Am 19 September 2005 erhielt Herr Riez weiterhin die Protokolle 184 bis 186 als Anhang der EMail von Herrn Koberstein

Ein Absender war auf dem Exemplar beziehungsweise der Umlaufmappe nicht erkennbar. Daran, wann konkret das Protokoll bei ihm einging, konnte sich Herr Riez nicht erinnern, es sei jedenfalls einige Zeit vor seiner Vernehmung im Dezember 2005 gewesen. Herr Riez überflog das Protokoll und warf es anschließend in die sogenannte Dassler-Tonne für die zur Vernichtung bestimmten behördlichen Unterlagen.

Am 19. September 2005 erhielt Herr Riez weiterhin die Protokolle 18/4 bis 18/6 als Anhang der E-Mail von Herrn Koberstein. Er speicherte die Protokolle an demselben Tag mit der Outlook-Funktion „Anlagen speichern" ungelesen auf seinem Homelaufwerk (Laufwerk „H") in einem Ordner mit der Bezeichnung „PUA". Die E-Mail von Herrn Koberstein löschte er. Er leitete die Protokolle nicht weiter.

Herr Riez hat angegeben, dass ihm die Weiterleitung der PUA-Protokolle an ihn ungewöhnlich vorkam. Bei dem in Papierform empfangenen Exemplar ging er zunächst davon aus, dass es sich um einen „Irrläufer" gehandelt habe, und gab es daher in die Aktenvernichtung. Auch nachdem ihm im September 2005 ein zweites Mal Protokolle zugeleitet wurden, sei er nicht „alarmiert" gewesen, da dieses Mal für ihn erkennbar gewesen sei, woher die Protokolle kamen und wohin sie gingen. Allerdings habe er nicht gewusst, warum er die Protokolle zugesandt bekommen habe. Er habe sie für den Fall von Nachfragen auf seinem Laufwerk abgespeichert.

(2) Leitung der Abteilung für Familie und Gleichstellung Herr Dr. Bange, der Leiter der Abteilung für Familie und Gleichstellung, erhielt ebenfalls am 19. September 2005 die Protokolle 18/4 bis 18/6 unangefordert als Anhang der E-Mail von Herrn Koberstein. Unklar ist, ob er daneben ein weiteres Protokoll in einer Umlaufmappe erhalten hat. Herr Dr. Bange gab in den Anhörungen von Herrn Klahn und Herrn Gedaschko zunächst an, ein Protokoll vermutlich in Papierform in einer Umlaufmappe bekommen zu haben, diese Aussage jedoch bei Vorhalt der E-Mail von Herrn Koberstein durch einen Mitarbeiter von Herrn Gedaschko dahingehend revidiert, dass er die Protokolle per E-Mail erhalten haben müsse.

Herr Dr. Bange öffnete zumindest das Protokoll 18/6, das unter anderem seine eigene Zeugenvernehmung vom 2. September 2005 enthielt. Er las seine eigene Aussage auszugsweise, im Übrigen nahm er das Protokoll 18/6 inhaltlich nicht zur Kenntnis. Ob er darüber hinaus auch die Anhänge mit den Protokollen 18/4 und 18/5 geöffnet und gelesen hatte, konnte Herr Dr. Bange bei seiner Vernehmung durch den Ausschuss nicht mehr mit Sicherheit sagen.

Herr Dr. Bange leitete die Protokolle nicht weiter und druckte sie auch nicht aus, sondern löschte sie im engen zeitlichen Zusammenhang zu deren Erhalt, ohne dass er den Zeitpunkt der Löschung konkret benennen konnte.

Herr Dr. Bange hat angegeben, hinsichtlich des Erhalts der Protokolle „ein komisches Gefühl" gehabt zu haben. Anders als in Bezug auf Gespräche mit anderen ­ auch potentiellen ­ Zeugen, mit denen er es vermieden habe, Gespräche über den PUA „Feuerbergstraße" zu führen, sei er aber hinsichtlich des Erhalts der Protokolle nicht gleichermaßen sensibilisiert gewesen. Er hielt daher auch keine Rücksprache mit Herrn Koberstein über den Umstand der Weiterleitung der Protokolle an ihn.

Herr Dr. Bange sprach seiner Erinnerung nach auch nicht mit Dritten über den Umstand des Erhalts der Protokolle. Auf Vorhalt der Aussage von Frau Havemeister gegenüber dem PUA „Feuerbergstraße", wonach Herr Dr. Bange im Laufe des Jahres 2005 Frau Havemeister gegenüber einmal erwähnt haben soll, dass er seine eigene Aussage gelesen habe, hat Herr Dr. Bange erklärt, dass ein solches Gespräch stattgefunden haben könnte, er sich hieran jedoch nicht erinnere.

