Bund-Länder-Fachausschuss StVO

I. Bürgerschaftliches Ersuchen

Die Bürgerschaft hat in ihrer Sitzung am 30. August 2007 folgendes Ersuchen an den Senat beschlossen: „Der Senat wird ersucht,

1. eine Länderumfrage durchzuführen, um die Akzeptanz der Forderung in anderen Bundesländern zu ergründen.

2. im Bund-Länder-Fachausschuss StVO und die Verkehrspolizei die Einführung einer Helmpflicht zu thematisieren.

3. zu prüfen, ob eine Helmpflicht auch für auf dem Fahrrad mitfahrende Kinder (z. B. auf einem zusätzlichen Sattel oder Kinderkorb) in Betracht kommt.

4. mit Werbeprospekten (z. B. „Bitte immer mit Helm" vom UKE) auf Radfahrveranstaltungen und in Schulen auf die Vorteile des Helmtragens beim Radfahren hinzuweisen.

5. der Bürgerschaft bis zum Jahresende über die Ergebnisse der Gespräche auf Bundesebene zu berichten."

II. Stellungnahme des Senats Allgemeines zum Tragen von Schutzhelmen für Radfahrerinnen und Radfahrer

Eine Helmpflicht besteht in Deutschland nach § 21 a Absatz 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) nur für Fahrer und Beifahrer von Krafträdern und von sogenannten Trikes und Quads. Für Radfahrer besteht keine Helmpflicht, weder für Kinder noch für Erwachsene. Gleichwohl ist es unbestritten, dass das Tragen eines Schutzhelms beim Radfahren sehr sinnvoll ist, weil hierdurch das Verletzungsrisiko für Radfahrer jeden Alters bei Unfällen deutlich reduziert wird. Dabei ist für Kinder die Verletzungsgefährdung als Radfahrer besonders hoch, zumal sie wegen ihrer teilweise noch unsicheren Fahrweise und auch einer riskanten spielerischen Nutzung des Rades häufiger in Stürze verwickelt sind als Erwachsene. Daher sprechen zahlreiche Gründe für eine Helmpflicht für Kinder:

­ Bereits auf dem 39. Verkehrsgerichtstag 2001 in Goslar wurde mit der Begründung, dass die Verletzungsgefährdung von Kindern als Radfahrer besonders hoch ist, eine Helmpflicht für Kinder gefordert. Nach Verletzungen der unteren Extremitäten wird bei verunglückten Radfahrern der Kopf am zweithäufigsten verletzt, dies trifft sowohl für Erwachsene als auch für Kinder zu. Die Verletzungsschwere am Kopf liegt bei Kindern mit 36,2 % jedoch deutlich höher als bei Erwachsenen mit 27,9 %.

­ Wenn für Kinder eine Verpflichtung eingeführt wird, könnte dies die Eltern veranlassen, ebenfalls einen Helm zu tragen, um ein Vorbild zu geben.

­ Bei einer Tragepflicht bestünde die Möglichkeit, dass bei positiven Erfahrungen auch nach Ende der Verpflichtung der Helm weiterhin freiwillig getragen wird.

­ Appelle zum freiwilligen Tragen von Schutzhelmen werden nicht ausreichend befolgt. So tragen nur 42 % der unter 10-jährigen Kinder einen Schutzhelm (Quelle: bast-info04/07).

Gegen die Einführung einer Helmtragpflicht für Kinder spricht:

­ dass eine an die Altersgrenze für Kinder gekoppelte Tragepflicht das Image des Helmtragens insbesondere bei Jugendlichen möglicherweise negativ als Kinderkram belasten würde.

­ dass eine Helmpflicht nur für Kinder und nicht für alle Radfahrerinnen und Radfahrer nur schwer akzeptiert werden würde, da Unfallfolgen wie schwere Kopfverletzungen bei allen Radfahrern eintreten können. DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache18/7896 Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft Stellungnahme des Senats

Zum Ersuchen der Bürgerschaft vom 30. August 2007 „Helmpflicht für Radfahrerinnen und Radfahrer bis zum 14. Lebensjahr" (Drucksache 18/6849)

­ die Schaffung einer Sanktionsmöglichkeit zu ihrer Durchsetzung bei Kindern bis zum 14. Lebensjahr schon wegen der mangelnden Vorwerfbarkeit nicht möglich ist.

­ dass eine angemessene Überwachung nicht zu gewährleisten wäre.

Erfahrungen mit Helmtragepflichten für Radfahrerinnen und Radfahrer liegen lediglich aus dem außereuropäischen Ausland (Australien und Kanada) vor (Drucksache 15/2942).

