Ausbildung

Belastungen in einer Geschlossenen Unterbringungen für gewaltbereite Minderjährige und durch Meinungsverschiedenheiten über die pädagogische Arbeit in der GUF sowie einen hohen Krankenstand. Nicht erklärt wurde, warum dieser Personalmangel nicht, wie ursprünglich vorgesehen, durch andere Mitarbeiter des LEB zumindest zum Teil aufgefangen wurde.

Die vorgesehene Kontinuität der Betreuung war optimal: Jeder Minderjährige sollte zwei Bezugsbetreuer haben, möglichst eine Frau und einen Mann. Damit wurde die Gefahr weiterer Abbrüche der Beziehungen zu den Bezugspersonen bei den nach Aktenlage durch frühere Beziehungsabbrüche teilweise traumatisierten Minderjährigen stark verringert.

In der Praxis kam es hingegen durch die hohe Personalfluktuation doch zu Beziehungsabbrüchen. Weitere Beziehungsabbrüche gab es in den Fällen, in denen Minderjährige bei einem Wechsel von einer Gruppe in die andere nicht ihren Bezugsbetreuer "mitnehmen" konnten. Schließlich sollten Jugendliche wie J 16 gemäß Planung Einzelbetreuer haben, die sich aber nicht vollständig um ihren Schützling kümmern konnten, weil sie wegen der hohen Krankenstände im normalen Gruppendienst eingesetzt werden mussten. Die Jugendlichenakten zeigten, dass einigen Jugendlichen während ihres Aufenthaltes mehrere Bezugsbetreuer zugeordnet waren, wodurch die in der Praxis nicht erfolgreiche Betreuungskontinuität belegt wird.

Die geplante Dauer von einem Jahr Betreuung war angemessen, die tatsächliche Aufenthaltsdauer war aber häufig zu kurz, um eine nachhaltige Einwirkung zu ermöglichen. Vorgesehen ist eine einjährige Unterbringung, um die Minderjährigen zunächst überhaupt pädagogisch zu erreichen und sie dann so weit sozial zu stabilisieren, dass sie Beziehungen zu anderen Menschen, insbesondere ihrer Familie und, soweit erforderlich, ambulanten Betreuern leben und für sich nutzen können sowie nicht in alte, kriminelle Verhaltensmuster zurückzufallen. Die GUF hatte jedoch keinen Einfluss auf die Unterbringungsdauer; diese beruhte auf der restriktiven Einweisungspraxis der Familiengerichte.

­ Wird die Betreuung den Anforderungen einer Erziehungseinrichtung der Jugendhilfe stets in vollem Umfang gerecht?

Diese Frage ist sehr weit gefasst. In der Vorfrage war zu prüfen, ob die Betreuung immer den pädagogischen Erfordernissen der Minderjährigen entsprach. Daher wird die obige Frage so verstanden, dass nicht noch einmal nach den pädagogischen Erfordernissen gefragt wird, sondern vielmehr nach den nicht-pädagogischen Eckpunkten der Betreuung in der GUF unter Zugrundelegung der allgemeinen Anforderungen an eine Erziehungseinrichtung der Jugendhilfe.

Eine Jugendhilfeeinrichtung soll Jugendliche fördern und auf der Grundlage pädagogischer Erkenntnisse betreuen.

Dem gemäß liegt der GUF, ebenso wie anderen Geschlossenen Unterbringungen in Deutschland, nach dem Senatskonzept die Zielsetzung der individuellen Betreuung und Förderung der persönlichen Entwicklung der Jugendlichen zugrunde.

Die individuelle Betreuung wurde durch die 1 : 1,2-Betreuung dargestellt.

Die Förderung der persönlichen Entwicklung ergibt sich aus dieser engen Betreuung, die auf den Entwicklungsstand des jeweiligen Betreuten abstellt. Die umfassenden Angebote der GUF hatten den Charakter einer sehr intensiven Jugendhilfe und nicht einer "Verwahranstalt". Die Minderjährigen wurden intensiv betreut nach pädagogischem Ansatz.

Der Tagesablauf ist sehr detailliert vorgegeben und beschäftigt die Minderjährigen mit Schule, diversen Projekten, Haushaltsaufgaben, Freizeitaktivitäten und pädagogischen Gesprächen den ganzen Tag. An den Wochenenden finden auch gemeinsame 64 vgl. Schreiben von Andreas Mecke an Dr. Dirk Bange v. 4. August 2004, Akte A 3. siehe Abschnitt VII. 1.5.1.1.

