Wohnen

Abg. Dr. Monika Schaal: Ich wollte gerne auf die Bemerkung von Herrn Mierwald eingehen. Sie haben auf die Drucksache verwiesen und darauf hingewiesen, dass also hier ein Monitoring abgefordert wird aufgrund verschiedener rechtlicher Vorschriften, und gesagt, dass das Monitoring kein Selbstzweck sein kann. Gesetzt den Fall, man macht jetzt dieses Monitoring und stellt fest, dass das eintritt, was jetzt hier befürchtet wird, gäbe es denn ­ das ist vielleicht eine theoretische Frage, aber ich möchte es doch gern erörtert wissen ­, gäbe es denn überhaupt eine Möglichkeit, die negativen Auswirkungen, die man dann feststellen würde, wenn man sie feststellen kann, dass sie korrigierbar wären? Hätte dieses Monitoring sozusagen einen Sinn, um etwas auch wieder verbessern zu können?

Vorsitzender: Herr Mierwald.

Dr. Ulrich Mierwald: Da wir das Ausmaß der Auswirkungen ja noch nicht kennen, kann ich jetzt nicht mit Sicherheit sagen, dass wir durch Maßnahmen an diesem konkreten Standort wirklich den Schaden wieder rückgängig machen können. Es kann sein, es kann nicht sein. Aber dazu ein anderer Hinweis: Es geht ja hier darum, tritt eine erhebliche Beeinträchtigung ­ ich rede jetzt wieder im FFH-Sinne ­ tritt hier eine erhebliche Beeinträchtigung ein, oder nicht? Es ist ja nicht so, dass ­ wenn eine erhebliche Beeinträchtigung eintritt oder vermutet wird, nicht ausgeschlossen werden kann ­ man nicht bauen darf. Das sieht die Richtlinie so gar nicht vor, sondern die Richtlinie hat sehr wohl ja Ausnahmemöglichkeiten aufgezeigt. Und da hat der EuGH auch immer wieder darauf hingewiesen. Aber die Ausnahmemöglichkeiten sind an ganz bestimmte Bedingungen geknüpft. Unter anderem an die Bedingung, dass nachgewiesen werden muss ­ wir gehen jetzt erst einmal davon aus, dass es ein zwingendes Interesse ist, mehr Wohnraum zu schaffen, dass es ein öffentliches Interesse ist ­, aber es muss auch nachgewiesen werden, dass es keine Alternativen gibt, sprich, dass man diesen Bedarf „Wohnraum schaffen" nicht an anderer Stelle ohne vermutliche Beeinträchtigung von Lebensräumen innerhalb von FFH-Gebieten umsetzen kann. Nur wenn das der Fall ist, wenn alles schon zugebaut ist, dann würde man hier auch bauen dürfen. Man müsste aber trotzdem die Beeinträchtigung durch Maßnahmen kompensieren. Das Netz Natura 2000, wo dieser Lebensraum ein Teil ist, muss immer intakt bleiben. Das heißt, es müssen Maßnahmen gemacht werden, dass dieser Lebensraum sich an anderer Stelle entwickelt. Das ist beim quelligen Lebensraum ziemlich schwierig. Ich müsste ja neue Quellenstandorte schaffen. Das ist nicht ausgeschlossen, aber es ist schwierig. Aber es gibt eine andere Möglichkeit, auf die ich gelegentlich mal hinweise, die auch von der Kommission selber stammt, dass man nämlich dann bisher noch nicht gemeldete Bestände des gleichen Typs in das Netz Natura 2000 integriert, sprich nachmeldet. Also es gibt immer Möglichkeiten. Und diese Möglichkeit gäbe es hier im Prinzip dann auch. Wenn wir einen irreparablen Schaden feststellen, dann muss das Netz Natura 2000 geheilt werden. Und wenn es nicht anders geht, dann muss in der gleichen biogeografischen Region eigentlich in Hamburg an anderer Stelle ein bisher noch nicht gemeldeter Auwald gemeldet werden. Wenn das nicht möglich ist und der Schaden tritt ein, dann haben wir die Situation des Mühlenberger Lochs, wo wir jetzt ein Vertragsverletzungsverfahren haben, weil wir genau diese Maßnahmen nicht machen können, weil sie uns rechtlich untersagt worden sind.

Entschuldigung, ganz kurz noch der Nachsatz: Es geht hier um einen prioritären Lebensraum, und wenn der beeinträchtigt wird, haben wir die Kommission zu beteiligen.

Vorsitzender: Da habe ich auch noch mal eine Anschlussfrage im Bezug auf die prioritären Lebensräume. Herr Mierwald hatte ja auch den Vorwurf erhoben, dass es da im Bezug auf diese prioritären Lebensräume ein Defizit bei den Untersuchungen gebe. Da auch die Frage an die Gutachter, wie sie zu diesem Vorwurf Stellung nehmen. Also, ich hatte Herrn Mierwald so verstanden ­ vielleicht habe ich Sie missverstanden, dann bitte ich, es noch einmal klarzustellen ­, ich habe Ihren Vorwurf so verstanden, dass im Hinblick auf die prioritären Lebensräume keine ausreichende Untersuchung vorhanden sei, inwieweit hier eine Beeinträchtigung möglich ist. Aber vielleicht können Sie es ja noch einmal präziser darstellen.

