Die Hamburger Ausführung des Fachstellenkonzepts sieht eine Eingruppierung der Hilfedürftigen in drei Vermittlungsstufen

Zwei Jahre neu organisierte Wohnungslosenhilfe ­ Fachstellenkonzept II. Einteilung in drei Hilfsstufengruppen ­ und wer nicht passt erhält keine Hilfe?

Seit dem 1. Juli 2005, also seit zwei Jahren, sollen die bezirklichen Fachstellen dafür sorgen, bürgernahe und niedrigschwellige Hilfsangebote für Obdachlose, Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen anzubieten und zu koordinieren. Der Grundgedanke des sogenannten Fachstellenkonzepts besteht darin, „Hilfe aus einer Hand" bereitzustellen. Bei der Umsetzung dieses, im Grunde begrüßenswerten, Konzepts hapert es in Hamburg allerdings an vielen Punkten. Fakt ist, dass auch nach zwei Jahren Fachstellenkonzept deutlich zu wenige Wohnungslose beziehungsweise von Wohnungslosigkeit bedrohte Personen oder Obdachlose in Wohnungen vermittelt wurden.

Die Hamburger Ausführung des Fachstellenkonzepts sieht eine Eingruppierung der Hilfedürftigen in drei Vermittlungsstufen vor.

Stufe 1 ist für Personen „ohne besondere Problemlagen" vorgesehen.

Stufe 2 für Personen mit sozialen Problemen. Für sie werden ­ im Gegensatz zu denen der Stufe 1 Zugeordneten ­ Garantien gegenüber dem Wohnungsunternehmen übernommen.

Und in Stufe 3 befinden sich diejenigen Personen mit besonderen Problemlagen.

Die gewährte Hilfe soll sich so an den individuellen Problemlagen orientieren.

Das ist aber schwer möglich, wenn zum Teil nicht stimmig eingruppiert und der Betroffene daher nicht die notwendige Hilfe und Unterstützung erfahren kann. Denn mehrfach wurde uns mitgeteilt, dass Personen nur anhand eines kurzen Gesprächs eingestuft wurden, ohne dass dabei aber die sie kennenden Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter mit einbezogen wurden, die völlig andere Stufen für notwendig halten.

Außerdem gibt es Menschen, die in gar keine der drei Stufen passen und daher aus der Hilfesystematik herausfallen. Sie erhalten keine Wohnung über den Kooperationsvertrag mit der Wohnungswirtschaft und sie erhalten auch keine über den Bezirk mit einem Dringlichkeitsschein.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Wie viele Personen sind jeweils welcher Stufe zugehörig? Bitte wenn möglich nach Altersgruppen und Geschlecht aufschlüsseln.

Das Dokumentationssystem der Fachstellen erfasst Daten auf der Grundlage von Fällen/Haushalten und nicht von Personen.

Die Einstufung nach Altersgruppen bezieht sich bei Mehrpersonenhaushalten nur auf das Geburtsjahr des Haushaltsvorstands. Die Geburtsjahre der übrigen Haushaltsangehörigen werden nicht erfasst.

Nach Geschlecht werden im Dokumentationssystem der Fachstellen nur allein stehende Personen erfasst. Bei Mehrpersonenhaushalten wird die Haushaltsstruktur (Paar mit minderjährigen, volljährigen, ohne Kinder/n et cetera) eingetragen. Hat sich dieses Drei-Stufen-Konzept in den letzten zwei Jahren für die Erarbeitung von zielgerichteten und personenspezifischen Hilfsangeboten als besonders hilfreich und sinnvoll erwiesen? Wenn ja, bitte begründen. Wenn nein, gedenkt der Senat, den Sinn und Zweck der Einstufung genauer zu überprüfen oder es eventuell zu verändern?

Aus Sicht der zuständigen Behörde hat sich das Dreistufenkonzept bewährt. Es sieht zusätzliche Hilfen für Haushalte vor, die vor Umsetzung des Fachstellenkonzeptes nur unter großen Problemen oder gar nicht in Wohnraum vermittelbar waren. Dies betrifft insbesondere Haushalte, die ihre Wohnung aufgrund von Mietschulden verloren haben und aktuell Schulden haben oder bei denen der Wohnungsverlust aufgrund mietwidrigen Verhaltens ­ zum Beispiel aufgrund einer psychischen oder einer Suchterkrankung ­ eingetreten ist.

