So deutlich die Dienstanweisungen waren so schwer war es diese Weisungen einzuhalten

Fixieren, nach Absprache mit dem Pädagogen.

Für Konfliktsituationen galt: Erst wenn alle Mittel durch den Pädagogen ausgeschöpft sind, darf der SicherheitsdienstMitarbeiter zum Einsatz kommen.

So deutlich die Dienstanweisungen waren, so schwer war es, diese Weisungen einzuhalten. Probleme gab es in der Praxis nicht nur, weil es in eskalierenden Situationen oftmals sehr schnell gehen musste, sondern auch, weil nicht in jedem Falle ein Pädagoge überhaupt anwesend war. Der Arbeitsstab hat in seinem Vermerk 25 festgestellt, dass Sicherheitsdienst-Mitarbeiter einen 13-Jährigen zwei Mal mit Klettbändern fixierten, ohne dass die Akten einen Anhaltspunkt geben, dass ein Pädagoge dies angewiesen oder auch nur in der Nähe war.

Darüber hinaus gab es acht Situationen, in denen Sicherheitsdienst-Mitarbeiter ohne sicher festzustellende Anwesenheit von Pädagogen Minderjährige zu Boden brachten oder mit Haltegriffen fixierten.

Ob dieses Vorgehen in allen Fällen von einem Notwehrrecht abgedeckt war, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen; deutlich macht es allerdings, dass SicherheitsdienstMitarbeiter in kritischen Situationen mit Minderjährigen allein waren und ohne pädagogische Leitung und Unterstützung agieren mussten. Besonders kritisch zu sehen ist dies im Falle des sehr schwierigen Minderjährigen J 16, für den die Psychologin der Einrichtung die klare Weisung gegeben hatte, ihn möglichst nicht zu fixieren.

Er wurde von Sicherheitsdienst-Mitarbeitern binnen sechs Wochen zweimal mit Klettbändern gefesselt, zweimal zu Boden gebracht und mit Haltegriffen fixier 65

Der Sicherheitsdienst hat darüber hinaus zumindest in einem Falle zweifelsfrei die Grenzen der Nacheile überschritten. So ist ein entwichener Jugendlicher von zwei Mitarbeitern unter der Ansage "kommst du freiwillig mit oder sollen wir dich fixieren?" dazu gebracht worden, in das Auto des Sicherheitsdienst-Mitarbeiters zu steigen und sich zur Einrichtung zurückbringen zu lassen.

Die CDU-Mehrheit im Ausschuss hat diese klare Feststellung und die Belege zu diesem Sachverhalt allerdings aus der Darstellung im Abschlussbericht des PUA gestrichen.

Ebd., Seite 8.

Arbeitsstabvermerk Nr. 25, Seite 3, Vorkommnisse am 17. und 20. Juli 2004.

"Jugendlicher wurde von mir zu Boden gebracht und fixiert, im Anschluss auf Zimmer gebracht. Es liegen keine Anhaltspunkte für die Anwesenheit eines GUF-Mitarbeiters vor.

(...) S. wurde von M. und mir zu Boden gebracht und fixiert. Herr M. ist Mitarbeiter von Securitas. Es liegen keine Anhaltspunkte für die Anwesenheit eines GUF-Mitarbeiters vor.

