 38 Haftkostenbeitrag

Von einem Haftkostenbeitrag wird abgesehen.

§ 39 Überbrückungsgeld:

(1) Aus den in diesem Gesetz geregelten Bezügen und aus den Bezügen der Gefangenen, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschäftigen (§ 32 Absatz 4), ist ein Überbrückungsgeld zu bilden, das den notwendigen Lebensunterhalt der Gefangenen und ihrer UnterhaItsberechtigten für die ersten vier Wochen nach der Entlassung sichern soll.

(2) Das Überbrückungsgeld wird den Gefangenen bei der Entlassung ausgezahlt.

Die Vollzugsbehörde kann das Überbrückungsgeld auch ganz oder teilweise den Personensorgeberechtigten, der Bewährungshilfe oder einer mit der Entlassungsbetreuung befassten Stelle überweisen, die darüber entscheidet, wie das Geld innerhalb der ersten vier Wochen nach der Entlassung an die Gefangenen ausgezahlt wird. Die Personensorgeberechtigten, die Bewährungshelferin oder der Bewährungshelfer und die mit der Entlassenenbetreuung befasste Stelle sind verpflichtet, das Überbrückungsgeld von ihrem Vermögen gesondert zu halten. Mit Zustimmung der Gefangenen kann das Überbrückungsgeld auch den Unterhaltsberechtigten überwiesen werden.

(3) Die Anstaltsleitung kann gestatten, dass das Überbrückungsgeld für Ausgaben in Anspruch genommen wird, die der Eingliederung der Gefangenen dienen.

(4) Der Anspruch auf Auszahlung des Überbrückungsgeldes ist unpfändbar.

Erreicht es nicht die in Absatz 1 bestimmte Höhe, so ist in Höhe des Unterschiedsbetrages auch der Anspruch auf Auszahlung des Eigengeldes unpfändbar. Bargeld der entlassenen Gefangenen, an die wegen der nach Satz 1 oder Satz 2 unpfändbaren Ansprüche Geld ausgezahlt worden ist, ist für die Dauer von vier Wochen seit der Entlassung, insoweit der Pfändung nicht unterworfen, als es dem Teil der Ansprüche für die Zeit von der Pfändung bis zum Ablauf der vier Wochen entspricht.

(5) Absatz 4 gilt nicht bei einer Pfändung wegen der in § 850d Absatz 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung bezeichneten Unterhaltsansprüche. Den entlassenen Gefangenen ist jedoch so viel zu belassen, als sie für ihren notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung ihrer sonstigen gesetzlichen Unterhaltspflichten für die Zeit von der Pfändung bis zum Ablauf von vier Wochen seit der Entlassung bedürfen.

§ 40 Eigengeld Bezüge der Gefangenen, die nicht als Hausgeld, Haftkostenbeitrag, Unterhaltsbeitrag oder Überbrückungsgeld in Anspruch genommen werden, sind den Gefangenen zum Eigengeld gutzuschreiben. Die Gefangenen dürfen über ihr Eigengeld verfügen.

§ 41 Einbehaltung von Beitragsteilen

Soweit Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung sowie zur Bundesagentur für Arbeit zu entrichten sind, kann von dem Arbeitsentgelt, der Ausbildungsbeihilfe oder der Ausfallentschädigung ein Betrag einbehalten werden, der dem Anteil der Gefangenen am Beitrag entsprechen würde, wenn sie diese Bezüge als Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer erhielten.

Organisation des Anstaltslebens, Mitwirkung der Gefangenen; Religionsausübung § 42 Verpflegung und Einkauf:

(1) Zusammensetzung und Nährwert der Anstaltsverpflegung werden ärztlich überwacht und entsprechen den besonderen Anforderungen an eine gesunde Ernährung junger Menschen. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Den Gefangenen ist zu ermöglichen, Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen.

(2) Die Anstalt hat ein Angebot an Nahrungs- und Genussmitteln sowie Mitteln zur Körperpflege bereitzustellen, welches an den Wünschen und Bedürfnissen der Gefangenen ausgerichtet ist. Für den Einkauf solcher Mittel hat die Anstaltsleitung ein ausgewogenes System der Belohnung und Anerkennung bei positiven Ausbildungsund Arbeitsleistungen einzuführen. Ergänzend besteht für die Gefangenen auch die Möglichkeit, solche Mittel zu kaufen.