Aktivitäten außerhalb der GUF statt. Damit ist die gestellte Frage hinsichtlich der konzeptionellen Vorgaben zu bejahen.

Ein Kritikpunkt war auch die angeblich fehlende Unterstützung der Einrichtungsleitung.

Diese Kritik wurde von dem vernommenen Personalratsmitglied geäußert. Dem schlossen sich vereinzelte Mitarbeiter an.

Eine Auswirkung dieser subjektiven Wahrnehmungen auf die konzeptionelle Arbeit der GUF konnte nicht festgestellt werden, Dies muss umso mehr gelten, als die Mehrzahl der sich beschwerenden Mitarbeiter die Arbeit des stellvertretenden Einrichtungsleiters als unterstützend empfunden haben.

Ein Kritikpunkt ist die fehlende Unterstützung der Betreuer durch die Einrichtungsleitung. Eine ausreichende Unterstützung ist von erheblicher Relevanz, denn sie hat starken Einfluss auf das Betriebsklima. Dieses hat ausreichend gut zu sein, um die Betreuung und Erziehung der Minderjährigen nicht in den Hintergrund treten zu lassen, anderenfalls wäre die Betriebserlaubnis zu versagen bzw. zu widerrufen, vgl. V. 3.5.1. Der Personalrat Andreas Mecke erläuterte zu Beschwerden der GUFMitarbeiter: "Es ging bei den Beschwerden, die mir erinnerlich und bekannt sind, immer darum, dass es Situationen waren, die besonderen psychischen Stress ausgelöst haben. Auch wenn sie u. a. vielleicht zu körperlichen Verletzungen geführt haben, war Gegenstand der Beschwerde eigentlich in jedem Fall die besondere psychische Belastung und die Situation, sich in der Krisensituation, in der man agiert hat und die dann eingetreten ist, sich allein gelassen gefühlt zu haben oder allein gelassen gewesen zu sein, und zielten immer darauf, dass das Leitungshandeln in diesen Situationen nicht genügend unterstützend war." und weiter:

"Es ging in der Regel darum, dass sich in Krisensituationen ­ dass hatte ich schon ein paar Mal gesagt ­ alleine gelassen zu fühlen. Das geht bis hin, dass mir geschildert worden ist, dass in Krisensituationen Notrufe an die Leitung, die zwar in der Geschlossenen Unterbringung untergebracht ist aber nicht in den Betreuungsräumen ist, sondern von den Betreuungsräumen durch einige Türen getrennt sitzt, dass die Leitung, wenn gesagt wird: "Mensch, wir brauchen Unterstützung. Können Sie nicht mal runterkommen und uns unterstützen?" gesagt worden ist: "Ich kann im Moment nicht kommen, ich habe Wichtigeres zu tun." Also, allein gelassen in dieser Richtung. Oder auch wenn hinterher, nachdem besonders kritische Situationen erlebt worden sind, die Leitung sich nicht gebührend fürsorglich um die Beschäftigten gekümmert hat." Andreas Mecke konnte sich an mindestens zwölf Mitarbeiter erinnern, die sich über die fehlende Unterstützung durch Wolfgang Weylandt beschwert hatten, während die Arbeit von Jörg Sonntag überwiegend als unterstützend empfunden wurde.

Die Gesamtzahl der erfolgten Beschwerden wurde als außergewöhnlich hoch empfunden.

Die für die Einrichtung der GUF gewählten Räumlichkeiten wurden nach überwiegender und nachvollziehbarer Meinung nur als beschränkt oder sogar nicht geeignet für die Umsetzung des pädagogischen Konzeptes erachtet. Insbesondere vor den Erweiterungsmaßnahmen wirkten die kaum vorhandenen Möglichkeiten, räumlichen Abstand zu halten oder ins Freie zu gelangen, Stress fördernd. Die Enge der Räumlichkeiten wurde von mehreren Mitarbeitern bemängelt.

Vernehmungsprotokoll v. 29. Juni 2007, S. 52. a. a. O., S. 61.

Vernehmungsprotokoll v. 29. Juni 2007, S. 75. a. a. O., S. 68 a. a. O., S. 71 vgl. Vernehmungsprotokoll Andreas Mecke v. 29. Juni 2007, S. 55.

Die Vertreterin der Heimaufsicht, Barbara Eltner hat jedoch ausgesagt, dass die räumlichen Verhältnisse der GUF allen gesetzlichen Vorgaben entsprachen und nicht zu beanstanden waren. Vor dem Hintergrund der geringen Belegungszahlen erscheint es auch sachgerecht, dass Staatsrat Klaus Meister von einem Neubau-Projekt zum damaligen Zeitpunkt Abstand nahm.