Diese Haushalte erhalten bei Abschluss eines Mietvertrags je nach Schwere und Umfang der Problemlagen zusätzliche Hilfen in Form:

· der Direktüberweisung der Miete,

· Gewährleistungen, falls Mieter ihren vertraglichen Verpflichtungen zum Erhalt der Mietsache nicht nachkommen und die Wohnungsunternehmen Ersatzleistungen vornehmen müssen

· bis zu einer zwölfmonatigen Beratung und Unterstützung durch einen Träger.

Über die Stufe 3 erhalten Haushalte Zugang zu Wohnraum, die bislang keine Akzeptanz als Mieter gefunden haben. Zusätzlich stehen die Fachstellen den Vermietern bei Problemen für die Haushalte als Ansprechpartner zur Verfügung, die nach dem Kooperationsvertrag in Wohnraum vermittelt wurden

Durch die zusätzlichen Hilfen und die Ansprechpartnerfunktion der Fachstellen konnte die Akzeptanz obdach- und wohnungsloser Haushalte bei den Wohnungsunternehmen zunehmend gesteigert werden.

3. Welche Schritte führen zur Einordnung einer Person in eine der drei Stufen? Wird zur genaueren Beurteilung der Personen regelhaft die Sozialakte gelesen oder mit den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern auch von f&w ein Gespräch geführt?

Die einzustufenden Personen oder Haushalte werden in der Regel zu einem persönlichen Gespräch in die zuständige Fachstelle eingeladen oder in der Wohnunterkunft aufgesucht. Zur Vorbereitung des Gespräches werden die Vermerke und Texte aus dem Dialogverfahren PROSA des Sozialamts sowie gegebenenfalls weitere zur Verfügung stehende Informationen herangezogen. Bei Haushalten oder Einzelpersonen, die sich seit längerer Zeit in öffentlicher Unterbringung befinden, wird vor oder nach dem Einstufungsgespräch Kontakt zur Unterkunftsleitung oder dem Sozialmanagement von „fördern und wohnen AöR" (f&w) aufgenommen. Darüber hinaus können auf Wunsch und mit Einverständnis der oder des Einzustufenden weitere Personen oder Stellen wie zumBeispiel Betreuer einbezogen werden. Erscheint die Zuordnung zu einer der 3 Stufen nicht eindeutig, werden andere Fachstellen-Kollegen beteiligt und/oder weitere Gespräche mit dem wohnungslosen Haushalt geführt, um zu einer verifizierten Einstufung zu kommen.

4. Welche Kriterien und/oder Umstände führen dazu, dass ein wohnungsloser oder obdachloser Mensch in keine der drei Stufen eingegliedert wird? Bitte begründen.

Es gibt Personen/Haushalte, die zunächst nicht eingestuft werden können. Dazu gilt:

Bei einer Prognose, dass die Personen auf absehbare Zeit auf Grund verfestigter sozialer Problemlagen allein nicht wohnfähig sind, verbleiben diese in öffentlich rechtlicher Unterbringung, bis für sie eine adäquate Wohn- oder Unterbringungsmöglichkeit gefunden ist (zum Beispiel Alten- oder Pflegeheime, Behinderteneinrichtungen).

Zu diesem Personenkreis gehören insbesondere:

· Schwer verwahrloste Personen/Haushalte ohne Einsicht und eigene Handlungsmöglichkeit beziehungsweise bei Verweigerung externer Hilfe

· Manifest psychisch oder suchtkranke Personen mit chronifiziertem Krankheitsverlauf und schweren Beeinträchtigungen der sozialen und wirtschaftlichen Situation

· An schweren chronischen Erkrankungen und Behinderungen leidende Personen ohne Bereitschaft, sich adäquat und ausreichend behandeln zu lassen, die infolge ihrer Erkrankung nicht allein wohnfähig sind.

Auch im Rahmen des Kooperationsvertrags liegt die Entscheidung über die Vermietung einer Wohnung allein bei den Wohnungsunternehmen. Da der genannte Personenkreis aufgrund seiner Problemlagen bei den Wohnungsunternehmen keine Chance auf die Begründung eines Mietverhältnisses hat, ist auch in der Globalrichtlinie über die Versorgung von vordringlich Wohnungsuchenden mit Wohnraum der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt geregelt, dass für Klienten der Fachstellen ohne Einstufung keine Anerkennung als vordringlich Wohnungsuchender und damit auch keine Wohnungsversorgung nach dem Kooperationsvertrag erfolgen kann.

