Strafvollzug

Entlastung des Hamburger Strafvollzuges durch Abschiebung ausländischer Straftäter

Die Hamburger Justizvollzugsanstalten sind weiterhin erheblich überbelegt. Vor allem der geschlossene Vollzug für erwachsene Männer hat mit einer überdurchschnittlich hohen Überbelegung zu kämpfen. Belastet wird diese Situation durch den gleichbleibend hohen Ausländeranteil von 40 Prozent.

Dabei stehen der Staatsanwaltschaft aufgrund § 456a Strafprozeßordnung (StPO) in Verbindung mit allgemeinen Hamburger Richtlinien Maßnahmen zur Verfügung, den Belegungsdruck zu mindern, indem bei ausländischen Straftätern von weiterem Strafvollzug in Hamburg Abstand genommen werden kann, wenn die Ausweisung an eine ausländische Regierung bewilligt oder die Ausweisung verfügt ist.

Die Belegungszahlen im Strafvollzug sind in den vergangenen Jahren laufend angestiegen. Dies gilt für Hamburg ebenso wie für andere Bundesländer. Die Gesamtzahl der verfügbaren Haftplätze wurde in Hamburg durch die Belegungszahlen erstmalig 1993 überschritten. Siehe insoweit auch die Antwort des Senats auf die Große Anfrage Drucksache 16/1374.

Die Ursachen für den permanenten Anstieg der Gefangenenzahlen sind vielschichtig. Gesellschaftliche Ursachen dürften hierbei ebenso eine Rolle spielen wie diverse vom Gesetzgeber vorgenommene Verschärfungen der Strafrahmen und der Voraussetzungen für bedingte Entlassungen in den letzten Jahren.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. Wie viele ausländische Strafgefangene saßen in den Jahren 1996, 1997 und 1998 aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren oder wegen vorsätzlicher Straftaten innerhalb von fünf Jahren zu mehreren Freiheits- oder Jugendstrafen von zusammen mindestens drei Jahren oder wegen Anordnung der Sicherungsverwahrung in Hamburger Gefängnissen ein?

2. Wie viele ausländische Strafgefangene saßen in den Jahren 1996, 1997 und 1998 aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz zu einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren oder zu einer Freiheitsstrafe, die nicht zur Vollstreckung ausgesetzt wurde, in Hamburger Gefängnissen ein?

Dem Senat stehen keine Erhebungen zur Verfügung, welche Auskunft über die Anzahl der ausländischen Gefangenen aufgegliedert nach der Strafdauer und bezogen auf die Kalenderjahre 1996 bis 1998 geben könnten. Die Ermittlung dieser Daten ist mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich.

Im Rahmen einer vom 11. bis zum 16. Februar 1999 durchgeführten Stichtagserhebung wurde allerdings ermittelt, dass in den Hamburger Vollzugsanstalten 317 ausländische Strafgefangene (311 männlich, sechs weiblich) untergebracht waren, die Freiheits- oder Jugendstrafen zu verbüßen hatten und deren jeweilige Strafzeiten zusammengenommen mindestens drei Jahre betragen haben.

Es waren weiterhin 164 ausländische Strafgefangene (160 männlich, vier weiblich) inhaftiert, die Freiheitsstrafen oder Jugendstrafen wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu verbüßen hatten und deren jeweilige Strafzeiten zusammengenommen mindestens zwei Jahre ergeben haben.

3. Gegen wie viele ausländische Strafgefangene zu 1. und 2. wurde in den Jahren 1996, 1997 und 1998 (bitte nach Jahren aufgelistet) eine Ausweisung verfügt? Bei wie vielen ist die Ausweisung noch in Vorbereitung?

Die Zahl der nach § 47 Absatz 1 des Ausländergesetzes (AuslG) erlassenen Ausweisungsverfügungen ergibt sich aus der nachstehenden Übersicht. Daß es sich bei den Ausgewiesenen zum Zeitpunkt der Ausweisung um Strafgefangene handelt, ist aufgrund des Strafmaßes in der Regel zu unterstellen. Eine Ausweisungsstatistik, die das Erhebungsmerkmal „Strafgefangener" beinhaltet, wird von der zuständigen Behörde nicht geführt.