Dort sank die Zahl der radfahrenden jugendlichen Verkehrsteilnehmer bzw. war die Zahl der ohne Helm fahrenden Kinder ein Jahr nach der Einführung der Helmpflicht sogar höher als im Jahr vor der Einführung. Die dortigen Untersuchungen und weitere Untersuchungen zur generellen Akzeptanz von Fahrradhelmen belegen eine geringe Akzeptanz dieser Schutzeinrichtung. Es werden mehrheitlich soziale Gründe für das Nichttragen von Fahrradhelmen angegeben.

Fraglich ist, ob vor diesem Hintergrund die Einführung einer Helmpflicht für Kinder, nicht aber für Jugendliche und Erwachsene zielführend ist. Eine abschließende Entscheidung darüber kann der Senat ohne weitere Prüfungen gegenwärtig nicht treffen, in jedem Fall muss aus Praktikabilitätsgründen eine bundeseinheitliche Regelung gelten.

Umsetzung des Ersuchens

Zu 1.: Die Behörde für Inneres hat zur Umsetzung des Ersuchens am 20. September 2007 eine Länderumfrage zur Ergründung der Akzeptanz der Forderung nach Einführung einer Helmpflicht für Radfahrer und Radfahrerinnen bis zum 14. Lebensjahr durchgeführt. Alle Länder und das BMVBS haben geantwortet.

Sechs Länder haben kein eindeutiges Votum für eine Helmpflicht abgegeben, sondern sich für eine vertiefende Beratung auf Bundesebene ausgesprochen.

Acht Länder und das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Städtebau (BMVBS) haben sich gegen die Helmpflicht ausgesprochen. Als tragende Gründe wurden angeführt:

­ Die Helmtragepflicht kann nur effektiv durchgesetzt werden, wenn eine Ahndungsmöglichkeit besteht. Diese besteht bei Kindern aber nicht.

­ Eine Beachtung ist wesentlich von der Akzeptanz einer Regelung abhängig. Gerade bei Kindern spielt zum einen die Vorbildfunktion der Eltern, zum anderen die Gruppendynamik der entsprechenden „Clique" eine wesentliche Rolle. So ist nicht zu vermitteln, dass ein 13-jähriges Kind einen Helm tragen muss, während seine 14-jährigen begleitenden Freunde ohne fahren dürfen.

­ Den Erziehungsberechtigten ist eine Kontrolle unmöglich, weil die Kinder unterwegs jederzeit den Fahrradhelm wieder abnehmen können.

Die Bundesregierung hat sich in ihrer Antwort auf die o. g.

Große Anfrage für eine klare Vorbildfunktion der Erwachsenen ausgesprochen und gegen eine nicht durchsetzbare Regulierung.

Zu 2.: Der Bund-Länder-Fachausschuss für die StVO und die Verkehrspolizei wurde in der Sitzung vom 18./19. September 2007 zunächst über das Bürgerschaftliche Ersuchen „Einführung einer Helmpflicht für Radfahrerinnen und Radfahrer bis zum 14. Lebensjahr" unterrichtet. Eine weitergehende inhaltliche Befassung war in der Kürze der Zeit nicht möglich. Ob der BLFA bei einer seiner nächsten Sitzungen eingehender befasst werden soll, ist noch nicht entschieden.

Zu 3.: Bevor in eine Prüfung eingetreten wird, ob eine Helmpflicht auch für auf dem Fahrrad mitfahrende Kinder in Betracht kommt, erscheint es sinnvoll, zunächst die Hauptfrage zu entscheiden, ob eine Helmpflicht für Radfahrerinnen und Radfahrer bis zum 14. Lebensjahr eingeführt werden soll.

Eine solche Entscheidung ist bislang noch nicht getroffen.

Zu 4.: In der Verkehrsunfallprävention und der Verkehrserziehung an den Schulen ist die Förderung der Motivation zum Tragen eines Fahrradhelms ein wesentliches Anliegen aller hieran beteiligten Behörden und Organisationen. Neben den hierzu jährlich durchgeführten Aktionen wie „Schon gecheckt" (www.schon-gecheckt.de) wird dieses Ziel auch durch Werbeprospekte wie den genannten verfolgt. Die zuständige Behörde für Inneres koordiniert diese Aktivitäten und stellt sicher, dass in den verwendeten Lernmitteln das zu vermittelnde Thema altersgerecht aufbereitet wird.

III. Petitum:

Der Senat beantragt, die Bürgerschaft möge Kenntnis nehmen.