Dr. Ulrich Mierwald: Ich habe es eigentlich nicht nur auf die prioritären Lebensräume gemünzt, sondern auf alle Erhaltungsziele des FFH-Gebietes. Und das, was ich bemängelt habe, ist, dass wir die Bestände der Erhaltungsziele, darunter eben der prioritäre Lebensraum, für die wir oder für die bestimmte Gutachter eine Beeinträchtigung nicht ausschließen, nicht in diese Untersuchung integriert haben. Hätten wir es gemacht, würden wir vielleicht nicht hier sitzen. Denn dann wäre eventuell die Situation klarer.

Vorsitzender: So, jetzt ist der Vorwurf noch mal klar formuliert. Dann bitte ich die Sachverständigen Tegtbauer und Obst, dazu Stellung zu nehmen.

Gerwin Obst: Tut mir leid, habe ich nicht verstanden.

Vorsitzender: Herr Tegtbauer, haben Sie es verstanden?

Dirk Tegtbauer: Nein.

Vorsitzender: Mir schien es relativ klar, aber, Herr Mierwald, versuchen Sie es bitte noch einmal.

Dr. Ulrich Mierwald: Wenn ich als FFH-Gutachter in der Situation sein würde und ich habe hier einen Fachgutachter, einen anerkannten Fachgutachter, der mir eine Aussage liefert, einen anderen anerkannten Fachgutachter, der mir genau das Gegenteil liefert oder zumindest sagt, dass diese Methode nicht hinreichend ist, dann kann ich, angesichts der Rechtsprechung, die wir hier haben, nicht zu dem Ergebnis kommen, dass keine erhebliche Beeinträchtigung vorliegt, denn dann bestehen für mich als gewissenhafter Gutachter immer noch vernünftige Zweifel bestehen. Die müssen erst ausgeräumt werden.

Vorsitzender: Da hat sich Frau Dr. Schaal gemeldet. Ja, bitte, Herr Obst, wenn Sie jetzt Stellung nehmen wollen?

Gerwin Obst: Diese Zweifel habe ich an dieser Seite des Gutachtens von Mull & Partner nicht, weil ich mit meinen Plausibilitätsberechnungen und den vor Ort gesehenen Sachen meine Einschätzung auch nach wie vor beibehalte. Mir ist auch von anderer Seite bislang, ich wiederhole mich, kein stichhaltiges Argument gekommen, wodurch ich meine Einschätzung revidieren müsste.

Vorsitzender: Dann jetzt Frau Dr. Schaal.

Abg. Dr. Monika Schaal: Ich möchte noch einmal an den Gedankengang anknüpfen, den Sie entfaltet haben im Anschluss an das Monitoring. Sie haben gesagt, dass es einen Nachweis geben muss, dass es keine Alternative zu diesem Projekt gebe, und wenn man das denn doch täte, wenn man diesen Eingriff vornimmt, müsste es denn Maßnahmen geben, also muss der Schaden kompensiert werden. Ist es eigentlich notwendig, dass in so einem Plan dann auch schon die Abwägung, die Alternativenabwägung drinstehen muss, und muss in einem Plan dann auch drinstehen, welche möglichen Kompensationsmaßnehmen vorgesehen werden können oder vorgenommen werden könnten, was dazu zur Verfügung stehen würde? Hätte das irgendwelche rechtserheblichen Folgen?

Dr. Ulrich Mierwald: Zum einen: Wenn wir eine erhebliche Beeinträchtigung nicht ausschließen können, also uns unsicher sind, dann muss zwingend vor der Zulassung, müssen die Ausnahmetatbestände geprüft werden. Das wären die Darlegung der zwingenden Gründe des Vorhabens, die Darlegung, dass das öffentliche Interesse an diesem Vorhaben, das öffentliche Interesse an Natura 2000 überwiegt, die Darlegung, dass es keine Alternativen gibt, und die konkrete Benennung von Kompensationsmaßnehmen, wie dieser Schaden geheilt wird. Und bei prioritärem Lebensraum muss auch noch die Stellungnahme der Kommission eingeholt werden. Dieses sind die Zulassungsvoraussetzungen. Wenn der andere Fall eintritt, dass nun die Zulassungsbehörde so ein Vorhaben zulässt, und es klagt keiner ­ vor Gericht würde wahrscheinlich die Gerichtsentscheidung zumindest nach der aktuellen Rechtsprechung in dem Sinne des Halle-Urteils ablaufen ­, es bestehen immer noch Zweifel, und die müssen ausgeräumt werden. Wenn aber keiner klagt und der Schaden tritt nachher ein, dann müssen diese Maßnahmen auch ergriffen werden und sie müssen der Kommission gemeldet werden. Wie die Kommission darauf reagiert, weiß ich nicht, es gab so einen Fall mit einer Wohnbebauung noch nicht. Es gab andere Fälle, wo etwas umgesetzt worden ist ­ Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich ­, wo dann der Schaden festgestellt worden ist. Daraufhin wurde zurückgebaut. Das war der Golfplatz.

