Steuer

Die Bürgerschaft hat in ihrer Sitzung am 26. Oktober 2005 folgendes Ersuchen an den Senat beschlossen: „Der Senat wird ersucht,

1. auf weiteren geeigneten Straßen Tempo 60 einzuführen und

2. schnellstmöglichst die Lichtzeichenanlagen neu zu programmieren und die Koordinierung (Grüne Welle) entsprechend anzupassen."

Das Ersuchen unterstützt die verkehrspolitischen Zielsetzungen des Senats, die Nutzung der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur weiter zu optimieren und damit den Verkehrsfluss insbesondere für den Wirtschaftsverkehr in der Metropolregion Hamburg zu verbessern.

Dazu können die bedarfsgerechte Anhebung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h auf dafür geeigneten Straßen unter Berücksichtigung und Abwägung von Sicherheitsaspekten und Emissionsgesichtspunkten sowie eine entsprechende Anpassung bzw. Optimierung der Koordinierung von Lichtzeichenanlagen (Grüne Welle) beitragen. Im Zusammenhang mit dem Bürgerschaftlichen Ersuchen wird auf entsprechende Maßnahmen im Zuge der B 73 in Harburg, B 75 in Rahlstedt und der Alten Landstraße in Hummelsbüttel hingewiesen.

Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt innerhalb geschlossener Ortschaften für alle Kraftfahrzeuge gemäß § 3 Absatz 3 Nr. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) grundsätzlich 50 km/h. Davon abweichend kann die Straßenverkehrsbehörde gemäß § 45 Absatz 8 StVO auf bestimmten Straßen eine höhere Geschwindigkeit zulassen.

Ausgangslage

In Hamburg ist seit vielen Jahren auf zahlreichen Straßen eine höhere Geschwindigkeit als 50 km/h zugelassen. Es handelt sich dabei zum Teil um Strecken, bei denen die geschlossene Ortschaft „Hamburg" in Höhe der gelben Ortstafeln (Zeichen 311 StVO) bereits vor der Landesgrenze endet oder durch Ortsausgangs- und -eingangstafeln (Zeichen 310/311 StVO) unterbrochen wird (bspw. B 5 ­ Bergedorfer Straße zwischen Eiffestraße und „Ortseingang" Bergedorf). Die meisten solcher Straßen befinden sich jedoch seit jeher innerorts bspw. in den Vier- und Marschlanden, im Süderelberaum und im Hafenbereich. Auf Grund des Bürgerschaftlichen Ersuchens zur Heraufsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h auf den Hauptverkehrsstraßen vom 29. Mai 2002 (Drucksache 17/908) wurde Tempo 60 in den Straßenzügen

­ Stein-Hardenberg-Straße ­ Bargteheider Straße ­ Meiendorfer Straße (B 75) am 9. Mai 2003,

­ Brombeerweg ­ Alte Landstraße am 13. Juli 2003,

­ Buxtehuder Straße ­ Stader Straße ­ Cuxhavener Straße (B 73) am 20. Februar 2004, eingeführt.

Bearbeitung des Ersuchens

Die Prüfungen der Straßenverkehrsbehörde zur Einführung von Tempo 60 auf weiteren geeigneten Haupt- und Ausfallstraßen umfasste ausgewählte Hauptverkehrsstraßenzüge mit einer hohen werktäglichen Verkehrsbelastung und einer entsprechend großen Bedeutung für den innerörtlichen und den überregionalen Individual- und Wirtschaftsverkehr.

Es handelte sich dabei sowohl um die Bundesstraßen im Stadtgebiet als auch um vergleichbare Straßenzüge (bspw. Ring 1 und Ring 2) mit 2 bis 3 Fahrstreifen je Richtung. Insbesondere wurden auch die Streckenabschnitte berücksichtigt, auf denen zum Ersuchen der Bürgerschaft vom 26. Oktober 2005 „Tempo 60 auf geeigneten Haupt- und Ausfallstraßen" (Drucksache 18/2996) bereits in der Vergangenheit die zulässige Höchstgeschwindigkeit schon einmal 60 km/h betrug.