(...) 9.00 Uhr, D. beleidigt MA R. und greift ihn unmittelbar darauf mit Fußtritten und Schlägen. D. wird von S. und mir fixiert bis er ruhig ist. Herr S. und Herr R. sind Mitarbeiter von Securitas, es liegen ansonsten keine Erkenntnisse vor, ob ein GUF-Mitarbeiter anwesend war. (...) D. drehte durch und bewirft Herrn K. mit einem Schuh. Danach versuchte er mich zu treten und wurde dann von mir zu Boden gebracht und fixiert. Nach 10 Minuten hatte D. sich wieder beruhigt und versprach Besserung. Herr K. ist Securitas-Mitarbeiter, es liegen keine Anhaltspunkte für die Anwesenheit eines GUF-Mitarbeiters vor. (...) E. und J. müssen fixiert werden nach Auseinandersetzung. Es liegen keine Anhaltspunkte für die Anwesenheit eines GUF-Mitarbeiters vor. (...) Ich fixierte J. mit Hr. H. Es liegen keine Anhaltspunkte für die Anwesenheit eines GUF-Mitarbeiters vor." (vergleiche Arbeitsstabvermerk Nr. 25) "D. wird fixiert, nachdem er versucht hat R. und im Anschluss K. anzugreifen. Es liegen keine Anhaltspunkte für die Anwesenheit eines GUF-Mitarbeiters vor." (vergleiche Arbeitsstabvermerk Nr. 25 a). 64 Vermerk der Psychologin vom 18.06.2004: "Im Falle von delinquenten Verhalten von J 16 ist unbedingt auf eine Fixierung des JU zu verzichten. In diesem Kontext soll auf ausreichenden Abstand von JU und Betreuer geachtet werden. Sollte der JU trotzdem angefasst werden müssen, ist unbedingt die körperliche Unversehrtheit des JU zu gewährleisten." (in C-4-19). 65 Arbeitsstabbericht Nr. 25 u. 25a, Vorkommnisse am 17.07.2004, 20.07.2004, 26.08. und 02.09.2004.

Siehe Wortprotokoll 18/49 vom 06.07.2007, Seite 72.

Mit dem CDU-Änderungsantrag Nr. 57 wurde folgender Text, den der Arbeitsstab für den Abschlussbericht formuliert hatte, gestrichen: "Ein besonders augenfälliges Beispiel stellt die Rückführung des entwichenen Jugendlichen J 17 vom 8. Dezember 2004 dar. Am 6. Dezember 2004 hatte ein SicherheitsdienstMitarbeiter in der Einrichtung die Frühschicht übernommen. Er legte den Schlüssel auf einen Schreibtisch im Securitas-Büro. Der Schlüssel wurde nicht, wie vorgesehen, an den diensthabenden Sozialpädagogen übergeben, damit dieser ihn in den Schlüsselkasten

Das Dienstbuch des Sicherheitsdienstes legt einen weiteren Fall nahe. Darin wird beschrieben, dass die Mutter eines weggelaufenen Jugendlichen nachts in der GUF anrief und berichtete, dass ihr Sohn noch in der Nacht zu ihr kommen wolle und man ihn doch abholen solle ­ allerdings nicht mit der Polizei, weil sie Sorge habe, dass er dann vom Balkon springe und sich verletze. Daraufhin schickte der diensttuende Sicherheitsdienst-Mitarbeiter nach telefonischer Rücksprache mit der Psychologin des Heims zwei seiner Kollegen zur Wohnung der Mutter. Zum weiteren Sachverhalt heißt es in den Notizen: "MA X hat angerufen, dass J 24 über den Balkon geflohen ist, dass sie ihn aber stellen konnten und in ca. 30-45 Minuten in der GUF eintreffen werden."

Ein Pädagoge taucht in den Aufzeichnungen nicht auf; ob der Jugendliche freiwillig mitkam, ist zumindest zweifelhaft.

Rechtlich fragwürdig war auch das Anlegen von Klettbändern und sogar Handschellen bei den Arztbesuchen von Minderjährigen.

Psychopharmaka ohne ausreichende Beratung und Einverständniserklärungen Zehn Minderjährige in der GUF haben während des Untersuchungszeitraums Psychopharmaka erhalten, dass entspricht 40 Prozent der dort Untergebrachten. Dies ist einschließt. Der Schlüssel wurde sodann von einem der Jugendlichen mitgenommen. Beide Jugendliche ergriffen schließlich die Flucht. In der Einrichtung wurden daraufhin sämtliche Schlösser der Außentüren gegen neue Schlösser ausgetauscht.

Die anschließende Rückführung des Jugendlichen erfolgte sodann durch zwei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes. Einer der beiden äußert sich zu diesem Hergang in seiner Vernehmung: Um einer Regresshaftung der Firma Securitas zu entgehen, habe er sich zusammen mit seinem Kollegen an deren arbeitsfreiem Tag auf eigene Initiative in einen bestimmten Stadtteil begeben, zunächst um den entwendeten Schlüssel wieder zu erlangen.

Ihm sei bewusst gewesen, dass der Jugendliche in seiner unmittelbaren Nachbarschaft bei dessen Mutter wohnte. Dort habe er mit seinem Kollegen gemeinsam Ausschau nach dem Jugendlichen gehalten.

