Geschlossenen Unterbringung

Möglicherweise war auch der frühere Innensenator Ronald Schill mit den Sicherheitsfragen der GUF befasst.

Bernd Krösser, Abteilung für öffentliche Sicherheit im Amt für Innere Verwaltung und Planung gibt in einem Vermerk vom 27. Mai 2003 für den Staatsrat der Behörde für Inneres zu bedenken, "dass ein erhebliches Risiko besteht, dass das Konzept der Geschlossenen Unterbringung scheitert". Abgesehen von der bemängelten geringen Auslastung und den erheblichen Kosten fehle es an ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen, insbesondere "an einem durchgängigen Konzept, das technische und verhaltensmäßige Fragen" aufgreife. Ein Neubau sei wirtschaftlich sinnvoller, weil die Feuerbergstraße auch nach Umrüstung nur ein "eingeschränkt geeignetes Objekt" bleiben dürfte.

Ein Neubau sei aber erst sinnvoll, wenn die Unterbringungszahlen deutlich verändert werden könnten. Aufgrund welcher, von wem erlangter Informationen dieser Vermerk von Bernd Krösser erstellt wurde, ist nicht bekannt.

Der Vermerk hat dem damaligen Staatsrat Walter Wellinghausen am 30. Mai 2003 vorgelegen. Er notierte Wiedervorlage zur Staatsratsrunde und später Wiedervorlage zum 15. August 2003. Am 18. August 2003 verfügte er an A 4 gerichtet: "Nach Rü(cksprache) mit -S- bitte ich um umgehende Erörterung bei mir. Es ist zu klären: [...]" Daraufhin folgt eine Liste von Einzelfragen, u. a. der Meldelage an das FIT, der Kapazität des FIT und der Kapazität der GUF. Es wurde ferner danach gefragt, was konzeptionell oder organisatorisch zu ändern wäre. Am 18. August 2003 wurde verfügt, dass -S-, d. h. Ronald Schill, eine Kopie des vorstehend genannten Vermerks von A 420 erhalten solle.

Sicherheitsvorgaben aus den Konzepten

Nach Angaben von Wolfgang Lerche spielten Überlegungen zur Sicherheit bei der Ausarbeitung des Konzeptes für die GUF eine sehr große Rolle. Es sei großer Wert darauf gelegt worden, die Einrichtung entweichungssicher zu machen.

Senatsbeschluss

Der Senatsbeschluss vom 3. September 2002 befasst sich nur am Rande mit dem Thema Sicherheit. Zur Geschlossenen Unterbringung heißt es: "das Konzept verbindet Sicherungsnotwendigkeiten mit modernen Grundsätzen erzieherischer Betreuung.

Zur Umsetzung des Konzeptes sollen je eine Einrichtung für Kinder und für Jugendliche neu geschaffen werden, die jeweils mindestens eine fluchtsicher hergerichtete Station für die Phase 1 habe. Alle Fenster und Außentüren würden dort gesichert. Für die Phasen 2 und 3 solle es offene Stationen geben. Das Gelände werde fluchtsicher umzäunt. Eine Unterbringung auch der Minderjährigen in den Phasen 2 und 3 in fluchtsicheren Gebäuden oder Gebäudeteilen sei abhängig von den Erfahrungen in der Umsetzung des Konzeptes zu prüfen. Die Einrichtung für Jugendliche solle unter Nutzung von Gelände und Gebäuden des KJND nach den beschriebenen Sicherheitsanforderungen bis zur Eröffnung im Winter 2002 für 25 Jugendliche hergerichtet werden.

BSF-Konzept

Mit der Umsetzung des Senatskonzepts und damit auch des Sicherheitskonzepts wurde die BSF betraut. In dem Konzept der BSF vom November 2002 wird das Thema Sicherheit noch knapper behandelt als im Senatskonzept. Es heißt dort lediglich: "Sicherungsmaßnahmen, verbindliche Beziehungsangebote und Regeln werden in der Konzeption so miteinander verbunden, dass für die männlichen Minderjährigen die Chancen für eine soziale Reintegration verbessert werden". Um die für die Durchführung der Phase 1 erforderliche Verbindlichkeit bzw. Geschlossenheit herzustellen, sei die fluchtsichere Herrichtung der Einrichtung erforderlich. Alle Fenster und Außentüren seien dort zu sichern. Die Einrichtung von offenen Stationen wird nicht mehr erwähnt. Ob dies eine bewusste Änderung der Sicherheitsplanungen des Senatskonzeptes oder nur eine sprachlich verkürzte Darstellung bedeutet, ist nicht eindeutig.

LEB-Konzept

Das LEB-Konzept vom 15. September 2003 erwähnt Sicherheitsfragen naturgemäß nicht mehr hinsichtlich der bereits abgeschlossenen baulichen Vorgaben. Stattdessen wird allgemein auf das Tagesgeschäft in der GUF eingegangen.

Zur Krisenintervention heißt es: "Bei dramatischen Zuspitzungen der Betreuungssituation bzw. in Krisen, in denen auch die Sicherheit und die weitere Entwicklung der Jugendlichen, aber auch die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefährdet werden können, haben sofortige Maßnahmen zur Deeskalation und zur Krisenbearbeitung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Priorität". Weiterhin ist in Einzelfällen die Annahme von Hilfestellung durch die Polizei zur direkten Gefahrenabwehr (SOG) sowie der Psychiatrie vorgesehen.

