Nach Nummer 11 sollen Maßnahmen zum Ausgleich der Tatfolgen in den Förderplan aufgenommen werden

Unterstützungsmöglichkeiten bereits im Förderplan vorzusehen.

In die Förderplanung aufgenommen werden sollen auch die unter Nummer 10 genannten Fähigkeiten und Möglichkeiten der Jugendgefangenen, an der Alltagsgestaltung teilzunehmen und sich an der Selbstverwaltung in der Jugendstrafanstalt zu beteiligen. Hier können konkrete Pflichten oder Ziele festgelegt werden, die sich im Einzelfall aus der Organisation und der Alltagsgestaltung in der jeweiligen Jugendstrafanstalt ergeben.

Nach Nummer 11 sollen Maßnahmen zum Ausgleich der Tatfolgen in den Förderplan aufgenommen werden. Die Regelung stellt vornehmlich sicher, dass eine materielle Schadenswiedergutmachung im Rahmen des Möglichen bei der Vollzugsgestaltung berücksichtigt wird. Darüber hinaus kommen weitergehende Ausgleichsbemühungen der Jugendgefangenen beispielsweise im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleiches in Betracht.

Nummer 12 sieht vor, dass sich der Förderplan zu Möglichkeiten von Maßnahmen der Schuldenregulierung zur Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Gefangenen äußert. Es soll vermieden werden, dass die Jugendgefangenen nach der Entlassung mit Schulden und wirtschaftlichen Zwangslagen belastet sind.

Die Entlassungsvorbereitung ist vom Tag der Aufnahme in die Jugendstrafanstalten an Bestandteil der Förderplanung. Alle hierauf gerichteten Maßnahmen sind gemäß Nummer 13 im Förderplan aufzuführen. Insbesondere die in § 7 vorgesehene Einbeziehung Dritter hat ­ auch ­ unter dem Gesichtspunkt der Entlassung bzw. Nachsorge zu erfolgen (vgl. § 18 Absatz 1 Satz 1). Soweit schulische und berufliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen beabsichtigt sind, ist bereits bei deren Beginn die Fortsetzung in Freiheit einzuplanen, falls eine Beendigung während der Vollzugszeit nicht in Betracht kommt. Nach Nummer 14 ist im Förderplan auch die Person zu benennen, die dafür verantwortlich ist, die Entlassungsplanung zu koordinieren. Diese Person soll den Jugendgefangenen schon zu Beginn des Vollzuges bekannt sein. Ziel dieser Zuordnung ist zum einen, dass die Jugendgefangenen eine oder einen bestimmten Ansprech- und Gesprächspartnerin oder -partner haben, an die oder den sie sich ohne lange Anmeldungs- und Terminformalitäten mit ihren Sorgen und Nöten wenden können. Zum anderen ist unter pädagogischen Gesichtspunkten die Möglichkeit des Kontaktes zu einer bestimmten und nicht fortlaufend wechselnden Person geeignet, ein Vertrauens- und besonderes Betreuungsverhältnis entstehen zu lassen, das die Möglichkeiten einer positiven Einwirkung auf die Jugendgefangenen im Sinne des Erziehungsziels wesentlich verbessern kann.

Nummer 15 sieht Ausgleichsmaßnahmen vor, falls die in den zuvor genannten Ziffern aufgeführten Maßnahmen nicht oder nur unzureichend angeboten werden.

Insbesondere in den zentralen Bereichen der schulischen und beruflichen Fördermaßnahmen sind die Jugendstrafanstalten aufgerufen, nach geeigneten Alternativ- bzw. Ersatzangeboten zu suchen.

In jedem Förderplan sollen zudem mit den Jugendgefangenen konkrete Fristen vereinbart werden, innerhalb derer der Förderplan überprüft und fortgeschrieben wird (Nummer 16). Die in Absatz 2 genannten Fristen stellen eine Mindestbedingung dar.

Insbesondere bei kurzen Haftzeiten kann es sinnvoll sein, die Frist von drei Monaten zu unterschreiten.

Nach Absatz 4 werden auch die Personensorgeberechtigten in die Förderplanung einbezogen, indem ihnen Gelegenheit gegeben wird, eigene Anregungen und Vorschläge zu machen. Hierdurch wird nicht nur sichergestellt, dass der Vollzug diese besonders wichtige Erkenntnisquelle zur Entwicklung der Gefangenen ausschöpft, sondern auch, dass die vor und nach dem Vollzug für die jungen Menschen verantwortlichen Personen über den Vollzug ausreichend informiert werden und das Recht zur Entscheidung über deren Angelegenheiten während des Vollzuges soweit wie möglich aufrecht erhalten bleibt. Das Elternrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 GG begrenzt die Möglichkeit zur Verpflichtung minderjähriger Gefangener, etwa im Bereich der schulischen und beruflichen Aus- und Weiterbildung oder der Arbeit. Das Wächteramt des Staates nach Artikel 6 Absatz 2 Satz 2 GG rechtfertigt es nicht, gegen den Willen der Eltern für eine den Fähigkeiten des Kindes entsprechende bestmögliche Förderung zu sorgen. Das Grundgesetz hat die Entscheidung über den weiteren Bildungsweg des Kindes nach Abschluss der Grundschule zunächst den Eltern als den natürlichen Sachwaltern für die Erziehung des Kindes überlassen. Die primäre Entscheidungszuständigkeit der Eltern beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes in aller Regel am besten von den Eltern wahrgenommen werden.