Nach einer Zeit hätten sie ihn entdeckt, während er mit seinem Fahrrad die Gegend befuhr. Es sei ihnen schließlich gelungen, den Jugendlichen auf seinem Fahrrad zu stellen.

Der eine Securitas-Mitarbeiter habe sich vor das Fahrrad gestellt und hielt das Lenkrad festgehalten, während der andere sich hinter den Jugendlichen gestellt habe, um einen Fluchtversuch zu unterbinden. Ersterer habe den Jugendlichen nach dem Schlüssel gefragt. Der Jugendliche habe erwidert, dieser befände sich bei dessen Mutter. Daraufhin habe er seine Mutter angerufen, die nach ca. einer Stunde den Schlüssel an den Securitas-Mitarbeiter ausgehändigt habe, während der Jugendliche von den Mitarbeitern in das Auto gesetzt worden sei. Hiernach habe der Jugendliche wörtlich entgegnet: "Ihr habt ja den Schlüssel, lasst mich doch laufen, lasst mich doch laufen." Die Mitarbeiter hätten hierauf geantwortet: "Nein, das können wir nicht machen. Kommst du freiwillig mit oder sollen wir dich fixieren?" Dann habe der Jugendliche gesagt, "Okay, bevor ihr das macht, setze ich mich ins Auto". Anschließend führte der Securitas-Mitarbeiter in seiner Vernehmung aus: "Ja, er meinte auch, er ist zu müde, hat da keinen Bock mehr drauf. Seine Mutter geht ihm wohl auf dem Keks, hat er mir gesagt, und er will seine kleinen Geschwister nicht in Gefahr bringen oder wenn jetzt wieder die Polizei auftaucht, wie es schon so oft war, kommt er lieber freiwillig mit". Erneut haben die Mitarbeiter den Jugendlichen ins Auto gesetzt. Auf Nachfrage, ob der Jugendliche freiwillig sich ins Auto begeben habe, antwortete der Securitas-Bedienstete: "Also, er hat mich auf jeden Fall angespuckt. Ich weiß jetzt nicht, ob da schon im Auto oder war das später, wo seine Mutter da war. Das weiß ich jetzt mehr so genau. Auf jeden Fall hat er mich angespuckt. Wir haben ihn gefragt, möchte er friedlich mitkommen oder sollen wir ihn fixieren. Und dann hat er gesagt, nein, er kommt freiwillig mit. Da wir wussten, dass er sehr aggressiv ist, aus dem Heim her, ist er nachher mit hinten eingestiegen, weil: "Wenn ich vorne sitze und der mir in den Rücken knallt, da habe ich keinen Bock drauf."

Dieser von dem Securitas-Mitarbeiter in seiner Vernehmung geschilderte Ablauf markiert einen offenkundigen Verstoß gegen Ziffer 6 der Securitas-Dienstanweisung Teil 1. Die Begrenzung der Maßnahmen der Sicherheitsdienst-Mitarbeiter bei Fluchtversuchen auf die Nacheile wurden in diesem Fall deutlich überschritten." 68 Dienstbuch Sicherheitsdienst, Eintrag vom 11.03.2004.

Übergabebuch Gruppe 2, 2003, Einträge u.a. am 9. August, 26. August, 1. September, 11. September, in: BSF -7.

Bernzen, Seite 167. für eine Jugendhilfeeinrichtung ein sehr ungewöhnlicher Umstand.

Bei neun Minderjährigen begann die Medikation in der GUF, ein Jugendlicher wurde schon mit Psychopharmaka behandelt bevor er in die Einrichtung kam.

Je dichter die Einrichtung belegt war, umso häufiger wurden Psychopharmaka verschrieben.

Die Verabreichung von Psychopharmaka muss mit einer Aufklärung der Sorgeberechtigten oder den einwilligungsfähigen Jugendlichen durch den Arzt verbunden sein sowie mit einer für das Medikament festgelegten Einwilligungserklärung derselben.

Der Arbeitsstab stellt fest: "Insgesamt ist zu bemerken, dass in den Akten keine Hinweise auf die Untersuchung der Einwilligungsfähigkeit der Minderjährigen und nur zum Teil Einwilligungen von Sorgeberechtigten vorliegen, wobei diese Einwilligungen bei fehlender ärztlicher Aufklärung ­ die Aufklärung durch die betreuende Psychologin war unzureichend ­ nicht wirksam war."

