Gen-Phantombild

Schließlich ist in den geprüften Fällen retrograder Erfassung eine Einwilligung in die molekulargenetische Untersuchung entbehrlich und irreführend, weil sie nur bei vorliegen einer entsprechenden Prognose durch den Richter angeordnet werden kann. Zwar lag in allen geprüften Fällen vor Durchführung der DNA-Analyse eine richterliche Entscheidung vor, um aber Missverständnisse zu vermeiden, sollte auf sie ganz verzichtet werden. Das Formular ist daher insoweit umfassend zu überarbeiten.

In Bremen werden auch aktuell molekular-genetische Untersuchungen in vielen Fällen an die KTU (Kriminaltechnische Untersuchungsstelle) vergeben. § 81 f Abs. 2 bestimmt, dass mit der Durchführung der Untersuchung nur solche Sachverständigen zu beauftragen sind, die der ermittlungsführenden Behörde nicht angehören oder einer Organisationseinheit angehören, die von der Ermittlung führenden Dienststelle organisatorisch und sachlich getrennt ist. Alle ermittlungsführenden Kommissariate und die KTU unterstehen der gleichen Polizeidirektion.

Unter Zugrundelegung des materiellen Behördenbegriffs bestehen daher Bedenken, ob der genannten Vorschrift in ausreichenden Maße Rechnung getragen wird.

Ich habe hierzu um Stellungnahme gebeten.

Die in § 81 f Abs. 2 S. 3 gesetzlich angeordnete Anonymisierung des zu untersuchenden Materials soll dadurch erreicht werden, dass die Speichelproben zusammen mit einem Meldebogen an die KTU geben werden, aus dem die Identität der Betroffenen nicht ersichtlich ist. In der Praxis soll es schon vorgekommen sein, dass vollständig ausgefüllte Meldebogen bei der KTU eingegangen sind. Diese habe darauf nach eigenem Bekunden den Meldebogen mit Probe unbearbeitet an die einreichende Dienststelle zurückgegeben. Solche Fehler mögen bei dauerhafter Einübung nicht wieder auftreten, sind aber im Verfahren angelegt. Ich habe daher verfahrenstechnische Vorschläge zur Verbesserung und zur Vermeidung entsprechender Fehler gemacht.

Meinen Prüfbericht habe ich erst Anfang 2001 der Polizei Bremen zugeleitet. Eine Stellungnahme konnte daher nicht erwartet und auch nicht berücksichtigt werden.

Gen-Phantombild:

Der Presse war zu entnehmen, dass sich das Bundeskriminalamt für ein neuentwikkeltes Verfahren der DNA-Analyse interessiere, das genetische Merkmale von ethnischen Bevölkerungsgruppen herausfiltern kann. Da ich davon ausgehe, dass die DNA-Analyse lediglich im nichtkodierenden Bereich für Zwecke der Strafverfolgung zum Einsatz kommen soll, hatte ich Zweifel ob dieser Ansatz bei den fraglichen Verfahren noch gewährleistet sei. Ich bat daher den um Aufklärung. Dieser wandte sich an das BKA und berichtete, dass das BKA mitgeteilt habe, die Anzahl entsprechender Studien sei derzeit noch zu gering, um die Wertigkeit für den Ermittlungsbereich definieren zu können.

Videoüberwachung:

Die technische Entwicklung im Bereich der Videoüberwachung und -aufzeichnung macht so rasante Fortschritte, wie es kaum vorstellbar ist. Dabei denken die meisten Bürger bei dem Begriff Videoüberwachung an die Technik, die Ihre private Videokamera zur Aufzeichnung familiärer Ereignisse mitbringt. Moderne Videokameras mit hochauflösender Optik, verbunden mit Computern und Datenübertragungsnetzen sind mit nichten hiermit vergleichbar. Die Videoüberwachung wird für die unterschiedlichsten Zwecke und Aufgabenfelder verwendet. Dementsprechend vielfältig und groß sind auch die sich daraus ergebenden Gefahren und Risiken für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Ein weitgehend technisch unbeobachteter Aufenthalt in der Öffentlichkeit muss erhalten bleiben. Deshalb ist eine intensive Videoüberwachung der Öffentlichkeit, wie es einige Gemeinden in England praktizieren, abzulehnen. Videoüberwachung darf nicht flächendeckend und allgegenwärtig eingesetzt werden. Auch ein zeitlich unbegrenzter Einsatz ohne regelmäßige Erforderlichkeitsprüfung ist abzulehnen.

Der Schutz der Freiheitsrechte erfordert überdies, dass heimliches Aufzeichnen und unbefugte Weitergabe oder Verbreitung von Aufnahmen ebenso strafbewehrt sein müssen wie der Missbrauch videotechnisch gewonnener Daten.

