Ambulantisierung in der Eingliederungshilfe

Auf Anregung der SPD-Abgeordneten hatte der Sozialausschuss am 29. Oktober 2004 einstimmig beschlossen, sich im Rahmen einer Selbstbefassung gemäß § 53 Absatz 2 GO mit dem Thema „Ambulantisierung in der Eingliederungshilfe" zu befassen. Die inhaltliche Beratung erfolgte in seinen Sitzungen vom 10. Februar 2005, vom 15. September 2005 sowie vom 26. Januar 2006. Am 15. Januar 2008 wurde das Thema abschließend beraten.

II. Beratungsinhalt am 10.2.

Die Senatsvertreterinnen und -vertreter sprachen eine schriftliche Information zum Sachstand der Ambulantisierung an, die die Behörde für Soziales und Familie (BSF) Ende Oktober 2004 dem Ausschuss zur Kenntnis gegeben hatte. Der dort beschriebene Sachstand sei jetzt nicht mehr aktuell, da seitdem zwei weitere Umsetzungsschritte erfolgt seien. Es hätten am 3. Dezember 2004 und am 3. Februar 2005

Gespräche mit den betroffenen Trägern und Verbänden stattgefunden und es seien fünf verschiedene Themenkomplexe gebildet worden, auf deren Basis nun weiter diskutiert werden könne:

1. Definition ambulanter Leistungen und Vernetzung bestehender Leistungsangebote mit den Angeboten anderer Träger,

2. Gestaltung des Übergangs,

3. Finanzierung und Kosteneffizienz

4. Bereitstellung geeigneten Wohnraums, auch in Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft,

5. Klärung sozialrechtlicher Fragen, wie zum Beispiel die Umsetzung des SGB XII. Des Weiteren sei ein Verfahren zum weiteren Vorgehen verabredet worden. Zu den einzelnen Bereichen könnten dem Ausschuss zum jetzigen Zeitpunkt keine Ergebnisse vorgestellt werden, da sich die BSF mit den Trägern, den Verbänden und der LAG in der Diskussion befinde und man endgültigen Regelungen nicht vorgreifen wolle.

Die SPD-Abgeordneten erkundigten sich nach Zeitvorgaben, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das erklärte Ziel der BSF eine Verdoppelung der Ambulantisierungs-Quote sei. Die Senatsvertreterinnen und -vertreter hätten sich vor einiger Zeit dahingehend geäußert, dass man erwarte, bis zu 33 Prozent der Menschen in den Hilfebedarfsgruppen I oder II ambulantisieren zu können. In der Zwischenzeit habe es diesbezüglich Untersuchungen gegeben und die SPD-Abgeordneten fragten nach den Ergebnissen und wollten gleichzeitig wissen, ob die Ausführungen und die erklärten Ziele auch heute, nach Vorlage der genannten Untersuchungsergebnisse, Bestand hätten.

Dazu machten die Senatsvertreterinnen und -vertreter deutlich, dass nach wie vor die

­ von den SPD-Abgeordneten beschriebenen Ziele ­ angestrebt würden.

Eine Voraussetzung dafür sei die Schaffung von Kompatibilität zwischen der Umsetzung der Ambulantisierung, der Hilfebedarfsgruppen und ­ ab 2007 ­ der Frage des persönlichen Budgets.

Ergänzend machten die Senatsvertreterinnen und -vertreter darauf aufmerksam, dass auch Menschen, die nicht den Hilfebedarfsgruppen I und II angehörten, ambulantisiert werden könnten.

Die GAL- und SPD-Abgeordneten baten um Erläuterung, wie der für die Ambulantisierung benötigte, zusätzliche Wohnraum zur Verfügung gestellt werden soll. Dies vor dem Hintergrund, dass bereits anderen Bevölkerungsgruppen, wie zum Beispiel Aussiedlerinnen und Aussiedlern und Frauen aus Frauenhäusern nach Auszug aus öffentlichen Unterkünften beziehungsweise Frauenhäusern, entsprechender Wohnraum zugesichert worden sei.

Konkret wollten die SPD-Abgeordneten wissen, ob es die angekündigten Gespräche mit den Wohnungsbauunternehmen und der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt ­ zuständig für den Bau und die Vergabe behindertengerechter Wohnungen ­ gegeben habe.

Die Senatsvertreterinnen und -vertreter betonten, dass diese Gespräche stattfänden und zeigten sich zuversichtlich, von 4.800 zurzeit stationär untergebrachten Menschen 1.200 in die ambulante Betreuung bringen zu können.

Auf Wunsch der SPD-Abgeordneten sicherten sie die Aufteilung der stationär untergebrachten Menschen in die verschiedenen Hilfebedarfsgruppen als nachträgliche Protokollerklärung zu (Anlage 1).

Die GAL-Abgeordneten baten um Erläuterungen zur konkreten Ausgestaltung des Umsetzungsprozesses. Sie erkundigten sich, wie die behinderten Menschen auf die Möglichkeiten der ambulanten Versorgung angesprochen und wie diese gegebenenfalls auf diesen Schritt vorbereitet würden.

Die Senatsvertreterinnen und -vertreter hoben hervor, dass die Möglichkeit der ambulanten Unterbringung als ein Angebot an die behinderten Menschen zu verstehen sei und das Prinzip der Freiwilligkeit gelte.

Auf die Frage der GAL-Abgeordneten, ob bei der ambulanten Unterbringung von Behinderten mit der Pflegestufe III und IV aufgrund des erheblichen Mehraufwandes in der Pflege überhaupt ein Einsparungspotenzial bestehe, führten die Senatsvertreterinnen und -vertreter aus, dass dies im Einzelfall geprüft werden müsse und gegebenenfalls eine ambulante Unterbringung nach § 13 Absatz 1 SGB XII wegen unverhältnismäßigen Mehrkosten abgelehnt werden müsse.