Vor der Einführung von Tempo 60 auf einer Hauptverkehrsstraße wird von der Straßenverkehrsbehörde in jedem Einzelfall eine Reihe von Punkten unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Straßenverkehrsrechts zur Anhebung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf Straßen innerhalb geschlossener Ortschaften sorgfältig geprüft.

Im Vordergrund stehen dabei die Belange der Verkehrssicherheit aber auch, ob der jeweilige Streckenzug den Empfehlungen der Verwaltungsvorschrift zur StVO zur Funktion und zum Ausbauzustand entspricht.

Im Hinblick auf die Sicherheitsaspekte werden auf den zu untersuchenden Straßen die Straßenlängen, die Verkehrsmengen und die Gesamtunfallzahlen über mehrere Jahre ermittelt.

Aus den ermittelten Daten werden für jede Straße zunächst folgende Parameter abgeleitet, um eine vergleichende Bewertung der Verkehrssicherheitslage auf den untersuchten Streckenzügen anhand objektiver Kriterien (Zahlen) vornehmen zu können:

­ Verkehrsunfälle je Jahr und je Straßenkilometer (jeweils Gesamtlänge incl. Knoten und Strecke),

­ Verkehrsunfälle je Jahr und je 1000 Fahrzeuge pro Tag (jeweils Gesamtlänge incl. Knoten und Strecke),

­ Verkehrsunfälle je Jahr und je 1000 Fahrzeuge pro Tag und je Straßenkilometer (jeweils Gesamtlänge incl. Knoten und Strecke),

­ Verhältnis von Verkehrsunfällen mit Personenschäden zu Verkehrsunfällen mit Sachschäden.

Anschließend erfolgt eine differenzierte Untersuchung/Bewertung der Verkehrssicherheitslage auf der jeweiligen Straße im Hinblick auf die mögliche Einführung von Tempo 60 (Verkehrssicherheitsprognose) anhand folgender Kriterien:

­ Verkehrsunfallanalyse (Untersuchung des Unfallgeschehens hinsichtlich der geschwindigkeitsrelevanten Unfalltypen und Unfallursachen; Untersuchung im Hinblick auf Unfallhäufungsstellen auf Strecken und Knoten),

­ Besondere Gefahrenstellen und Verkehrsteilnehmergruppen (Untersuchung der Unfallbeteiligung von Fußgängern/Radfahrern sowie Kindern und Senioren als Fußgänger und Radfahrer),

­ Ortsbesichtigungen und Verkehrsbeobachtungen,

­ Einbindung der örtlichen Straßenverkehrsbehörde, (Würdigung und Überprüfung örtlicher Besonderheiten; Abstimmung eines gemeinsamen Bewertungsergebnisses),

­ Anhörung der Straßenbaubehörde (Überprüfung des Fahrbahnzustands im Hinblick auf die ggf. notwendige Beseitigung von Straßenschäden). Ziel dieser umfänglichen Untersuchungen ist es, eine verlässliche Prognose im Hinblick auf die Verkehrssicherheit auf der Grundlage einer breiten bzw. gesicherten Datenbasis und Risikoanalyse erstellen zu können. Das hierfür erforderliche aufwändige Prüfverfahren hat sich rückblickend betrachtet schon im Zusammenhang mit der Einführung von Tempo 60 auf der B 73, B 75 und Alten Landstraße gut bewährt, um ein Höchstmaß an Verkehrsqualität und Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Eine Erhöhung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 10 km/h wird nur für die Straßen angeordnet, die unter Sicherheitsaspekten objektiv dafür geeignet sind.

Vor der Anhebung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h auf 60 km/h auf einer Haupt- und Ausfallstraße sind regelmäßig die vorhandenen Lichtzeichenanlagen umzuschalten. Die Arbeiten werden von der Straßenbaubehörde auf Veranlassung der Straßenverkehrsbehörde durchgeführt bzw. beauftragt. Die Umschaltungen dienen zum einen der notwendigen Anpassung der Koordinierung der betroffenen Lichtzeichenanlagen an die erhöhte, den Berechnungen für die Grüne Welle zu Grunde liegende Progressionsgeschwindigkeit.

Zum anderen ist aber auch eine Anpassung der Übergangszeiten (Länge des Gelblichts vor Rotlicht) zwingend erforderlich.

