Ausbildung

Zum Gesamtverlauf 2002 bis 2009 siehe auch Grafik 9 unter Ziffer 8.

Allgemeine Vollzeitpflege

Die allgemeine Vollzeitpflege wird von persönlich qualifizierten Einzelpersonen, Paaren oder Lebensgemeinschaften, Laienkräften, durchgeführt. Sie erstreckt sich auf die Versorgung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen, die in ihrer Entwicklung bzw. aufgrund ihrer Behinderung in einem von Laienkräften zu bewältigenden Umfang beeinträchtigt sind. Insbesondere geeignet ist die Pflegeform, wenn ein Kind in der Herkunftsfamilie nicht mehr versorgt werden kann. Sie bietet dem Kind bzw. dem Jugendlichen einen längerfristigen Aufenthalt im familiären Rahmen. Es handelt sich in der Regel um eine auf längere Dauer oder auf dauerhaften Verbleib angelegte Lebensform für das Kind4), soweit sich im Rahmen der Kindeswohlsicherung keine grundlegenden Änderungen der Situation in der Herkunftsfamilie bzw. durch familiengerichtliche Entscheidungen ergeben. In dieser Pflegeform ist die zu leistende Aufgabe der Erziehung und Betreuung in einem die Dynamik einer Normalfamilie nicht sprengenden Setting möglich.

Heilpädagogische Vollzeitpflege

Die heilpädagogische Vollzeitpflege wird von persönlich qualifizierten und fachlich ausgewiesenen Einzelpersonen, Paaren oder Lebensgemeinschaften durchgeführt.

Sie erstreckt sich auf die Versorgung, Erziehung und Förderung von besonders entwicklungsbeeinträchtigten bzw. stark verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen. Der erzieherische Bedarf resultiert ­ vor dem Hintergrund unterschiedlicher Konstellationen in der Herkunftsfamilie ­ aus Entwicklungsbeeinträchtigungen des Kindes oder der/des Jugendlichen, deren Bearbeitung eines fachlichen Anspruchs bedarf bzw. die Dynamik einer Normalfamilie überfordert. Darüber hinaus sind mit diesem Leistungstyp Kinder und Jugendliche zu versorgen, die wegen einer angeborenen oder einer chronischen Erkrankung oder einer Behinderungsform einer besonderen pflegerischen und erzieherischen Zuwendung bedürfen. Es handelt sich in der Regel um eine auf längere Dauer oder auf dauerhaften Verbleib angelegte Lebensform für das Kind5), soweit sich im Rahmen der Kindeswohlsicherung keine Entscheidungen ergeben.

Sonderpädagogische Vollzeitpflege

Die Sonderpädagogische Vollzeitpflege wird von pädagogisch-psychologisch und/oder medizinisch-pflegerisch qualifizierten Einzelpersonen, Paaren oder Lebensgemeinschaften durchgeführt. Sie bietet dem Kind bzw. dem Jugendlichen einen längerfristigen Aufenthalt im familiären Rahmen. Der erzieherische bzw. behindertenspezifische Bedarf basiert in dieser Pflegeform auf Beeinträchtigungen des Kindes, die auch mit besonderen und gezielten sozialpädagogischen Zuwendungen nicht vollends behebbar sind, weil sie zu einer grundlegenden Persönlichkeitsstörung geführt haben oder weil es sich um eine schwere Behinderung oder Erkrankung handelt.

Vollzeitpflege für ältere Kinder und Jugendliche

Diese Form der Vollzeitpflege ist ein Leistungsangebot für ältere Kinder und Jugendliche ab 13 Jahren, bei denen die Ressourcen für eine Unterbringung in einer Familie vorhanden sind, die Voraussetzungen für die Aufnahme in einer sonderpädagogischen bzw. befristeten Vollzeitpflege aber nicht vorliegen, und die den Anforderungen eines selbstständigen Lebens in entscheidendem Umfang noch nicht gewachsen sind.

Dieses gilt insbesondere für junge Menschen, deren Lebenssituation von vielschichtigen krisenhaften Problemlagen bestimmt ist, wie

· Ausgrenzung aus dem sozialen Kontext,

· Folgen fehlender Grenzsetzungen ­ ungesteuertes Verhalten ­,

· Folgewirkungen der Suchtproblematik oder psychischer Erkrankung der Eltern/eines Elternteils, Dem Kind sind seine Bindungen oder bindungsartigen Beziehungen zur Herkunftsfamilie zu erhalten und Loyalitätskonflikte des Kindes gegenüber einander ablehnenden Eltern und Pflegeeltern zu vermeiden (Ergänzungsmodell). Dem Kind, der bzw. dem Jugendlichen sind seine Bindungen oder bindungsartigen Beziehungen zur Herkunftsfamilie zu erhalten und Loyalitätskonflikte des Kindes gegenüber einander ablehnenden Eltern und Pflegeeltern zu vermeiden (Ergänzungsmodell).