Bei allen in Strafhaft befindlichen Ausländerinnen und Ausländern wird der Erlaß einer Ausweisungsverfügung geprüft. Am 15. Februar 1999 befand sich in 43 Fällen der Erlaß einer Ausweisungsverfügung konkret in Vorbereitung.

4. Bei wie vielen dieser Strafgefangenen konnte in den Jahren 1996, 1997 und 1998 die Ausweisung wegen besonderer Gefährlichkeit im Sinne von § 47 Absatz 1 AuslG durch Maßnahmen nach § 456a StPO vollzogen werden?

a) In wie vielen Fällen wurde im Rahmen des § 456a StPO von der Vollstreckung einer zeitigen Freiheitsstrafe oder einer Jugendstrafe ganz oder vor Verbüßung der Hälfte teilweise abgesehen?

b) In wie vielen Fällen hielt die Staatsanwaltschaft eine Maßnahme nach § 456 StPO zum Zeitpunkt der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe für geboten?

c) In wie vielen Fällen kam eine über den Halbstrafenzeitpunkt hinausgehende Vollstreckung in Betracht?

Ausländische Strafgefangene, bei denen auf der Grundlage von Beschlüssen gemäß § 456a der Strafprozeßordnung (StPO) von der Strafvollstreckung nach Teilverbüßung zum Zwecke einer Abschiebung abgesehen wird und bei denen die Abschiebung auch stattfindet, werden nur insgesamt erfaßt. Eine Aufgliederung nach den tatsächlichen Verbüßungszeiten im Verhältnis zur gesamten Strafzeit wird nicht vorgenommen und kann mit vertretbarem Aufwand nicht nachgeholt werden.

1996 wurden 183, 1997 wurden 199 und 1998 wurden 234 Strafgefangene auf der Grundlage von Beschlüssen gemäß § 456a StPO vorzeitig abgeschoben.

5. Welche tatsächlichen und rechtlichen Abschiebungshindernisse stehen der Umsetzung der Entscheidungen nach § 456a StPO weiterhin entgegen?

Der Umsetzung von Entscheidungen nach § 456a StPO können insbesondere folgende rechtliche und/oder tatsächliche Abschiebungshindernisse vorübergehend oder dauerhaft entgegenstehen:

­ erhöhter Ausweisungsschutz nach § 48 AuslG,

­ anhängiges Rechtsmittelverfahren mit aufschiebender Wirkung gegen die Ausweisungsverfügung, die Abschiebungsandrohung oder -anordnung,

­ anhängiges Asylverfahren,

­ im Einzelfall durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge oder das Verwaltungsgericht festgestellter Abschiebungsschutz nach § 51 AuslG oder festgestellte Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG,

­ Eingaben an die Hamburgische Bürgerschaft,

­ Paßlosigkeit insbesondere auch in Verbindung mit Verschleierung der Identität/Staatsangehörigkeit oder fehlender Mitwirkung bei der Beschaffung von Paßersatzpapieren,

­ fehlende Verkehrs- oder Flugverbindungen in bestimmte Länder (z.B. Krisengebiete),

­ Unmöglichkeit einer Sicherheitsbegleitung durch den Bundesgrenzschutz trotz bestehender Flugverbindung wegen besonderer Gefährdungssituation für die Bediensteten,

­ Beförderungsweigerung einzelner Fluggesellschaften,

­ attestierte Reiseunfähigkeit und/oder Behandlungsbedürftigkeit im Bundesgebiet.

6. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1994 ist eine Projektgruppe, bestehend aus Strafvollzugsamt und Ausländerbehörde, zur Optimierung der Verfahrensabläufe im Zusammenhang mit der Strafaussetzung nach § 456a StPO und einer frühzeitigen Abschiebung ausländischer Gefangener eingerichtet worden. Zu welchen Ergebnissen hat die Arbeit der Projektgruppe geführt?