Auch Herr Riez hat angegeben, mit Herrn Dr. Bange über die PUA-Protokolle gesprochen zu haben. Nach Aussage von Herrn Riez sprach dieser Herrn Dr. Bange im Zusammenhang mit dem Erhalt der Protokolle darauf an, ob auch Herr Dr. Bange Protokolle erhalten habe, was Herr Dr. Bange nach Aussage von Herrn Riez bejaht habe. Hierbei soll es sich um ein sehr kurzes, eher beiläufiges Gespräch gehandelt haben. Herr Dr. Bange hat an ein derartiges Gespräch keine Erinnerung.

(3) Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung

Im Geschäftszimmer des Landesbetriebs Erziehung und Berufsbildung ging am 29. Juni 2005 unangefordert ein Exemplar des Protokolls 18/3 ein. Der Eingang wurde auf der ersten Seite des Protokolls mit dem Eingangsstempel „Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung; Eing.: 29. Juni 2005; Geschäftszimmer" vermerkt. Wer dieses Protokoll an den Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung auf welche Art und Weise weitergeleitet hatte, hat nicht ermittelt werden können.

Ob das Protokoll durch Mitarbeiter des Landesbetriebs Erziehung und Berufsbildung inhaltlich zur Kenntnis genommen wurde, konnte ebenfalls nicht geklärt werden. Der Geschäftsführer, Herr Müller, hat zumindest nicht ausgeschlossen, es möglicherweise quer gelesen zu haben. Er heftete das Protokoll jedenfalls in eine von ihm zu Ausschussangelegenheiten geführte Handakte und bewahrte es hierin bis zu der Rückgabe des Protokolls an den PUA „Feuerbergstraße" im März 2006 auf.

Das Exemplar war mit der durch die Assistentin von Herrn Müller handschriftlich gefertigten Notiz „Ø LEB 20" versehen, aus der sich schließen lässt, dass eine Kopie des Exemplars an den Leiter der Geschlossenen Unterbringung Feuerbergstraße, Herrn Weylandt, weitergeleitet werden sollte. Der Ausschuss hat nicht klären können, wer die Weiterleitung an Herrn Weylandt veranlasste. Herr Müller hat es für wahrscheinlich gehalten, dass er seine Assistentin mit der Weiterleitung einer Kopie des Protokolls an Herrn Weylandt beauftragt hatte. Möglicherweise habe diese aber die Weiterleitung auch eigenständig veranlasst. Unklar ist auch geblieben, ob die Kopie dann tatsächlich gefertigt und an Herrn Weylandt weitergeleitet wurde. Dieser hat ausgesagt, kein Protokoll des PUA „Feuerbergstraße" erhalten und ein solches auch nicht in seinen Unterlagen aufgefunden zu haben.

dd. Behördenleitung Erkenntnisse darüber, dass auch die Leitung der Behörde für Soziales und Familie im engeren Sinne ­ zu der im Untersuchungszeitraum Frau Senatorin Schnieber-Jastram und der damalige Staatsrat Meister zählten ­ in Berührung mit PUA-Protokollen kam, hat der Ausschuss nur im Hinblick auf den damaligen Staatsrat Meister gewonnen.

Herrn Meister wurden am 19. September 2005, dem Tag seiner eigenen Zeugenvernehmung vor dem PUA „Feuerbergstraße", die Protokolle 18/4 bis 18/6 durch seine Sekretärin, Frau Tichy, vorgelegt. Frau Tichy hatte die Protokolle zuvor von Frau Gschwendtner entweder in einer Umlaufmappe (so die Aussage von Frau Tichy gegenüber Herrn Gedaschko und Herrn Klahn) oder in einem Ordner (so die Aussage von Frau Tichy gegenüber dem Ausschuss) erhalten. Frau Tichy ging damit umgehend zu Herrn Meister, da ihr Frau Gschwendtner gesagt hatte, es handele sich um einen eiligen Vorgang. Offen geblieben ist, ob Herr Meister in die Mappe beziehungsweise den Ordner gesehen hat (so die Aussage von Frau Tichy vor dem Ausschuss) oder er Frau Tichy fragte, was sich darin befinde, woraufhin sie auf die von Frau Gschwendtner überreichten PUA-Protokolle hinwies (so die Aussage von Frau Tichy gegenüber Herrn Gedaschko und Herrn Klahn). Herr Meister erklärte Frau Tichy sinngemäß, dass er die Protokolle nicht haben dürfe. Über die genaue Formulierung von Herrn Meister gibt es unterschiedliche Aussagen von Frau Tichy; gegenüber Herrn Gedaschko sagte sie aus, Herr Meister habe geäußert: „Das dürfen wir" ­ also die Sozialbehörde ­ „nicht haben." Vor dem Ausschuss hat sie angegeben, Herr Meister habe erklärt, „er" dürfe die Protokolle nicht haben.