(3) Gegenstände, die die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden, können vom Einkauf ausgeschlossen werden. Auf ärztliche Anordnung kann den Gefangenen der Einkauf einzelner Nahrungs- und Genussmittel ganz oder teilweise untersagt werden, wenn zu befürchten ist, dass sie ihre Gesundheit ernsthaft gefährden. In Krankenhäusern und Krankenabteilungen kann der Einkauf einzelner Nahrungs- und Genussmittel auf ärztliche Anordnung allgemein untersagt oder eingeschränkt werden.

§ 43 Religionsausübung:

(1) Die Gefangenen haben auf ihren Wunsch Anspruch auf religiöse und seelsorgerliche Begleitung. Ihnen ist zu helfen, mit einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten. Die Gefangenen dürfen grundlegende religiöse Schriften besitzen. Den Gefangenen sind Gegenstände des religiösen Gebrauchs in angemessenem Umfang zu belassen.

(2) Die Gefangenen haben das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses teilzunehmen. Zu dem Gottesdienst oder religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft werden die Gefangenen zugelassen, wenn deren Seelsorgerinnen oder Seelsorger zustimmen.

Die Gefangenen können von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder einer nicht unerheblichen Störung der Ordnung geboten ist; die Seelsorger sind vorher zu hören.

(3) Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die Absätze 1 und 2 dieser Vorschrift entsprechend.

§ 44 Gestaltung der freien Zeit:

(1) Die Gefangenen sind zur Teilnahme und Mitwirkung an Angeboten der Freizeitgestaltung zu motivieren und anzuleiten. Sie sollen insbesondere an Freizeitgruppen und Gruppengesprächen teilnehmen, Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung haben und ermutigt werden, den verantwortungsvollen Umgang mit Neuen Medien zu erlernen und auszuüben sowie eine Bücherei zu benutzen. Weiterhin sollen sie die Möglichkeit haben, am Unterricht, am Fernunterricht, an Lehrgängen und sonstigen Veranstaltungen der Weiterbildung teilzunehmen.

(2) Die Gefangenen dürfen Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt beziehen. Ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist.

(3) Die Gefangenen können am Hörfunkprogramm der Anstalt sowie am gemeinschaftlichen Fernsehen und Computernutzung teilnehmen. Die Sendungen sind so auszuwählen, dass Wünsche und Bedürfnisse nach staatsbürgerschaftlicher Information, Bildung und Unterhaltung angemessen berücksichtigt werden. Eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte sowie Computer sind zulässig. Manipulationen daran sind verboten.

(4) Die Gefangenen sind berechtigt, in angemessenem Umfang Bücher und andere Gegenstände zu besitzen, wenn ihr Besitz, die Überlassung oder die Benutzung nicht mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist.

§ 45 Mitverantwortung der Gefangenen:

(1) Die Gefangenen sollen angeregt und unterstützt werden, Angelegenheiten, die von gemeinsamem Interesse sind und die sich nach ihrer Art für eine Mitwirkung eignen, insbesondere im Bereich der Wohngruppen, in differenzierten und gestuften Formen der Mitwirkung und Selbstverwaltung zu betreuen. Eine weitgehende Übernahme der Mitverantwortung für die alltäglichen Abläufe wird angestrebt.

(2) Die Einrichtung von Gremien der Selbstverwaltung und aktiven Mitwirkung wird von den Jugendstrafanstalten gefördert und begleitet. Die Gefangenen werden zur Mitarbeit ermutigt.

Gesundheit der Gefangenen; Schwangerschaft und Mutterschaft § 46 Gesundheitsfürsorge:

(1) Für das körperliche, seelische, geistige und soziale Wohlergehen der Gefangenen ist zu sorgen. Die Gefangenen haben Anspruch auf die notwendigen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene; sie sollen diese Maßnahmen unterstützen.

(2) Den Gefangenen wird an Werktagen ein Aufenthalt im Freien von mindestens einer Stunde, an arbeitsfreien Tagen von mindestens zwei Stunden ermöglicht.