­ Inwieweit findet schulische und berufliche Bildung statt?

Schulische Bildung findet statt. In der GUF sind Lehrer tätig, die die Minderjährigen vormittags jeweils vier Stunden (berufsschulpflichtige Schüler laut Planung nur zwei Stunden) unterrichten. Drei der vier Stunden wird Grundwissen entsprechend dem Entwicklungsstand der Minderjährigen erteilt, eine Stunde wird als Kreativstunde genutzt (Basteln, Musik, Film, Sport, Computer, Kochen). Der Unterricht erfolgt in Kleingruppen von maximal sechs Schülern pro Gruppe oder als Einzelunterricht. Für Schüler, die aufgrund ihrer Problemlagen normalem Schulunterricht nicht gewachsen sind, wird kein Gruppen- oder Frontalunterricht mehr angeboten, sondern die Minderjährigen sollen, um ihre Ablehnung gegenüber ihre Schwächen bloßstellenden Unterrichtsformen abzubauen, Einzelaufgaben in Stillarbeit erledigen. Eine Leistungsüberprüfung soll durch Klassenarbeiten erfolgen, die nach den Kriterien der zukünftigen Außenschule entsprechen soll. Zu den Details der Beschulung, insbesondere dem Beschulungs-Phasenmodell siehe VI. 2.2.

Die Minderjährigen haben überwiegend erhebliche Leistungsdefizite gegenüber durchschnittlichen Gleichaltrigen bis hin zu Analphabetismus. Viele von ihnen gingen vor dem Aufenthalt in der GUF länger nicht regelmäßig zur Schule. Häufige weitere Probleme waren Hyperaktivität, Borderline-Persönlichkeitsstörung, ADS und medikamentös bedingte Konzentrationsschwächen. Der zunächst auf drei Stunden angelegte Unterricht erschien angesichts der begrenzten Aufnahmefähigkeit der Minderjährigen angemessen.

Zu bemängeln ist in diesem Zusammenhang, dass erst gut einen Monat nach Aufnahme des ersten Jugendlichen eine Lehrkraft für dessen Beschulung der GUF zur Verfügung gestellt wurde. So mussten dieser und der zweite aufgenommene Jugendliche über Wochen von den Sozialpädagogen unterrichtet werden. Darüber hinaus wäre zu wünschen gewesen, dass die Minderjährigen von Anfang an durch erfahrene Sonderschulpädagogen unterrichtet worden wären und nicht teilweise durch Lehramtsstudenten.

Berufliche Bildung findet innerhalb der GUF nicht statt. Dies wurde auch nie angeboten und wäre nie leistbar. Bedingung wäre zum einen eine berufsschulähnliche Beschulung, für die den in der GUF aufgenommenen Minderjährigen die Grundkenntnisse fehlten. Zum anderen wären die in der GUF aufgenommenen Minderjährigen gezwungen, alle denselben Beruf zu erlernen, weil für die geringe Zahl der in der GUF untergebrachten Minderjährigen nicht verschiedene Ausbildungen angeboten werden könnten, also diese ohnehin schon schwer belasteten jungen Menschen auch noch in einen Beruf gezwängt würden, den sie sich nicht ausgesucht hätten. Ein Verstoß gegen die grundgesetzlich garantierte freie Berufswahl hätte im Raume gestanden.

Vorrangiges Argument ist aber, dass jede Form von strukturierter beruflicher Bildung eine längere Zeit dauert. Zwar sollen die Minderjährigen nach dem Konzept idealerweise ein Jahr untergebracht sein, jedoch erhielten die meisten im Untersuchungszeitraum Betreuten jeweils nur über einen wesentlich kürzeren Zeitraum laufende Unterbringungserlaubnisse. Dies ermöglichte keine längerfristigen Planungen hinsichtlich einer Berufsausbildung.

Allerdings werden in der GUF durch die diversen Interessengruppen die Fähigkeiten der Minderjährigen in verschiedenen Bereichen gefördert. Sowohl in der vierten Unterrichtsstunde als auch in der sogenannten Aktivzeit am Nachmittag werden handwerkliche und andere Kenntnisse vermittelt, die eine spätere Berufswahl erleichtern können. All diese Angebote gehen weit über das hinaus, was einem nicht untergebrachten Minderjährigen an Förderung zukommt. Soweit der GUF-Aufenthalt regulär endet, wird mit dem Minderjährigen seine schulische oder berufliche nähere Zukunft in Rahmen der Anschlussbetreuung anhand der während der Unterbringung erkannten Nei320