Zu den zentralen Regeln für Jugendliche, deren Missachtung Konsequenzen nach sich ziehen, gehören: "Wertschätzender Umgang der Bewohner untereinander aber auch zwischen Bewohnern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie umgekehrt (keine Drohungen, keine Beleidigungen). Keine Gewalt gegen Menschen oder Gegenstände. Es besteht ein Drogen- und Waffenverbot."

Zu den erforderlichen Qualifikationen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird gezählt: "Erfahrungen im Umgang mit Gewaltdynamiken und Deeskalationstechniken.

Erfahrungen in der zielgerichteten Gesprächsführung zur Deeskalation und Konfliktschlichtung."

Sicherheitsvorgaben aus den Betriebserlaubnissen

Die Betriebserlaubnisse der Heimaufsicht nach § 45 SGB VIII vom 16. Dezember 2002 und 3. Januar 2005 sehen unter Sicherheitsaspekten als Auflagen lediglich vor, dass Rauchmelder zu installieren und Auflagen des Brandschutzes zu beachten seien.

Erste detaillierte Planungen zur Sicherheit

Zur Vorbereitung und Planung der Einrichtung einer geschlossenen Jugendeinrichtung in Hamburg unternahmen mehrere Behördenvertreter im Juli 2002 eine Dienstreise zu den Jugendeinrichtungen Rummelsberg und Gauting in Bayern. Teilnehmer waren der Staatsrat Klaus Meister, Dr. Dirk Bange, Dr. Wolfgang Hammer, Wolfgang Lerche und Marianne Gschwendtner als Leiterin der Heimaufsicht des Amtes FS.

Wolfgang Lerche führte dazu in einer E-Mail an Uwe Riez vom 14. März 2003 aus:

Die bayerischen Konzepte verfolgten die Linie: "größtmögliche Sicherheit nach außen, größtmögliche Freiheit nach innen". Die für die GUF geplanten technischen Sicherheitsvorkehrungen gingen über die als unspektakulär empfundenen Sicherheitsmaßnahmen in den bayerischen Einrichtungen hinaus.

Das eigentliche Sicherheitskonzept des LEB wurde nicht schriftlich fixiert. Es wurde im Rahmen einer LEB-internen Projektorganisation von einer "Arbeitsgruppe Bau" erstellt, deren Aufgaben sich aus der Einsetzungsverfügung des Geschäftsführers LEB vom 12. September 2002 ergaben. Mitglieder dieser Arbeitsgruppe waren: Henner Petersen, Leiter der Bauabteilung des LEB, Wolfgang Weylandt, später Leiter der GUF, und zeitweise Michael Schrader, zuständiger Abteilungsleiter des LEB. Nach Angabe von Wolfgang Weylandt hatte die Arbeitsgruppe, die sich nur mit baulichen Maßnahmen zu befassen und kein Sicherheitskonzept zu erstellen hatte, die einzige politische Vorgabe, ein Entweichen von Jugendlichen zu verhindern.

Grundlagen für dieses Sicherheitskonzept waren nach der bereits genannten E-Mail von Wolfgang Lerche an Uwe Riez vom 14. März 2003 als Ergebnis der Arbeitsgruppe Bau folgende Anforderungen:

­ Entweichungen sollen vermieden werden,

­ das Raum- und Sicherheitsprogramm soll die Reduzierung interner Konflikte unterstützen,

­ trotz der erforderlichen Sicherung der Einrichtung soll eine angenehme Wohnatmosphäre gewährleistet sein, um die erzieherischen Intentionen der Einrichtung nicht zu konterkarieren.

Die Arbeitsgruppe ging davon aus, dass mindestens in Phase 1 Entweichungsversuche wahrscheinlich seien. Sie entschied daher, vor allem den Bereich, in dem sich die Bewohner der Einrichtung frei bewegen können, genauer die Gruppen- und Wohnbereiche sowie das Atrium, in besonderer Weise zu sichern. In jedem Gruppenbereich solle es ein Bereitschaftszimmer geben, um auch in der Nacht Störungen schnell erkennen und die erforderlichen Maßnahmen einleiten zu können.

In den weniger gesicherten Bereichen wie den Schul- und Therapieräumen dürften sich die Jugendlichen grundsätzlich nur in Begleitung von Fachpersonal aufhalten.

Nach dem Sicherheitskonzept des LEB war ferner vorgesehen, dass die GUF mit einem Bewegungsmelder, Brandmelder und mit einer zentralen elektromagnetischen Entriegelung ausgestattet wird.

Bestandteil dieses Sicherheitskonzeptes sei auch die Wachsamkeit und das Kontrollverhalten der Mitarbeiter. Insbesondere waren die Mitarbeiter angewiesen, alle Durchgangs- und Außentüren stets verschlossen zu halten. Ferner sollte ein ausgefülltes und strukturiertes Tagesprogramm für die Jugendlichen, das auch körperlich herausfordernde und damit ermüdende Tätigkeiten umfasst, "Ausweichverhalten" reduzieren.

Späterer Themenschwerpunkt der Arbeitsgruppe Bau war nach Aussage von Wolfgang Weylandt bei der Erweiterung der Einrichtung um ein Außengelände die Gestaltung der Umzäunung des Geländes.

Dr. Dirk Bange erklärte, dass das Sicherheitskonzept immer wieder überarbeitet wurde, weil immer wieder kleinere Lücken, z. B. im Zusammenhang mit den magnetgesicherten Türen, auftauchten.

Das Thema Sicherheit war nach Mitteilung von Wolfgang Lerche beständiges Thema der wöchentlichen Jours fixes in der GUF, wobei die Anregungen der Mitarbeiter unmittelbar zur Kenntnis genommen und umgesetzt wurden.