Nach den Bestimmungen der Verwaltungsvorschrift zur StVO und der bundesweit geltenden Richtlinien für Lichtsignalanlagen (RiLSA) sind aus fahrdynamischen Gründen in Abhängigkeit von der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit unterschiedliche Übergangszeiten zu schalten. So sind bei 50 km/h 3 Sekunden Gelbzeit und bei 60 km/h 4 Sekunden Gelbzeit als Übergangszeit vor Rotlicht zu schalten. Die längere Übergangszeit ist erforderlich, um Rotlichtverstöße aus fahrdynamischen Gründen zu vermeiden und insbesondere für Busse mit stehenden Fahrgästen oder Lkw mit empfindlicher Ladung noch angemessene Bremsverzögerungen beim Phasenwechsel zu gewährleisten.

Zur Änderung der Koordinierung (Grünen Welle) bedarf es einer Überarbeitung der vorhandenen Zeit-Weg-Bänder, in denen die Versatzzeiten zwischen den Lichtzeichenanlagen eines koordinierten Straßenzuges hinterlegt sind. Dabei wird bei eindeutigen temporären Lastrichtungen in einem Straßenzug die jeweilige Hauptlastrichtung koordinierungstechnisch bevorzugt (z.B. „Grüne Welle" morgens stadteinwärts ­ nachmittags stadtauswärts).

Auf Straßen ohne eindeutige Lastrichtungen wie bspw. Ring 1­3 besteht die „hohe Kunst" darin, eine „Grüne Welle" unter Berücksichtigung der verschiedenen Signalprogramme und Umlaufzeiten sowie der historisch gewachsenen Strukturen und nicht veränderbaren Knotenpunktabstände mit möglichst hoher Verkehrsqualität für beide Fahrtrichtungen zu konstruieren. Ziel ist es dabei, größere Fahrzeugpulks in beiden Fahrtrichtungen eines Straßenzuges über möglichst viele signalisierte Knotenpunkte ohne Halt zu führen.

Die Überarbeitung von Zeit-Weg-Bändern bedarf grundsätzlich einer genauen und komplexen Analyse der verkehrlichen und signaltechnischen Rahmenbedingungen, da sie nicht nur Auswirkungen auf die Verkehrsqualität, sondern zumindest mittelbar auch auf die Verkehrssicherheit hat. Sie wirkt sich insofern oftmals auch auf die Grünzeitverteilung oder Phasenfolge an einzelnen Knotenpunkten aus. Dabei sind u.U. auch noch die „Querkoordinierungen" von kreuzenden Straßenzügen zu berücksichtigen bzw. anzupassen. Die Neukoordinierung von Lichtzeichenanlagen bzw. Anpassung an Tempo 60 erfolgt auf der Grundlage der so überarbeiteten ZeitWeg-Bänder durch eine entsprechende Programmierung der übergeordneten Verkehrssignalrechner, die das „Zusammenspiel" der Lichtzeichenanlagen in einem Straßenzug steuern.

Für die Anpassung bzw. Verlängerung der Gelbzeiten an den Lichtzeichenanlagen ist das Erstellen neuer Signalzeitenpläne erforderlich, die zunächst mit der Straßenverkehrsbehörde abgestimmt und anschließend in den Ampelschaltgeräten vor Ort programmiert werden müssen. Die notwendigen Arbeiten vor Ort dürfen wegen der hohen Sicherheitsanforderungen an die Verkehrsregelung durch Lichtzeichenanlagen nur von dafür autorisierten Firmen (in Hamburg Fa. Vattenfall) durchgeführt werden. Sie werden regelmäßig zugleich dazu genutzt, die Grünzeitverteilung geänderten Verkehrsverhältnissen im Rahmen der sog. „Programmpflege" anzupassen sowie bei Bedarf abgängige Ampelschaltgeräte auszutauschen, verkehrsabhängige Steuerungen zu installieren, die gesamte Lichtzeichenanlage auf LED-Technik umzurüsten oder auch die Räum- bzw. Zwischenzeiten im signalisierten Bereich einer angeordneten Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht anzupassen.