Herr Meister bat Frau Tichy daraufhin um die Telefonnummer von Herrn Mose. Dies war aus Sicht von Frau Tichy ein ungewöhnlicher Vorgang, da sich Herr Meister üblicherweise durch Frau Tichy verbinden ließ, wenn er telefonieren wollte. Herr Meister telefonierte dann in Anwesenheit von Frau Tichy mit Herrn Mose, wobei es sich um ein sehr kurzes Gespräch handelte. Herr Meister erklärte, dass ihm Protokolle des PUA „Feuerbergstraße" vorgelegt worden seien, die er wohl gar nicht haben dürfe, und fragte, ob Herr Mose das auch so sehe. Was Herr Mose antwortete, konnte Frau Tichy nicht hören. Nach Aussage von Herrn Mose stimmte dieser der Einschätzung von Herrn Meister zu. Herr Mose erinnerte sich bei seiner Vernehmung nicht, ob Herr Meister ihm im Rahmen des Telefonats auch mitgeteilt hatte, dass die Unterlagen aus der Präsidialabteilung an ihn herangetragen worden seien, oder ob Herr Mose hiervon aufgrund der üblichen Verwaltungsabläufe in der Behörde stillschweigend ausgegangen war. Die Frage, ob dem Eingang von PUA-Protokollen in die Behörde für Soziales und Familie nachgegangen werden solle, erörterten Herr Meister und Herr Mose nicht und stellten auch keine weiteren Nachforschungen in der Behörde an.

Nach Beendigung des Telefonats bat Herr Meister Frau Tichy, die PUA-Protokolle zurückzubringen. Eine Erinnerung daran, wie Frau Gschwendtner auf die Rückgabe reagierte, hat Frau Tichy nicht. Auf Nachfrage hat Frau Tichy erklärt, dass ihr das Geschehen deshalb so gut im Gedächtnis geblieben sei, weil sie den Staatsrat für dessen konsequentes Verhalten bei der Zurückweisung der Protokolle bewundert habe.

Herr Meister hat vor dem Ausschuss ausgesagt, dass er keine Erinnerung an diesen Vorfall habe. Er könne den Vorgang an dem Tag auch nicht aktiv wahrgenommen haben, da er ansonsten Maßnahmen ergriffen hätte. Aus Anlass der Einsetzung des PUA „Feuerbergstraße" habe er das HmbUAG durchgelesen. Ihm sei auch klar gewesen, dass Zeugen nicht die Aussagen anderer Zeugen zur Kenntnis nehmen sollen. Er könne sich die fehlende Wahrnehmung des Vorganges nur so erklären, dass er insgesamt dem PUA „Feuerbergstraße" wenig Bedeutung zugemessen habe. Er habe die Vorstellung gehabt, dass er durch sein persönliches Auftreten als Zeuge vor dem PUA „Feuerbergstraße" den Ausschussmitgliedern die aus seiner Sicht mangelnde Substantiiertheit der Vorwürfe in Bezug auf die Geschlossene Unterbringung Feuerbergstraße deutlich machen könne. Deshalb habe er auch der Vorbereitung seiner Eingangserklärung für seine Zeugenaussage große Aufmerksamkeit gewidmet. Am Tag seiner Vernehmung vor dem PUA „Feuerbergstraße" habe er sich intensiv mit seiner Erklärung beschäftigt und aus diesem Grunde die ihm angebotenen PUAProtokolle wohl nicht richtig wahrgenommen. Dass er sich von Frau Tichy die Telefonnummer von Herrn Mose habe geben lassen und die Nummer selbst angewählt habe, hat Herr Meister in seiner Aussage gegenüber dem Ausschuss für „sehr unwahrscheinlich" gehalten, da er sich nach seiner Erinnerung immer von Frau Tichy habe durchstellen lassen.

Erkenntnisse darüber, dass Frau Senatorin Schnieber-Jastram vor März 2006 von dem Vorliegen von Protokollen des PUA „Feuerbergstraße" in der Sozialbehörde wusste, gibt es nicht.

c. Vermerk Nummer 18 des Arbeitsstabes des PUA „Feuerbergstraße"

Am 10. Oktober 2005 veröffentlichten das „Hamburger Abendblatt" und NDR 90,3 wesentliche Inhalte eines von dem Arbeitsstab des PUA „Feuerbergstraße" für den Ausschuss erstellten, als „vertraulich" gekennzeichneten Vermerks (Vermerk Nummer 18). Hierbei handelte es sich um ein knapp 70-seitiges Papier, datierend vom 6. Oktober 2005, zu der Rechtmäßigkeit der Einweisung von Minderjährigen in die Geschlossene Unterbringung Feuerbergstraße. Der in den Medien wiedergegebene Inhalt stammte aus einer dem Vermerk vorangestellten zweiseitigen Zusammenfassung (Seiten 4 bis 5 des Vermerks).

Die veröffentlichten Vorwürfe bildeten an diesem Tag den Gegenstand diverser Besprechungsrunden bei Herrn Meister, in denen erörtert wurde, ob die Vorwürfe berechtigt seien und auf welche Weise die Behörde darauf reagieren solle. Teilnehmer dieser Besprechungsrunden waren die Leiterin der Präsidialabteilung der Behörde für Soziales und Familie, Frau Gschwendtner, die Pressesprecherin der Behörde, Frau Havemeister, und die persönliche Referentin der Zweiten Bürgermeisterin und Leiterin des Referates für Politische Planung Hamburg, Frau Georgi.