Dienstanweisungen an die Polizei im Zusammenhang mit der Geschlossenen Unterbringung Feuerbergstraße

In der Sitzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Geschlossenen Unterbringung Feuerbergstraße am 15. Juni 2007 berichtete ein Polizeibeamter des Polizeikommissariats 36 im Zuge seiner Befragung, dass es eine interne Dienstanweisung gebe, die dazu auffordert, jedes an die Polizei gemeldete Ereignis aus der GUF als sogenanntes „Wichtiges Ereignis" (WE), schriftlich zu dokumentieren. Dazu zählten und zählen unter Anderem auch heute noch Entweichungen sowie Polizeieinsätze in der Einrichtung. Diese Regelung ist nach Auskunft des Zeugen im Ausschuss, eine Besonderheit, die nur für die GUF gelte. Er führte dazu aus, dass es für den Kinder- und Jugendnotdienst, der bei Fernbleiben von Jugendlichen ebenfalls Vermisstenmeldungen bei der Polizei macht, eine solche Vorschrift nicht gibt.

Der Polizeibeamte führte die Dienstanweisung zum Verfassen „Wichtiger Ereignisse" (WE) auf die „politische Brisanz" der GUF zurück und äußerte, dass die Anweisung von übergeordneter Stelle beziehungsweise der Polizeiführung gekommen wäre. Ziel sei es, die Polizeileitung zu informieren. Die geschriebenen „Wichtigen Ereignisse" seien zur Kenntnis ebenfalls an die damalige BSF und die GUF weitergeleitet worden.

Ich frage den Senat:

1. Gibt es eine Dienstanweisung, die das Verfassen von sogenannten Wichtigen Ereignissen (WE) bei Einsätzen in der Geschlossenen Unterbringung Feuerbergstraße oder im Fall von Entweichungen aus dem geschlossenen Heim, fordert?

Wenn ja, wer hat die Dienstanweisung erteilt?

Wenn ja, aus welchem Grund wurden die Dienstanweisung erteilt?

Wenn ja, wann trat die Dienstanweisung in Kraft?

Wenn ja, welchen Inhalt hat diese Dienstanweisung?

Wenn ja, wurde die Dienstanweisung auf Anweisung des Präses der Innenbehörde erteilt beziehungsweise hatte dieser Kenntnis von der Dienstanweisung?

Wenn ja, hatten die damalige BSF, der Präses der BSF und der damalige Staatsrat Meister Kenntnis von der Dienstanweisung und/oder haben sie diese mit veranlasst?

Das Erstellen von Meldungen „Wichtiger Ereignisse" (WE-Meldung) ist in der Polizeidienstvorschrift (PDV) 350 Hamburg festgelegt. „Wichtige Ereignisse" sind Vorkommnisse, die sich von den alltäglichen Geschehnissen abheben und als Lageinformationen für die Polizei von besonderem Interesse sind, weil sie unter anderem über den Rahmen der normalen polizeilichen Tätigkeit hinaus gehen, das besondere Interesse der Öffentlichkeit wecken oder Aufsehen oder Unruhe in der Bevölkerung hervorrufen können und/oder einen politischen Hintergrund haben.

Die Inbetriebnahme der Geschlossenen Unterbringung Feuerbergstraße (GUF) am 18. Dezember 2002 führte dazu, dass die damalige Leitung der Polizeidirektion (PD) Ost sowie die Leitung des Polizeikommissariats (PK) 36 aufgrund der breiten Medienöffentlichkeit die Erwartung hatten, dass Vorkommnisse im Zusammenhang mit der GUF die Voraussetzungen zum Verfassen von WE-Meldungen erfüllen und so zu klassifizieren seien. Damit war nach der PDV 350 zu verfahren. Diese Erwartung wurde den Dienstgruppenleitern und Wachhabenden des PK 36 mündlich mitgeteilt.

Am 10. Juni 2004 wurde darüber hinaus durch den Leiter der Abteilung Zentrale Aufgaben des PK 36 eine schriftliche Handlungsanweisung erlassen, die neben Regelungen zu Verfahrensabläufen und Vorschriften zur Einsatzabwicklung auch die Anordnung enthält, bei allen polizeilichen Einsatzanlässen in der GUF eine WE-Meldung zu fertigen.

Weder Dienststellen der damaligen Behörde für Soziales und Familie (BSF) noch ihr Präses oder Staatsrat haben eine Dienstanweisung „Wichtige Ereignisse" oder andere Anweisungen, die den Polizeibetrieb betreffen, veranlasst, noch wurden diese der Behörde zur Kenntnis gegeben.

Wenn ja, galt beziehungsweise gilt die Dienstanweisung für alle Hamburger Polizeikommissariate?

Die allgemeine Regelung der PDV 350 Hamburg gilt für alle Polizeidienststellen. Die konkrete Anweisung für WE-Meldungen mit Bezug zur GUF gilt nur für das Polizeikommissariat 36.

Wenn keine solche Dienstanweisung existiert, gab es andere Anweisungen/Verfügungen unterhalb einer Dienstanweisung, denen zufolge Ereignisse, die die GUF betreffen, als „Wichtige Ereignisse" zu dokumentieren sind?

Wenn ja, wer hat dies verfügt?

Wenn ja, aus welchem Grund wurde dies verfügt?

Wenn ja, ab wann galt eine solche Anweisung?

Wenn ja, welchen Inhalt hatte die Anweisung/Verfügung?