Vorsitzender: Gut. Gibt es weitere Fragen? Ich hätte sonst noch eine, das betrifft einen Punkt, den Herr Lennartz benannt hat, nämlich die Frage, inwieweit unterschiedliche Klimaszenarien Einklang zu finden hätten in das Gutachten. Es ist ja nun tatsächlich so, dass die Vorhersagen immer kleinräumiger werden. Gerade hier in Hamburg haben wir auch mit dem MPI und dem Klimarechenzentrum die entsprechende Kompetenz, und die Gitterraster werden immer kleiner für die Vorhersagen.

Zum einen: Haben Sie künftige Änderungen des Klimawandels in die Begutachtung mit einbezogen? Und zum Zweiten: Wie groß waren sozusagen die Raster, auf die Sie sich bezogen haben, wie kleinräumig waren die Änderungen, von denen Sie ausgegangen sind? ­ Bitte, Herr Tegtbauer.

Dirk Tegtbauer: Also, klimatische Änderungen haben wir nicht berücksichtigt, aus einem Grunde: Wir reden über ein Gebiet, in dem das gleiche Klimageschehen herrscht, egal, ob ich dort jetzt ein Haus hinbaue oder nicht. Dadurch, wenn ich dort langfristige klimatische Änderungen haben werde, was anzunehmen ist, dann ergeben sich Änderungen, die aber nicht ihre Ursache in der Bebauung haben. Und des Weiteren haben wir sehr wohl verschiedene Zustände gerechnet, mit Feuchtzeiträumen und mit Trockenzeiträumen und auch in mittleren Zeiträumen. Die Ergebnisse hatte ich ja auch vorhin zum Teil dargestellt für den Trockenzeitraum, dass der Stauwasserzufluss dann größtenteils sogar trocken fällt. Insofern haben wir ein normales Spektrum abgedeckt, und wenn darauf ja so großräumige klimatische Änderungen draufgelegt werden, dann spielt die zusätzliche Bebauung eine untergeordnete Rolle.

Vorsitzender: Herr Obst, Sie wollten noch ergänzen?

Gerwin Obst: Ja, ich frage mich, wie... Bei Modellberechnungen ist eh die Unsicherheit vorhanden, es hängt ja davon ab, was man da an Inputs gibt. Wenn ich jetzt noch diesen Input Klimawandel obendrauf setze, was für sichere Angaben habe ich denn dann im Endeffekt noch? Dann kann ich überhaupt gar nichts mehr dazu sagen. Dann habe ich immer eine unwahrscheinliche, immer. Dann kann ich nichts machen. Also da kriege ich kein Ergebnis mehr. Also für mich, bei meiner Betrachtung der FFHProblematik, hat das auch keine Relevanz. Ich betrachte die Erhaltungsziele und die Auswirkung des Vorhabens und auch im Zusammenhang mit anderen Plänen und Projekten. Und in dem Zusammenhang hat der Klimawandel für mich keine Relevanz.

Vorsitzender: Wenn ich kurz nachfragen darf. Es gibt ja nun schon so etwas wie eine wissenschaftliche Wahrscheinlichkeit, dass die Sommerperioden trockener werden in unseren Breitengraden, die Winterperioden deutlich feuchter werden. Das ist doch etwas, was man als Grundlage... wenn die Wissenschaft uns sagt, das kommt so, natürlich nicht mit einer hundertprozentigen Sicherheit. Aber nun liegt es doch für mich erst einmal näher, zu sagen, dann legen wir auch das zugrunde, was die Wissenschaft an Vorhersagen uns gibt. Und wir legen nicht das zugrunde, was der heutige Zustand ist, denn es ist ja nach den wissenschaftlichen Vorhersagen eher unwahrscheinlich, dass es so bleibt.

Gerwin Obst: Bloß, was sind die wissenschaftlichen Sachen? Sind das 100 Millimeter mehr im Jahr im Winter und dafür weniger im Sommer, oder sind das 50? Was soll ich denn da zur Grundlage nehmen? Gibt es diese definitiven Aussagen? Meines Wissens nicht ­ und nicht, in welchem Zeitraum. Dann gibt es Zeiträume von 50, 100

Jahren, 150 Jahren ­ macht auch nichts. Die betrachteten Auenwälder könnten damit sogar umgehen. Wenn das Gesamtwasservolumen bleibt, im Winter feucht, im Sommer sinken die Wasserstände sowieso deutlich. Das sieht man ja auch in den trockenen Jahren, da sind die Wasserstände deutlich, wie in 2004, da waren sie staubtrocken im Sommer. Das würde sich nur vielleicht ein bisschen verstärken. Ich würde noch nicht einmal davon ausgehen, dass das eine Auswirkung hätte.

Vorsitzender: Ich hatte jetzt aufseiten der Sachverständigen Herrn Schulze, Herrn Tegtbauer und Herrn Mierwald dazu. Und dann alle noch einmal.