· Gefährdungsmomente in der Person des älteren Kindes/Jugendlichen.

Der Zugang in die Maßnahme ist sowohl aus dem Elternhaus bzw. im Anschluss an eine stationäre Maßnahme ­ im Sinne eines Stufenplanes zur Verselbstständigung ­ möglich. Die Unterbringung kann milieunah, im sozialen Netz oder im Rahmen anderweitiger Fremdpflege erfolgen.

Befristete Vollzeitpflege mit Rückkehroption

Die zeitlich befristete Vollzeitpflege ist eine Pflegeform mit dem Ziel der Rückführung von Kindern in ihre Herkunftsfamilie in einem in der Regel auf die Dauer von bis zu zwei Jahren befristeten Zeitraum. Die Besonderheit gegenüber anderen Pflegeformen ist die gleichzeitige Betreuung der Herkunftsfamilie durch eine vom Casemanager beauftragte Person sowie des Kindes durch eine vom Pflegekinderdienst begleitete Pflegefamilie; qualifizierte Einzelpersonen, Paare oder Lebensgemeinschaften. Koordinierende Funktionen und die Fallverantwortung liegen beim Casemanager.

Der erzieherische Bedarf erstreckt sich auf die Überwindung der die Herkunftsfamilie überfordernden Entwicklungsbeeinträchtigung des Kindes durch die Betreuung des Kindes in der Pflegefamilie sowie die Unterstützung der Herkunftsfamilie zur Wiedererlangung ihrer erzieherischen Kompetenz und auf die Überwindung jener Faktoren, die zu der erzieherischen Überforderung geführt haben.

Voraussetzungen der Hilfegewährung für diese Pflegeform ist die fachliche Einschätzung, dass die Rückführung mit Blick auf die Herkunftsfamilie und das Kind in einem befristeten Zeitraum möglich ist und die Herkunftsfamilie zur Mitarbeit und zur Annahme der in der Hilfeplanung festgestellten Unterstützung bereit ist. Dies ist in der Hilfeplanung festzustellen.

Kurzzeitpflege Kurzzeitpflege ist eine in der Regel auf bis zu drei Monate befristete Hilfeform außerhalb der eigenen Familie, die vorrangig bei Ausfall der Eltern bzw. des Elternteils aus gesundheitlichen und/oder anderen zwingenden Gründen zur Sicherstellung der Versorgung des Kindes einzusetzen ist.

Andere zwingende Gründe sind insbesondere Kur, Inhaftierung, Entbindung, Tod sowie berufliche und ausbildungsbedingte Abwesenheiten bei Alleinerziehenden.

Kurzzeitpflege im Rahmen des § 20 Abs. 2 SGB VIII ist nur dann einzusetzen, wenn die vorrangig anzustrebende Versorgung des Kindes im elterlichen Haushalt nicht möglich ist, weil eine geeignete Pflegeperson zur Versorgung des Kindes über Tag und Nacht nicht zur Verfügung steht.