Bei nicht eingestuften Haushalten/Personen sind daher zunächst Hilfeprozesse erforderlich, die im weiteren Verlauf eine Einstufung und damit die reguläre Wohnungsversorgung ermöglichen können.

Die Entscheidung über eine Einstufung oder Nichteinstufung wird im Einzelfall durch den zuständigen Sozialarbeiter der Fachstelle getroffen.

Für Menschen, bei denen auf längere Sicht keine Chance auf eine Wohnungsversorgung auf dem regulären Wohnungsmarkt besteht, wurde bei f&w das Angebot „wohnen plus" geschaffen. Zielgruppe sind Bewohner öffentlicher Wohnunterkünfte, die auf absehbare Zeit keine realistischen Chancen auf eine Integration in eigenen Wohnraum auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt haben. Zu ihren Merkmalen gehört unter anderen, dass sie auch langfristig ­ das heißt über die zwölfmonatige Beratung und Unterstützung der Stufe 3 hinaus ­ Unterstützung zur Erhaltung des Mietverhältnisses benötigen. Zum Angebot „wohnen plus" gehört daher eine Mietersozialberatung und die Wahrnehmung von Hauswartsfunktionen. Die Auswahl neuer Mieter erfolgt jeweils in Abstimmung mit der zuständigen Fachstelle. Zurzeit umfasst das f&w-Angebot „wohnen plus" 184 Mietwohnungen für alleinstehende Personen und Familien an fünf Standorten.

a. Wie viele hilfsbedürftige Menschen konnten bisher in keine der Stufen eingruppiert werden? Und wie verteilen sich diese Personen pro Bezirk?

Die Anzahl der nicht einstufbaren Haushalte wird bislang im Dokumentationssystem der Fachstellen nicht erfasst. Von den Bezirken wurden, soweit verfügbar, folgende Angaben zu diesen Haushalten gemacht:

b. Warum können sie nicht eingruppiert werden. Bitte begründen?

c. Gibt es hierzu interne Weisungen? Wenn ja, welcher Art und welche Kriterien werden darin festgelegt?

Siehe Antwort zu 4.

5. Gibt es spezielle Hilfsangebote und Unterstützung für Wohnungs- oder Obdachlose, die in keine der drei Gruppen eingestuft wurden? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht und sind diese zumindest in Planung?

Grundsätzlich stehen für den Personenkreis der nicht eingestuften Menschen die regelhaften Hilfen, zum Beispiel der Eingliederungshilfe oder der Wohnungslosenhilfe, zur Verfügung. Für nicht eingestufte Personen kommen insbesondere ambulante oder alternativ zur öffentlichen Unterbringung stationäre Hilfen nach § 68 SGB XII infrage.

Im Rahmen der öffentlichen Unterbringung wurden bei f&w im April 2007 zur Optimierung des aktivierenden Sozialmanagement zusätzlich sieben Sozialarbeiterstellen ­ pro Bezirk eine ­ für intensive persönliche Hilfen für nicht eingestufte wohnungslose Menschen in öffentlicher Unterbringung eingerichtet. Mit diesen Hilfen wird die Beseitigung oder Linderung schwerwiegender Problemlagen angestrebt, um perspektivisch auch diesen Menschen eine Integration in Wohnraum oder zumindest ein Mietverhältnis im betreuten Wohnungssegment von f&w „wohnen plus" zu ermöglichen.

Im Übrigen siehe Antwort zu 4., 4. b), 4. c) und 6. bis 6. b).

6. Stimmt es, dass Menschen, die in keine der Gruppen passen, auch keine Wohnung über den Kooperationsvertrag angeboten bekommen und auch nicht aufgrund eines Dringlichkeitsscheins durch die bezirkliche Fachstelle mit einer Wohnung versorgt werden?

a. Warum ist das so? Welche Weisungen gibt es? Bitte entsprechende Texte anfügen.

b. Hält der Senat es für gerecht und angemessen, Menschen, die Hilfe und Wohnung brauchen, nicht vordringlich zu bedienen?

Siehe Antwort zu 4.