Wenn ja, erfolgte dies auf Anweisung des Präses der Innenbehörde beziehungsweise hatte dieser Kenntnis davon?

Wenn ja, hatten die damalige BSF, der Präses der BSF und der damalige Staatsrat Meister Kenntnis von einer solchen Anweisung und/oder haben sie diese mit veranlasst?

Wenn ja, galt bzw. gilt diese Anweisung für alle Hamburger Polizeikommissariate?

Entfällt.

2. Wer hat die sogenannten „Wichtigen Ereignisse" laut Verteiler zur Kenntnis erhalten?

An wen

- in der damaligen BSF;

- in der heutigen BSG;

- in der Innenbehörde;

- in der Polizei;

- in der GUF;

- im LEB;

- in der Senatskanzlei wurden beziehungsweise werden sie regelhaft verteilt?

Der Verteiler einer WE-Meldung wird bezogen auf den Einzelfall durch die meldende Polizeidienststelle festgelegt. Im Regelfall wird die WE-Meldung an die Polizeidienststellen Führungs- und Lagedienst, Polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit, Landeskriminalamt und die Zentraldirektion gesteuert. Der Führungs- und Lagedienst entscheidet über die Aufnahme einer WE-Meldung in den Täglichen Lagebericht (TLB).

Der TLB wird an das Amt A und die Leitung der Behörde für Inneres sowie innerhalb der Polizei unter anderem an die Polizeiführung weitergeleitet und zur Kenntnisnahme angeboten.

Außerdem wird der TLB der Staatsanwaltschaft Hamburg und der Bundespolizei zur Kenntnis übersandt.

Inwiefern WE-Meldungen mit Bezug zur GUF in den Täglichen Lagebericht aufgenommen wurden, wird nicht erhoben und ist retrograd nicht mehr zu ermitteln.

An andere Behörden außerhalb der Polizei werden WE-Meldungen nicht verteilt.

3. Wie viele sogenannte Wichtige Ereignisse wurden seit Einrichtung der GUF bis zum 13.4.2005 dokumentiert?

Entsprechend der Dienstanweisung des PK 36 wurden 61 WE-Meldungen im Zusammenhang mit Anlässen in der GUF dokumentiert.

Wie viele Entweichungen hatten diese WE zum Inhalt?

28.

Welche weiteren Ereignisse wurden als WE dokumentiert? Bitte auflisten nach Suizidversuchen, Bedrohung von Mitarbeitern der GUF, Gewalt in der Einrichtung et cetera.

Suizidversuche: 1

Gewalt gegen Mitarbeiter der Einrichtung: 11

Sonstige Gewalttaten: 4

Sonstige Vorfälle: 17 (Rückkehrer, Hausfriedensbrüche und Vorfälle im Umfeld durch Bewohner der GUF oder andere Personen).

4. Wie viele sogenannte Wichtige Ereignisse wurden seit dem 14.4. bis heute dokumentiert?

Entsprechend der Dienstanweisung des PK 36 wurden 45 WE-Meldungen im Zusammenhang mit Anlässen in der GUF dokumentiert.

Wie viele Entweichungen hatten diese Wichtigen Ereignisse zum Inhalt?

18.

Welche weiteren Ereignisse wurden als WE dokumentiert? Bitte auflisten nach Suizidversuchen, Bedrohung von Mitarbeitern der GUF, Gewalt in der Einrichtung et cetera.

Suizidversuche: 1

Gewalt gegen Mitarbeiter der Einrichtung: 9

Sonstige Gewalttaten: 2

Sonstige Vorfälle: 15 (Rückkehrer, Hausfriedensbrüche und Vorfälle im Umfeld durch Bewohner der GUF oder andere Personen)

5. Warum galt laut Zeugenaussage die Dienstanweisung ausschließlich für die Geschlossene Unterbringung Feuerbergstraße und nicht für andere Einrichtungen des LEB, wie beispielweise den Kinder- und Jugendnotdienst?

Für die anderen Einrichtungen des Landesbetriebs Erziehung und Berufsbildung (LEB) liegen die Voraussetzungen gemäß der PDV 350 nicht vor.

6. Gibt es noch andere Jugendhilfeeinrichtungen in Hamburg, bei denen die Polizei verpflichtet war oder ist, sogenannte Wichtige Ereignisse zu dokumentieren? Wenn ja, welche?

Nein. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. bis 1.6.

7. Laut Auskunft des Polizeibeamten wollte die „Polizeiführung" durch die sogenannten Wichtigen Ereignisse über Vorgänge in der GUF informiert werden. Ist diese Aussage zutreffend?

Ja. Siehe im Übrigen Antwort zu 1. bis 1.6.

Wenn ja, welche Personen umfasst die „Polizeiführung" im Einzelnen?

Die Polizei wird geleitet durch den Polizeipräsidenten und den Polizeivizepräsidenten.

Themen- oder aufgabenbezogen werden darüber hinaus weitere höhere Funktionsträger mit Obliegenheiten im Sinne der Polizeiführung betraut.

Warum wollte die „Polizeiführung" informiert werden?

Siehe Antwort zu 1. bis 1.6.

8. Welche sonstigen Dienstanweisungen an die Polizei beziehungsweise innerhalb der Polizei existieren beziehungsweise existierten, die sich auf die Geschlossene Unterbringung Feuerbergstraße beziehen?

Über die Dienstanweisung des PK 36 hinaus existieren keine weiteren Dienstanweisungen, die sich speziell auf die GUF beziehen.