Patenschaft für Kinder psychisch kranker Eltern

Bei der Patenschaft für Kinder psychisch kranker Eltern handelt es sich um ein professionell begleitetes niedrigschwelliges Angebot für Kinder, die bei psychisch kranken Müttern/Vätern/Eltern aufwachsen und zum Erhalt ihres Lebensortes und zur Vermeidung einer längerfristigen Fremdplatzierung einer besonderen Unterstützung bedürfen. Patenschaften sind verwandtschaftlichen Unterstützungsnetzen für Kinder und ihre Angehörigen in Not- und Krisenzeiten nachgebildet und beruhen somit auf der Idee einer solidarischen Unterstützung im Rahmen eines bürgerschaftlichen Engagements. Die Hilfe ist darauf konzentriert, Kinder und ihre Eltern/Mütter/Väter zu entlasten, Versorgungs- und Erziehungsmängel zu kompensieren, Kindern und Angehörigen im Rahmen der Kindeswohlsicherung in Krisen beizustehen und den Kindern in Zeiten stationärer Aufenthalte des/der betroffenen Angehörigen eine verlässliche, vertraute Versorgung zu bieten. Diese Aufgabe übernehmen Patenfamilien im Rahmen eines auf den Bedarf im Einzelfall zugeschnittenen und in einem Kontrakt festgelegten Settings. Das Vertragssystem zwischen den Familien und den institutionell Beteiligten, einschließlich der therapeutischen Bezugsperson der erkrankten Eltern, stellt Transparenz, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit der Absprachen sicher und bildet so eine wesentliche Grundlage für das Gelingen einer Kooperation in einem differenzierten Beziehungsgeflecht. Die Patenschaft ist je nach Einzelfall eine befristete oder auf Dauer angelegte Maßnahme. Einleitung, Steuerung und regelmäßige Überprüfung der Leistungsgewährung erfolgen im Rahmen der Hilfeplanung durch das Casemanagement. Therapeutische Leistungen für die Angehöri Ein spezifisches Leistungsangebot zur Unterstützung der Herkunftsfamilie befindet sich in der Entwicklung. gen, Mütter/Väter/Eltern, zur Bearbeitung ihrer psychischen Erkrankung sind nicht Inhalt des Leistungstyps. Allerdings ist Zugangsvoraussetzung für die Einrichtung einer Patenschaft, dass sich der betroffene Elternteil, Mutter/Vater, in einer therapeutischen Begleitung befindet. Eine verbindliche Kooperation zwischen den Institutionen/Einrichtungen ist sicherzustellen.

8. Heimerziehung/betreute Wohnformen

Aufgrund der erheblichen Kindeswohlgefährdungen waren ambulante oder teilstationäre Hilfen in einer zunehmenden Zahl von Fällen nicht oder nicht mehr ausreichend, sodass eine außerfamiliäre Unterbringung in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe unvermeidbar war. Hierbei handelte es in der Regel um Minderjährige mit erheblichen Verhaltensauffälligkeiten und/oder psychischen Belastungen. Eine Förderung dieser Kinder und Jugendlichen lässt sich daher nur in einem professionellen Rahmen darstellen.

Die nachfolgende Grafik 9 zeigt den Langzeitverlauf der fremdplatzierenden Hilfen in den Jahren 2002 bis 2009. Die unterschiedlichen Entwicklungen in den Systemen Heimerziehung und Familienpflege sind auch begründet durch den zunehmenden Aufnahmedruck von älteren Kindern und Jugendlichen in das System der Heimerziehung.

V. Prävention

Das Präventionskonzept des Senats im Rahmen des Handlungskonzepts umfasst aufeinander aufbauende bzw. sich im Sinne einer gezielten Förderkette strukturell ergänzende Maßnahmen im Bereich Gesundheit, offen zugängliche sowie zielgruppengebundene Angebote der Eltern- und Familienbildung, präventive erzieherische Hilfen und ein zurzeit noch modellhaftes Primärpräventionsprojekt zur Unterstützung von Kindern und Familien.

1. Bewusste Elternschaft durch gesundheitsbezogene Angebote zur Familienplanung und Schwangerenkonfliktberatung

Die zur Beratung von Frauen, Männern und Paaren vorgehaltenen gesundheitlichen Beratungsangebote zur Familienplanung und zur Schwangerenkonfliktberatung von Pro Familia und weiterer Angebotsträger bilden ein seit langem etabliertes und in der Gesamtbevölkerung gut akzeptiertes Angebot auch der psychosozialen Versorgung und tragen zu bewusster und damit auch gelingender Elternschaft bei.

Die im Kontext der Bund-Länder-Diskussion über den notwendigen prospektiven Ausbau früher Hilfen von den Schwangerenberatungsstellen auf Bundesebene ergriffene Initiative in Richtung einer verstärkten Funktionszuweisung auch im direkten Kontext Kinderschutz ist zurzeit noch nicht abgeschlossen, wird aus Sicht der befragten Länder bisher aber eher zurückhaltend bewertet. Die Mitarbeiter/-innen der genannten Stellen werden jedoch als wichtige Fachexperten/-innen eines Gesamtnetzwerkes und als Multiplikatoren gesehen. Für das Land Bremen hat sich das zuständige Fachressort gegenüber dem Bundesministerium zunächst für eine wissenschaftliche Auswertung ausgesprochen. Ein aktueller Handlungsbedarf für die Stadt Bremen wird in diesem Zusammenhang zurzeit nicht gesehen.