Diese Verfahrensweise bietet zwei Vorteile: Zum einen erhalten die Personensorgeberechtigten die Chance zur aktiven Mitgestaltung von Anbeginn des Vollzuges an, zum anderen kann der Vollzug die Personensorgeberechtigten in die Bemühungen zur Erreichung des Erziehungszieles ais Partner einbeziehen, die nach der Entlassung in diesem Sinne weiterwirken können. Das kann allerdings nur insoweit gelten, als sich die Vorstellungen der Personensorgeberechtigten in einem realistischen Rahmen bewegen und sich mit den vollzuglichen Möglichkeiten und Notwendigkeiten decken. Zudem müssen das Kindeswohl und die wachsende Selbstständigkeit der Jugendgefangenen berücksichtigt werden.

Gemäß Absatz 5 werden der Förderplan und seine Fortschreibungen der Vollstreckungsleitung bekannt gegeben, damit diese sie zur Grundlage für ihre Entscheidungen nehmen kann. Auch gegenüber den Personensorgeberechtigten ist eine Bekanntgabe vorgesehen.

Zu § 11 (Verlegung und Überstellung)

Die Vorschrift enthält die allgemeine Grundlage für Verlegungen und Überstellungen im Verlauf des Vollzuges. Ihr gehen § 56 (Verlegung) und § 63 (sichere Unterbringung) als speziellere Vorschriften vor.

Absatz 1 kennt zwei Formen der Verlegung oder Überstellung: Nur mit ihrer Zustimmung können Jugendgefangene abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere Anstalt verlegt oder überstellt werden, wenn dies dem Erziehungsziel oder der Eingliederung nach der Entlassung dient. Darunter fallen etwa Fälle, in denen die andere Anstalt näher am Wohnort wichtiger Angehöriger liegt oder eine spezielle Ausbildung ermöglicht (Satz 1). Eine Verlegung oder Überstellung aus pädagogischen Gründen ohne Zustimmung der Betroffenen verstößt gegen das Prinzip der Freiwilligkeit. Es kann für die Verlegte oder den Verlegten zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen führen, weil soziale Beziehungen in der ursprünglichen Jugendstrafanstalt abgebrochen werden und in der neuen Anstalt wieder aufgebaut werden müssen (vgl. BVerfG Beschl. v. 27. Juni 2006 ­ 2 BvR 1295/05, Juris).

Ohne ihre Zustimmung können Jugendgefangene daher nach Satz 2 nur dann verlegt oder überstellt werden, wenn erhebliche Störungen der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt nicht anders abgewendet werden können oder wenn andere zwingende Gründe es verlangen. Die Gründe für die Verlegung oder Überstellung müssen von Gewicht sein. Eine willkürliche Verlegung oder Überstellung unbequemer Jugendgefangener ist unzulässig, weil sie in den meisten Fällen durch die Herauslösung aus den Zusammenhängen der Jugendstrafanstalt und ihren sozialen Beziehungen die Förderung beeinträchtigt. Die Verlegung oder Überstellung aus zwingenden Gründen erfordert zudem weitere Verfahrensschritte: Die Gründe sind den Jugendgefangenen zu erläutern und zu begründen. Die Verlegung oder Überstellung muss den Jugendgefangenen rechtzeitig mitgeteilt werden, damit sie sich auf die Veränderung einstellen können.

Absatz 2 regelt, welche Personen und Stellen von einer Verlegung oder Überstellung informiert werden müssen. Die Unterrichtung hat unverzüglich zu erfolgen.

Zu § 12 (Sozialtherapie)

Die Sozialtherapie gehört im Erwachsenenvollzug für bestimmte Gefangenengruppen zum gesetzlich vorgeschriebenen Behandlungsstandard (Paragrafen 9, 123 StVollzG). Sie wird mit dieser Vorschrift auch für den Jugendstrafvollzug verbindlich eingeführt.

Damit wird die Forderung des Bundesverfassungsgerichts aus seiner Entscheidung vom 31. Mai 2006 umgesetzt, wonach der Staat den Vollzug so ausgestalten muss, dass pädagogische und therapeutische Angebote in dem Maße vorhanden sind, wie es zum Erreichen des Vollzugsziels erforderlich ist.