Dem Senat waren auf Nachfrage der CDU nur drei weitere Jugendhilfeeinrichtungen bekannt, in denen Psychopharmaka verabreicht wurden (Stand September 2005): der Margarethenhort für psychisch kranke Jugendliche, eine Wohngruppe des Rauhen Hauses, in dem die Medikamente ausgeschlichen wurden, und eine Wohngruppe des LEB (Drs. 18/2793, Seite 23).

Im einzelnen führt der Vermerk aus (weitergehende Erkenntnisse aus dem Arbeitsstabvermerk Nr. 51 oder den Jugendlichenordnern finden sich in Klammern dahinter): J 20: "Hinweise auf die Aufklärung und eine Einwilligung des Sorgeberechtigten sind aus der Akte nicht gegeben", Seite 1.

J 17: Einverständniserklärung der Mutter für Risperdal. Aber eine Aufklärung der Mutter durch den Arzt ist aus den Akten nicht ersichtlich, sie wurde von Frau Weber über das Medikament informiert. Keine Einverständniserklärung für Truxal. J 17 bekommt auch Truxal-Saft, regelmäßig im Dezember und Januar 2004 u. bei Bedarf, Seite 2. (Siehe auch Arbeitsstabvermerk Nr. 51, Mündliche Einverständniserklärung des Jugendlichen am 11.06.2004, nicht deutlich, für welches Medikament.) J 16: Die gesundheitssorgeberechtigte Pflegerin willigt pünktlich ein zur Vergabe von Risperdal. Aber eine ärztliche Aufklärung durch den Arzt ist in den Akten nicht zu finden.

Es findet sich keine Einwilligung für Truxal. Truxal wurde vom Februar bis zum April 2005 vergeben, Seite 4.

J 09: "Keine schriftliche Einwilligung. Vermerk, dass am 11.06.2004 in Absprache mit X [dem Vater] Risperdal verschrieben wurde". Mündliche Absprache erfolgte vor Vergabe des Medikamentes. Eine Aufklärung des Vaters wird aus den Akten nicht ersichtlich und für das zwei Tage lang verschriebene Psychopharmakon Neurocil lag keine Einwilligung vor, Seite 5.

J 24: Die einzige Einwilligung, die in den Akten enthalten ist, betrifft eine allgemeine Untersuchung des Gesundheitszustandes durch einen Psychiater. Allerdings war die Medikation zuvor schon in stationärer Behandlung durchgeführt worden, Seite 6. (Undatierte Einwilligungserklärung nachgereicht, vergleiche Arbeitsstabvermerk Nr. 51.) J 06: Einverständniserklärung der Vormünderin für Risperdal, nachdem das Medikament bereits 8 Tage eingenommen worden war. Aufgeklärt über das Medikament wurde sie durch die Psychologin, Seite 8.

J 07: "Keine Einwilligung in den Akten enthalten. Jedoch hat J 07 geäußert, dass er die Psychopharmaka einnehmen will. Dies könnte ein Hinweis auf eine Einwilligung sein." "Ein Hinweis auf eine Aufklärung über die möglichen Nebenwirkungen ist in den Akten nicht enthalten." Er erhielt Psychopharmaka vom 3. Februar bis zum Ende des Untersuchungszeitraums, Seite 9.

J 03: Eine Einwilligung der Mutter, damals nicht gesundheitssorgeberechtigt, liegt in den Akten des Arztes vor (vergleiche Arbeitsstabvermerk Nr. 51). Zustimmung der Gesundheitssorgeberechtigten Vormünderin am 17.06.2004. Eine Aufklärung durch den Arzt ist in den Akten nicht ersichtlich. Der Jugendliche hatte das Medikament seit seiner Einweisung im Dezember 2003 bekommen, die Vergabe wurde im März durch seine Flucht unterbrochen. Nach Aktenlage hat der Jugendliche das Medikament für drei bis vier Monate ohne Einwilligung der gesundheitssorgeberechtigten Person bekommen (Vermerk vom 17.05.2004 vom Jugendlichen unterschrieben, in Akte BSF C-4-11).