Die Voraussetzungen einer Videoüberwachung und der mit ihr verfolgte Zweck müssen eindeutig bestimmt werden. Die Videoüberwachung ist für die Betroffenen durch entsprechende Hinweise erkennbar zu machen. Bildaufzeichnungen sind nur zulässig, wenn und solange sie zum Erreichen des verfolgten Zweckes unverzichtbar sind. Die Aufzeichnungen sind unverzüglich zu löschen, wenn sie hierzu nicht mehr erforderlich sind oder überwiegende schutzwürdige Belange von Betroffenen entgegenstehen. Werden die Aufnahmen einer bestimmten Person zugeordnet, ist diese zu benachrichtigen, sobald der Zweck der Speicherung dadurch nicht gefährdet wird. Die Chancen, die die modernen Technologien für die Umsetzung dieser Grundsätze, insbesondere für die Reduzierung auf tatsächlich erforderliche Daten bieten, sind zu nutzen.

Auch die einschlägige Rechtsprechung sieht die Videoüberwachung grundsätzlich als einen Eingriff in das von Art. 2 GG verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht. Sie kommt zum Tragen, wenn auf den Bildern einzelne Personen zu erkennen sind oder die Bilder Rückschlüsse auf sachliche oder persönliche Verhältnisse natürlicher Personen erlauben (z. B. Kfz-Kennzeichen). Der staatliche Eingriff in dieses Recht bedarf daher in jedem Fall einer gesetzlichen Grundlage.

Dies gilt auch, wenn eine Videoüberwachung ohne Aufzeichnung erfolgt. Die Betroffenen können nämlich regelmäßig nicht erkennen, ob es sich um eine Videoüberwachung mit oder ohne Aufzeichnung handelt. Die Rechtsprechung geht bei dieser Lage davon aus, dass die Betroffenen in ihrem natürlichen Verhalten beeinträchtigt werden und sich wie bei einer Videospeicherung verhalten.

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sahen sich angesichts der massiven politischen Diskussion über die Einführung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum für polizeilichen Zwecke genötigt, an diese Grundsätze zu erinnern. Dabei entwickelt sich eine Debatte gelegentlich so, dass nicht mehr die Befürworter eines Eingriffs in Grundrechte den Beweis antreten müssen warum massive technikunterstützte Eingriffe in Grundrechte erforderlich sind, sondern dass die Verteidiger von Grundrechten wie Bürgerrechtler und Datenschützer begründen müssen, worin die Gefahren der Videoüberwachung liegen könnten. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben ihre kritische Position zur Einführung der Videoüberwachung in einem Beschluss (vgl. Ziff. 17.1. in diesem Bericht) bekräftigt. Darüber hinaus wurde im November 2000 eine Konferenz zu den Grenzen und Risiken der Videoüberwachung in Schwerin durchgeführt. Die Ergebnisse hat der dortige Landesbeauftragte für den Datenschutz in einer Broschüre zusammengefasst.

Einsatzverwaltungs- und Lagebilddatei der Polizei Bremen:

Durch einen Hinweis habe ich von dem geplanten Einsatz einer Einsatzverwaltungs- und Lagebilddatei (ELPOL) erfahren. Auf Nachfrage hat mich die Polizei über den geplanten Einsatz informiert, mir die als Excel97-Anwendung eigenprogrammierte Software vorgeführt und mir die Errichtungsanordnung gemäß § 36 Bremischen Polizeigesetz, Dienstanweisung sowie Programmbeschreibung zur Stellungnahme vorgelegt.

ELPOL soll das bisherige Tagebuch auf den Revieren ablösen und die Daten aller Vorgänge einer Wache enthalten. Der Einsatz von ELPOL ist bis zur flächendeckenden Einführung eines landesweiten Vorgangsbearbeitungssystems vorgesehen. Es werden u. a. folgende Datenfelder erfasst: Registriernummer, Dienstnummer und die Dienstgruppe des zuständigen Beamten, Angaben zu Tatort, -zeit und Daten für statistische Zwecke. Die komprimierten Daten jeder Wache werden täglich per Mail über CISCO-Router verschlüsselt an die zuständige Polizeiinspektion übermittelt und dort zusammengeführt.

Nach Durchsicht der übermittelten Konzepte habe ich neben einigen redaktionellen Änderungen meine Empfehlungen mitgeteilt. So sollte die nicht vorgesehene Teilauswertung der Registriernummer nicht nur organisatorisch, sondern auch technisch unterbunden werden, um eine Auswertung nach Dienstnummer bzw. -gruppe nicht zu ermöglichen. Für Abfragen sollte ein Passwortschutz programmtechnisch umgesetzt werden. Eine verbindliche Festlegung von möglichen Auswertungen und der dazu berechtigten Personen sowie die Definition von Löschfristen sollen in das Konzept aufgenommen werden.