Seit dem 1. Oktober 1994 ist eine Projektgruppe mit Vertretern des Strafvollzugsamtes, der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hamburg und der Ausländerabteilung des Einwohner-Zentralamtes der Behörde für Inneres eingerichtet worden. Ihr Ziel ist es, die Verfahrensabläufe im Bereich der Strafaussetzung gemäß § 456a StPO zu optimieren, damit Strafgefangene, bei denen aufenthaltsbeendende Maßnahmen in Betracht kommen, erfaßt werden und zum frühestmöglichen Termin auch tatsächlich abgeschoben werden können.

Nach dem derzeit praktizierten Verfahren teilen die Anstalten der Ausländerabteilung die Daten aller ausländischen Strafgefangenen mit. Die Ausländerabteilung überprüft anhand dieser Meldungen in jedem Einzelfall, ob und ggf. welche aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu ergreifen sind (siehe Antwort zu 3.). Die Ausländerabteilung informiert dann die Staatsanwaltschaft über die ausländischen Strafgefangenen, für die auf der Grundlage des Ausländergesetzes aufenthaltsbeendende Maßnahmen vorgesehen sind, damit dort unter Berücksichtigung der entsprechenden Richtlinie der Justizbehörde vom 27. Januar 1992 im Einzelfall über das Absehen von der Strafvollstreckung gemäß § 456a StPO entschieden werden kann. Die Ausländerabteilung erhält über die gefaßten Beschlüsse eine Rückmeldung, so dass dort noch einmal überprüft werden kann, ob alle betroffenen Gefangenen berücksichtigt worden sind.

Die Ausländerabteilung bearbeitet die Angelegenheiten der in Strafhaft befindlichen Ausländer zentral. Sie setzt für diejenigen Gefangenen, für welche die Staatsanwaltschaft gemäß § 456a StPO von der Vollstreckung der Reststrafe absieht, die Ausweisungsverfahren möglichst zügig um und trifft die für eine Abschiebung erforderlichen Vorbereitungen.

Das von der Arbeitsgruppe der beteiligten Behörden erarbeitete Verfahren wird regelmäßig vor dem Hintergrund der praktischen Umsetzung erörtert. Dabei stehen aktuelle Probleme der Abwicklung und die jeweiligen Hindernisse bei der Umsetzung der fristgemäßen Abschiebungen im Vordergrund. Die Arbeitsgruppe schafft die Voraussetzung für eine kontinuierliche Aktualisierung und Verbesserung des Verfahrens.

7. Mit welchen weiteren Maßnahmen verfolgt der Senat das Ziel, ausländische Straftäter verstärkt nach Teilverbüßung abzuschieben, um den Belegungsdruck in Hamburger Gefängnissen zu mindern?

Siehe zunächst Antwort zu 6. Bei der Entscheidung nach § 456a StPO hat die Vollstreckungsbehörde einen Ermessensspielraum, in dessen Rahmen auch versucht wird, dem Belegungsdruck in den Hamburger Strafvollzugsanstalten Rechnung zu tragen. Demgemäß ist die Staatsanwaltschaft bereits 1992 von der Justizbehörde angehalten worden, bei rechtskräftig Verurteilten, deren Auslieferung an eine ausländische Regierung bewilligt wurde oder deren Ausweisung verfügt oder zu erwarten ist, verstärkt von § 456a StPO Gebrauch zu machen. Andererseits sind aber auch Gesichtspunkte der Generalprävention und des gerechten Schuldausgleichs zu berücksichtigen. Argumente der Kosten- und Haftplatzersparnis können daher nicht allein ausschlaggebend sein. Namentlich ist darauf zu achten, daß die allgemeinen Ziele des Strafrechts nicht in unvertretbarer Weise beeinträchtigt werden. Eine frühzeitige Anwendung des § 456a StPO wird daher grundsätzlich nicht bei Tätergruppen in Betracht kommen, bei denen das öffentliche Interesse eine nachhaltige Strafvollstreckung gebietet.

Siehe auch die Antwort des Senats auf die Große Anfrage Drucksache 15/6863 zu 10.

8. Wie viele Haftplätze würden freigesetzt und welche Kosten könnten eingespart werden, wenn eine Abschiebung nach § 456a StPO in der Regel schon nach Teilverbüßung von

a) 4/10 der Haftstrafe bzw. b) 1/4 der Haftstrafe erfolgen würde?

Zu hypothetischen Fragen nimmt der Senat keine Stellung.