Die Planung und Änderung von Ampelschaltungen ist grundsätzlich komplex und aufwändig. Um die Überarbeitung von Zeit-Weg-Bändern bzw. das Erstellen neuer Signalzeitenpläne zu beschleunigen, werden von der Straßenbaubehörde regelmäßig entsprechende Aufträge an Ingenieur-Büros vergeben ­ so auch im Zusammenhang mit den Planungen zur Einführung von Tempo 60 auf geeigneten Haupt- und Ausfallstraßen. Durch dieses Verfahren kann die Anhebung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h auf 1 bis 2 geeigneten Straßenzügen pro Jahr planerisch vorbereitet werden.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass zugleich auch die signaltechnischen Planungen und Maßnahmen zur Ausweitung verkehrsabhängiger bzw. netzadaptiver Steuerungen, zur Bekämpfung von Unfallhäufungsstellen, zur Umsetzung des 39-Punkte-Programms des Senats zur Verbesserung des Verkehrsflusses und im Zusammenhang mit den zahlreichen termingebundenen Baumaßnahmen im Straßenraum mit hoher Priorität betrieben werden müssen. In 2005 und 2006 waren zudem zahlreiche verkehrstechnische Maßnahmen zur Vorbereitung und Durchführung der WM 2006 in Hamburg mit höchster Priorität umzusetzen.

Ergebnis

Die Einführung von Tempo 60 auf dafür geeigneten Straßen führt in Verbindung mit der Optimierung von Ampelschaltungen und deren Koordinierung zu einer nachhaltigen Verbesserung und Verstetigung des Verkehrsflusses.

Ein verbesserter bzw. verstetigter Verkehrsfluss kann auch zu einer beschleunigungsärmeren und damit emissionsverminderten Führung von Fahrzeugpulks im Zuge von Hauptverkehrsstraßen beitragen (vgl. Luftreinhalteplan Hamburg, Seite 33, Kapitel 14. Örtliche Maßnahmen im Bereich Verkehr).

Auf der Grundlage des Bürgerschaftlichen Ersuchens wurde im Jahre 2006 die zulässige Höchstgeschwindigkeit in den Straßenzügen Alsterkrugchaussee zwischen Alsterberg und Deelböge und Poppenbütteler Weg (Ring 3) zwischen Alte Landstraße und Gehlengraben auf 60 km/h angehoben.

Derzeit laufen die Planungen und vorbereitenden Arbeiten zur Einführung von Tempo 60 in den Straßenzügen

­ Rugenfeld ­ Rugenbarg zwischen Osdorfer Landstraße und Flurstraße,

­ Schnackenburgallee zwischen Holstenkamp und Binsbarg,

­ Vollhöfner Weiden zwischen Finkenwerder Straße und Cuxhavener Straße.

Im Straßenzug Rugenfeld ­ Rugenbarg wurden die ersten Lichtzeichenanlagen bereits umgeschaltet. Die Einführung von Tempo 60 wird voraussichtlich noch in diesem Jahr erfolgen.

Im Straßenzug Schnackenburgallee wurden im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung der WM 2006 an den Lichtzeichenanlagen komplexe verkehrsabhängige Steuerungen implementiert. Die notwendige Änderung der Ampelschaltungen ist sehr aufwändig, wird aber so schnell wie möglich betrieben. Die Einführung von Tempo 60 in der Schnackenburgallee ist in diesem Jahr vorgesehen.

Im Straßenzug Vollhöfner Weiden werden die Lichtzeichenanlagen im Zuge der noch abzuschließenden Straßenbaumaßnahmen ebenfalls so schnell wie möglich sukzessive für die Einführung von Tempo 60 im laufenden Jahr vorbereitet.

Die genannten Maßnahmen stehen unter dem Vorbehalt zukünftiger Prüfungen im Zusammenhang mit der weiteren Umsetzung der EG-Umgebungslärmrichtlinie. Hierbei sind insbesondere die Ziele der Stadtentwicklung zu berücksichtigen. Zudem ist die Vereinbarkeit mit dem Klimaschutzkonzept des Senats zu prüfen.

III. Petitum:

Die Bürgerschaft wird gebeten, Kenntnis zu nehmen.