Zu den weiteren Fragen der GAL-Abgeordneten, ob die stadtteilintegrierten Wohngruppen auch ambulantisiert würden und wie die Haushaltsführung zu gestalten sei, wenn zwei Behinderte zusammen zögen, baten die Senatsvertreterinnen und -vertreter, diese Einzelfragen zurückzustellen, da diese noch mit den Verhandlungspartnern geklärt werden müssten.

Die SPD-Abgeordneten befürworteten die verstärkte ambulante Unterbringung behinderter Menschen ausdrücklich, bezweifelten jedoch, dass diese Maßnahme das angestrebte Einsparungspotenzial beinhalte. Sie führten in diesem Zusammenhang aus, dass die Veranschlagung für die Eingliederungshilfen im Haushaltsplan 2005/2006 bereits um 12,5 Millionen Euro gesenkt worden seien. Insofern entstehe bereits jetzt ein gewisser Umsetzungsdruck für die Behörde für Soziales und Familie, die geplanten Einsparungen auch tatsächlich erzielen zu können. Insofern bestehe seitens der Bürgerschaft und der Ausschüsse die Verpflichtung, die weitere Entwicklung, insbesondere auch die haushalterischen Auswirkungen zu thematisieren und zu beobachten.

Sie schlugen eine Vertagung der Erörterung vor, um zu einem späteren Zeitpunkt Informationen zu weiteren Verhandlungsergebnissen zu bekommen.

Die Senatsvertreterinnen und -vertreter erklärten, den Ausschuss zeitnah über die weitere Entwicklung informieren zu wollen. Dies sei aber frühestens zur übernächsten Sitzung des Sozialausschusses, beziehungsweise nach Absprache sinnvoll.

III. Beratungsinhalt am 15.9.

Aufgrund technischer Schwierigkeiten konnten die Senatsvertreterinnen und -vertreter die angekündigte Power-Point-Präsentation nicht durchführen und kündigten diese in Papierform nachträglich zu Protokoll an (Anlage 2). In komprimierter Form lieferten sie einen Sachstandsbericht.

Gemeinsam mit den Verbänden und Trägern habe man im März 2005 ein EckpunkteKonsenspapier (Anlage 3) entwickelt, um den Umgestaltungsprozess der Ambulantisierung zu planen. Ein wichtiger Punkt sei dabei die Sicherung von Wohnraum. Die Senatsvertreterinnen und -vertreter wiesen darauf hin, dass viele Träger von sich aus bereits in diesem Bereich aktiv geworden seien und in Kürze ein Haus mit stationärer Versorgung komplett durch ein Mietshaus nur für ambulante Versorgung ersetzt werde.

Im Hinblick auf die von Experten gestützte Annahme, dass circa 30 Prozent der stationären Betreuung nicht zwingend erforderlich sei und folglich ambulant durchgeführt werden könne, wolle die BSF bis Ende des Jahres mindestens 800 Plätze ambulantisieren. Mit der Evangelischen Stiftung Alsterdorf (ESA) sei bereits vereinbart, von den bestehenden 1.200 Plätzen 400 zu ambulantisieren und man befinde sich mit weiteren Trägern und Verbänden in Verhandlungen. Mit Hilfe eines Case Managements wolle man die behinderten Menschen im Einzelfall bedarfsgerecht einstufen.

Die Senatsvertreterinnen und -vertreter betonten, gemeinsam Erfahrungen sammeln zu wollen, wie und auf welcher Basis man die Ambulantisierung umsetzen und eine Vernetzung vorhandener Angebote der stationären Einrichtungen schaffen könne. Die stationären Einrichtungen hätten die Möglichkeit, den ambulant versorgten Menschen unterschiedliche Leistungen wie Nachtbereitschaft, Freizeitangebote, Mahlzeiten, Pflege und so weiter anzubieten. Die Vernetzung vorhandener Angebote sei ein wichtiger Punkt, um einer Vereinsamung der ambulant untergebrachten Menschen entgegenzuwirken.

Die Senatsvertreterinnen und -vertreter wiesen darauf hin, dass durch die Umwandlung in eine ambulante Versorgung andere Leistungsträger ­ wie die Krankenkassen und Pflegekassen ­ einen Teil der Kosten übernähmen. Für die jährlich circa 350

Menschen, die bei den Landesdiensten einen Antrag auf stationäre Hilfe stellten, würden freie Plätze in der stationären Versorgung zur Verfügung stehen und vor diesem Hintergrund könne das Budget und das gesamte Hilfesystem für die Eingliederung ganz neu gestaltet werden.

Durch kontinuierliche Kommunikation mit den Trägern und Verbänden werde die BSF die eingeleiteten Prozesse nicht nur begleiten und bei Bedarf auch nachsteuern sondern auch evaluieren. Die Senatsvertreterinnen und -vertreter baten darum, dem Ausschuss zu gegebener Zeit ausführlicher über die gesammelten Erfahrungen berichten zu dürfen.

Die SPD-Abgeordneten merkten an, dass es sich um ein sehr komplexes Thema handele, kritisierten aber die langwierige Vorgehensweise der BSF. Diese müsse im Vorwege klären, wie sie gedenke, die Ambulantisierung umzusetzen und die dargestellten Ergebnisse zeigten, dass das vom Senat formulierte Ziel, nach einem Jahr eine deutliche Veränderung herbeigeführt zu haben, nicht erreicht wurde. Die SPD Abgeordneten forderten zukünftig verlässliche Aussagen über geplante Vorhaben der BSF und wünschten sich in diesem Zusammenhang eine bessere Kooperation.