Bezüglich der möglichen Auswertungen hat die Polizei erklärt, in nächster Zeit einen abschließenden Katalog zu erarbeiten und ein Verfahren für anlassbezogene Auswertungen vorzuschlagen. Da die Aufbewahrung der Daten fünf Jahre beträgt, das Programm aber nur für einen Zeitraum von ca. zwei bis drei Jahren als Zwischenlösung eingesetzt werden soll, sind keine Löschfristen definiert worden, da nicht abzusehen ist, ob der derzeitige Datenbestand in das Vorgangsbearbeitungssystem übernommen werden kann. Für das dann vorgesehene Vorgangsbearbeitungssystem soll ein automatisiertes Löschverfahren umgesetzt werden.

Ansonsten sind meine Anregungen umgesetzt und in die entsprechenden Unterlagen eingearbeitet worden.

Zugriffsprotokollierung bei der Polizei:

Im Jahr 1998 (vgl. 20. JB, Ziff. 12.4.) habe ich über das Ergebnis einer Überprüfung der Speicherungspraxis für die Protokolldaten des Verfahrens ISA-D (Informationssystem Anzeigen Dezentral) berichtet. Auf der Festplatte waren alle seit Einsatz des Verfahrens erhobenen Protokolldaten im Jahre 1993 gespeichert. Inzwischen sind alle Protokolldaten, die älter als sechs Monate sind auf der Festplatte gelöscht. Die Einhaltung der Löschfrist von sechs Monaten wird durch den Einsatz einer automatisierten Routine sichergestellt. Die Daten der letzten zwei Jahre werden auf Magnetbändern gesichert und nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist durch Überspielen des Bandes gelöscht.

Problematisiert wurde damals die Aufbewahrung der Sicherungsbänder im Zuständigkeitsbereich der DV. Ich habe angeregt, die Sicherungsbänder bei dem behördlichen Datenschutzbeauftragten auszulagern und so die Einhaltung des zu gewährleisten. Die Polizei begründet die Lagerung der Sicherungsbänder im DV-Bereich damit, das im Falle eines Datenverlustes schnell auf den gesicherten Datenbestand zugegriffen werden kann. Die Einhaltung des Vier-Augen-Prinzips wird jetzt durch ein Antragsverfahren für die Auswertung des Datenbesstandes bei dem behördlichen Datenschutzbeauftragten gewährleistet.

Über durchgeführte Auswertungen wird ein Nachweis für die Einhaltung der Vorgaben erbracht. Ich habe dieses Verfahren akzeptiert.

INPOL-neu, die weitere Entwicklung:

Im Jahr 1999 (vgl. 21. JB, Ziff. 9.4.) habe ich die Umstrukturierung von INPOL-neu und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die polizeiliche Informationsverarbeitung im Lande Bremen dargelegt. Den Sachstand der Entwicklung habe ich letztes Jahr (vgl. 22. JB, Ziff. 6.2.2.) fortgeschrieben und über den Diskussionsstand zum Thema Auftragsdatenverarbeitung durch das BKA und die noch nicht erfolgte Stellungnahme des Bundesbeauftragten für den Datenschutz berichtet.

Im Berichtszeitraum habe ich mich zweimal über die Entwicklung und Umsetzung von INPOL-neu und über die Evaluation eines polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystems informiert.

Geplant ist jetzt eine auf vier Jahre begrenzte Landesdatenhaltung beim BKA. Das bedeutet, dass es beim BKA INPOL-neu Bund und INPOL-neu Land geben wird, wobei in INPOL-neu Land INPOL-relevante und sonstige Daten gespeichert werden sollen. Ob beim BKA eine strikte Trennung in zwei Datenbanken vorgesehen ist oder welche anderen technischen Lösungen angestrebt werden, ist noch nicht bekannt. Vorgesehen ist eine länderbezogene Abschottung der Daten, wobei über bilaterale Verträge die Einsicht in Daten anderer Länder möglich sein soll. Innerhalb dieser vier Jahre soll geprüft werden, ob eine Änderung des BKA-Gesetzes erfolgen soll.

Mitte des vergangenen Jahres wurde mir der Vertragsentwurf der Rahmenvereinbarung über die Auftragsdatenverarbeitung der Länder beim BKA ausgehändigt. Über den Rahmenvertrag und dessen Inhalte wird derzeit noch diskutiert.

Die in diesem Zusammenhang stehende Auftragsdatenverarbeitung durch das BKA: wurde vor der letzten Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder im Oktober 2000 durch eine Entschließung (vgl. Anlage, Ziff. 17.6.).

Ab 15. April 2001 startet der Parallelbetrieb für das Manual 3/4 (Personendateien werden auf das neue System überspielt und Abfragen werden an das neue System gerichtet). Das Ende des Parallelbetriebes ist für den 15. Oktober 2001 vorgesehen.

Anschließend werden die übrigen BKA-Dateien in einer harten Migration in das neue System übernommen (hier gibt es keinen Parallelbetrieb).