Anders als im Erwachsenenvollzug wird die Sozialtherapie im Jugendstrafvollzug nicht nur für Sexualstraftäterinnen und -täter vorgesehen. Für die sozialtherapeutische Behandlung kommen auch Jugendgefangene in Frage, die andere schwere Taten mit erheblichen Folgen für ihre Opfer begangen haben. Die Sozialtherapie ermöglicht so eine intensive und fokussierte Auseinandersetzung auch mit schweren Gewalttaten und mit Täterinnen und Tätern mit hohem Aggressionspotenzial. Allerdings bedeutet diese Vorschrift nicht, dass die Auseinandersetzung mit Gewaltdelikten künftig nur noch in sozialtherapeutischen Einrichtungen oder Abteilungen stattfinden sollte. Die meisten jugendlichen Gefangenen haben Erfahrungen mit Gewalt ­ sei es als Täter, als Opfer oder in beiden Rollen. Die Auseinandersetzung mit Gewalt, Aggression und friedlichen Konfliktlösungsstrategien muss deswegen ein integraler Bestandteil des gesamten Jugendstrafvollzuges bleiben. Um den Handlungsspielraum der Anstalten nicht unnötig einzuschränken, sieht Absatz 2 eine Ausnahme für Fälle vor, in denen die Voraussetzungen des Absatz 1 nicht vorliegen, eine Verlegung aber aus erzieherischen Gründen sinnvoll erscheint. Die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt oder Abteilung ist in jedem Fall von der Zustimmung des Jugendgefangenen abhängig (Absatz 1 und 2). Freiwilligkeit ist die unverzichtbare Voraussetzung für jede Form der Therapie und ist daher auch für die Verlegung in die Sozialtherapie zu fordern. Die Bereitschaft zu einer solchen Behandlung kann ermutigt, aber nicht erzwungen werden. Jugendgefangene, die der Verlegung zunächst nicht zugestimmt haben, erhalten die Gelegenheit, diese Entscheidung zu überdenken und können nach sechs Monaten einen entsprechenden Antrag auf Verlegung stellen (Absatz 3). Absatz 4 ermöglicht es, die Jugendgefangenen aus der sozialtherapeutischen Einrichtung oder Abteilung zurückzuverlegen, wenn der Zweck der Behandlung nicht erreicht werden kann. Erforderlich sind Gründe, die in der Person des Jugendgefangenen liegen. Ein solcher Grund liegt beispielsweise vor, wenn die oder der Jugendgefangene über längere Zeit therapeutisch nicht erreichbar ist oder wenn sie oder er die Ordnung und Sicherheit in der sozialtherapeutischen Einrichtung oder Abteilung nachhaltig stört und nicht zu erwarten ist, dass sich dies ändert.

Absatz 5 regelt, dass ein Gremium aus anstaltsin- und externen Fachleuten die Entscheidungen über die Sozialtherapie nach den Absätzen 1 bis 4 trifft. Der besonderen Situation weiblicher Gefangener wegen ist die Entscheidung, in welche Einrichtung eine weibliche Gefangene kommen soll, besonders ausgestaltet.

Absatz 6 betrifft die organisatorischen Voraussetzungen für sozialtherapeutische Einrichtungen und Abteilungen im Jugendstrafvollzug. Die Vorschrift erlaubt die bundesländerübergreifende Einrichtung und Nutzung sozialtherapeutischer Angebote.

Eine bedarfsgerechte Planung dieser Einrichtungen und Abteilungen lässt sich auf diese Weise unter Umständen sinnvoller realisieren. Gerade für weibliche Jugendgefangene kann angesichts ihrer geringen Anzahl vermutlich nicht in jedem Bundesland ein eigenes sozialtherapeutisches Angebot eingerichtet werden. Allerdings ist dafür zu sorgen, dass auch bei der Unterbringung in einem anderen Bundesland das Prinzip der Wohnortnähe gewahrt bleibt, um die Kontinuität der sozialen Beziehungen außerhalb des Vollzuges nicht zu gefährden.

Absatz 7 implementiert § 126 StVollzG in den Jugendstrafvollzug. Ziel der nachgehenden Betreuung ist es, eine Betreuungskontinuität zu erreichen, die das Vollzugsziel fördert. Erfahrungen in Hamburg zeigen, dass ehemalige Gefangene noch lange nach Verbüßung ihrer Haftzeit den Kontakt zu ihren Betreuern aus der Haft suchen. Diese Möglichkeit der nachgehenden Betreuung ist personalintensiv. Die Mittel dafür müssen bereitgestellt werden.

Zu § 13 (Offener und geschlossener Vollzug) Absatz 1 stellt klar, dass der Vollzug der Jugendstrafe grundsätzlich in offenen Formen stattzufinden hat. Offene Vollzugsformen sind dabei entsprechend § 141 StVollzG solche, in denen keine oder verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen vorgesehen sind. Der geschlossene Vollzug beschreibt demgegenüber eine gegen Entweichen gesicherte Unterbringung.

Absatz 2 legt Voraussetzungen fest, unter denen die Unterbringung im geschlossenen Vollzug ausnahmsweise zulässig ist.