Jugendamt

Durch § 1631b BGB wird nur den Eltern die Möglichkeit eingeräumt, einen Antrag auf Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung zu stellen. Durch Verweise wird dieses Recht zwei weiteren Personengruppen gewährt:

- § 1800 BGB regelt die Rechte eines Vormundes und verweist auf § 1631b BGB,

- nach § 1915 BGB sind diese Normen für die Pflegschaft ebenfalls anzuwenden.

Soweit den Eltern die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, können diese den Antrag auf Genehmigung der Unterbringung nur gemeinsam stellen, bei Uneinigkeit ist in einem Verfahren nach § 1628 BGB zunächst einem Elternteil die Antragstellungsbefugnis zu übertragen.

Die Personensorgeberechtigten sind grundsätzlich die Eltern. Diese haben nach § 1626 BGB das Recht und die Pflicht, für das minderjährige Kind zu sorgen. Werden sie dieser Aufgabe nicht gerecht, kann ein Vormund (§ 1800 BGB) oder ein Ergänzungspfleger (§ 1915 BGB) bestellt werden. Soweit Eltern sich weigern, die geschlossene Unterbringung ihres Kindes zu beantragen, obwohl dies vom Jugendamt für erforderlich gehalten wird, kann dies als Indiz für eine Vernachlässigung des Sorgerechts ausgelegt werden.

Der von den Eltern verweigerte Antrag kann dann vom Vormund oder Ergänzungspfleger gestellt werden. Das Jugendamt trifft in solchen Fällen sogar die Pflicht, bei fehlendem Einverständnis der Eltern unverzüglich die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zu beantragen.

Ferner kann das Gericht gemäß § 1666 Abs. 3 BGB Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge ersetzen.

Somit eröffnet die Möglichkeit einer Betreuerbestellung der öffentlichen Gewalt weiterhin eine gewisse Entscheidungsbefugnis dahingehend, ob ein Minderjähriger nicht nur vorläufig in einer geschlossenen Unterbringung leben soll.

Die Sorgeberechtigten geraten bei Problemlagen des Minderjährigen, die eine geschlossene Unterbringung erforderlich machen, in eine zwiespältige Situation: Einerseits sind sie im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht in diesem Fall bei Fehlen geeigneter Alternativen zur Beantragung einer geschlossenen Unterbringung verpflichtet; bei Unterlassung dieses Antrags drohen ihnen eine Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts als Teil des Sorgerechts oder andere Maßnahmen gemäß §1666 BGB.

Andererseits könnten sie wegen Freiheitsberaubung nach § 239 StGB strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie den Minderjährigen ohne rechtzeitige gerichtliche Genehmigung unterbringen lassen.

Unterbringung nur zum Wohle des Kindes

Gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG darf in das Grundrecht der Freiheit der Person nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden. Nach Art. 104 Abs. 1 GG kann die Freiheit der Person nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin beschriebenen Formen beschränkt werden. Eine solche Gesetzesnorm ist § 1631b BGB.

Eine geschlossene Unterbringung ist nur gestattet, wenn das Wohl des Kindes die Unterbringung erfordert. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 1631b Satz 2 BGB, wonach die Genehmigung zur Unterbringung zurückzunehmen ist, wenn das Wohl des Kindes die Unterbringung nicht mehr erfordert. Das Wohl des Kindes erfordert eine geschlossene Unterbringung nur dann, wenn die Maßnahme erforderlich, geeignet und verhältnismäßig ist. Der körperliche, geistige oder seelische Zustand des Minderjährigen muss die Maßnahme unerlässlich machen.

Die Erforderlichkeit ist ein materielles Kriterium, welches pädagogisch, psychologisch und eventuell medizinisch ausfüllungsbedürftig, jedoch juristisch bestimmt ist.

Unzulässig ist damit eine geschlossene Unterbringung, wenn die Unterbringung in einer halboffenen oder offenen Einrichtung oder freiwillige Hilfen zur Erziehung ohne Freiheitsentziehung genügen würde.

Zu den Ausnahmefällen, in denen eine geschlossene Unterbringung notwendig sein kann, werden folgende Lebenssituationen gezählt:

- ausgeprägte depressiv-suizidale Syndrome

,

- schwere Erregungszustände nicht psychotischer Genese z. B.

Dem gegenüber wurde im 11. Kinder- und Jugendbericht die Auffassung vertreten, dass ausschließlich Gefahr für Leib oder Leben der betroffenen Kinder oder dritter Personen eine geschlossene Unterbringung rechtfertige, nicht jedoch die Gefährdung anderer Rechtsgüter (Eigentum, öffentliche Ordnung etc.).

Soweit eine Unterbringung aufgrund erheblicher psychischer behandlungsbedürftiger Auffälligkeiten erfolgen soll, ist zu beachten, dass "aggressiv-kriminelle Jugendliche" wegen zu erwartender Fremdgefährdungen als ungeeignet für eine längerfristige Unterbringung auf einer geschlossenen Jugendstation in der Psychiatrie und in der GU gelten. 24 f.; bei den aufgezählten Indikationen kann es sich bereits um seelische Behinderung i. S. d. § 35a SGB VIII handeln, vgl. Mrozynski, § 35a Rn. 7, 20 f.

Kontraindikationen für eine GU können

- ein ausgeprägtes Borderline-Persönlichkeitsprofil,

- ausgeprägte Gruppenunfähigkeit,

- hochgradige geistige Behinderung

- und ausgeprägte Suchtstörungen sein.

Eine im Rahmen der Aufsichtspflicht zu beachtende Kindeswohlgefährdung ergibt sich bei einer Fremdgefährdung daraus, dass der Minderjährige dem Risiko von Notwehrmaßnahmen, Ersatzansprüchen und Prozessen ausgesetzt ist.

Dieser Aspekt ist bei der Prüfung einer freiheitsentziehenden Unterbringung in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzubeziehen. Belästigungen Dritter reichen für die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung nicht aus.

Genehmigung durch das Gericht

Gemäß Art. 104 Abs. 2 GG hat über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen.

Eine Unterbringung, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, stellt demgemäß eine besonders schwerwiegende Beschneidung der Rechte des Kindes dar. Daher darf diese Maßnahme ebenfalls nur mit gerichtlicher Genehmigung erfolgen.

Die Genehmigung betrifft lediglich die geschlossene Unterbringung als solche, die Auswahl der Unterbringungseinrichtung erfolgt durch den Sorgerechtsinhaber.

Nach der Definition des § 184 Abs. 1 BGB ist eine Genehmigung eine nachträgliche Zustimmung. Die Genehmigung im Sinne des § 1631b BGB soll jedoch als vorherige Zustimmung gemeint sein, wie sich aus einem Umkehrschluss aus § 1631b Satz 2 BGB ergibt.

Die Genehmigung muss wirksam sein. Sie muss also entweder rechtskräftig gewesen oder für sofort vollziehbar erklärt worden sein. Diese formalen Fragen sind bei 13

Jugendlichen nicht beachtet worden.

Notfalls ist die Genehmigung im einstweiligen Verfahren gem. § 70h FGG einzuholen.

Nur wenn die Fremd- oder Eigengefährdung akut ist und die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht abgewartet werden kann, ist eine geschlossene Unterbringung nach § 1631b BGB ohne gerichtliche Genehmigung zulässig.

In diesem Fall ist die Genehmigung jedoch gem. § 1631b Satz 2 BGB unverzüglich nachzuholen. Unverzüglich bedeutet gemäß § 121 Abs. 3 BGB ohne schuldhaftes Zögern.