Suizid-Therapiezentrum in Gefahr

Hamburg steht bundesweit an vierter Stelle bei der Selbstmordrate. Jährlich sterben 300 Personen durch einen Suizid, über 4000 Hamburger werden nach einem Selbstmordversuch in eine Klinik eingeliefert.

Das Therapiezentrum für selbstmordgefährdete Menschen (TZS) des Universitätsklinikums Hamburg, in dem Menschen mit Selbstwertproblemen, Beziehungsproblemen und seelischen Krisen behandelt werden, steckt nach Presseberichten in erheblichen finanziellen Problemen.

Ich frage den Senat:

1. Welche speziellen Beratungs- und Betreuungseinrichtungen für selbstmordgefährdete Menschen gibt es in Hamburg?

Hamburg verfügt über ein breites Angebot von Einrichtungen zur Beratung von selbstmordgefährdeten Menschen.

Der aktuelle Stand der Angebote wird von der BAGS in ca. eineinhalbjährigem Abstand ermittelt (aktueller Stand Februar 1998) und mit Hilfe des Merkblattes „Wo suizidgefährdete Menschen in Hamburg Hilfe finden" bekanntgemacht. Die darin genannten Einrichtungen leisten entweder selbst Hilfe oder verweisen an andere Stellen weiter, die Hilfen für suizidgefährdete Menschen und deren Angehörige anbieten.

Zusätzlich zum Therapiezentrum für Suizidgefährdete (TZS) stehen als spezielle Beratungs- und Betreuungseinrichtungen für suizidale Erwachsene tagsüber (neben niedergelassenen Nervenärztinnen und -ärzten sowie niedergelassenen Psychotherapeutinnen und -therapeuten) die Sozialpsychiatrischen Dienste der Gesundheits- und Umweltämter sowie die Institutsambulanzen der psychiatrischen Abteilungen der Allgemeinen Krankenhäuser Bergedorf, Eilbek, Harburg und des Klinikums Nord wie auch die Poliklinik der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitäts-Krankenhauses Eppendorf (UKE) zur Verfügung. Des weiteren besteht ein Betreuungsangebot bei freien Beratungsstellen wie z. B. der „Boje" in Eimsbüttel und Billstedt, der Psychosozialen Kontaktstelle „Lotse" oder dem Sozialpsychiatrischen Beratungszentrum Altona. Daneben bieten auch kirchliche Einrichtungen wie die Telefonseelsorge beim Diakonischen Werk oder das Beratungszentrum St.Petri Hilfe für Betroffene an. Nachts stehen für Erwachsene neben dem Ärztlichen Notfalldienst die psychiatrischen Abteilungen der Allgemeinen Krankenhäuser sowie die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKE zur Verfügung.

Für suizidgefährdete Kinder und Jugendliche bieten tagsüber (neben niedergelassenen Kinderärztinnen und -ärzten, Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiatern sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten) die Jugendpsychiatrischen Dienste der Gesundheits- und Umweltämter, die Ambulanz der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters des UKE, die Psychosomatische Abteilung der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des UKE und die kinder- und jugendpsychiatrische Abteilung des Katholischen Kinderkrankenhauses Wilhelmstift ein adäquates Beratungs- und Betreuungsangebot. Nachts wird die Betreuung durch den Kinder- und Jugendnotdienst und durch die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKE sichergestellt.

2. Welche Rolle kommt in diesem Zusammenhang der Arbeit des Therapiezentrums für selbstmordgefährdete Menschen am UKE zu, und wie bewertet der Senat die Arbeit des TZS?

Die Bedeutung des TZS im UKE wird von der zuständigen Behörde als hoch eingeschätzt. Es ist bundesweit die einzige Einrichtung, die ausschließlich für suizidgefährdete Menschen ein speziell entwickeltes psychotherapeutisches Angebot im Umfang von drei bis sechs Monaten ohne Wartezeit vorhält.

3. Ist dem Senat der oben geschilderte Sachverhalt bekannt, dass das Zentrum finanzielle Probleme hat und in seinem Bestand gefährdet ist? Wenn ja: Seit wann und was hat der Senat bisher unternommen?

Der Senat war nicht befaßt.

4. Wie hoch ist der Finanzierungsbedarf für das Zentrum?

Der Finanzierungsbedarf für das TZS beläuft sich nach Angaben des Direktoriums des UKE auf rund 750 TDM pro Jahr; hiervon entfallen rund 500 TDM auf den Bereich der Krankenversorgung und rund 250 TDM auf den Bereich von Forschung und Lehre.

5. Wurde das Therapiezentrum bisher aus öffentlichen Mitteln gefördert? Wenn ja: Seit wann, in welcher Höhe und wie ist die Förderung gestaltet? Wenn nein: Warum nicht?

6. Was wird der Senat unternehmen, um den Erhalt des Therapiezentrums sicherzustellen?

Das TZS erhielt im Rahmen eines Schenkungsvertrages von einem privaten Spender eine Anschubfinanzierung in Höhe von 2,2 Millionen DM. Hinzu kamen 800 TDM, zu deren Zahlung sich die Freie und Hansestadt Hamburg in dem Schenkungsvertrag verpflichtet hatte, sowie eine anteilige Bundesfinanzierung der sich auf ca. 700 TDM belaufenden Investitionskosten. Die Anschubfinanzierung ist 1995 ausgelaufen.

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat sich im Vertrag mit dem Spender der Anschubfinanzierung verpflichtet, das TZS auch nach Auslaufen der Anschubfinanzierung weiter zu betreiben, solange das TZS weiter zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt wird und sichergestellt ist, daß kostendeckende Behandlungsentgelte gezahlt werden.

Die beiden Arbeitsbereiche des TZS werden derzeit wie folgt finanziert: Die Ambulanz für die psychotherapeutische und psychiatrische Behandlung suizidal dekompensierter Patienten ist über eine Ermächtigung nach §118 SGB V zur Sicherstellung der bedarfsgerechten ambulanten Versorgung ermächtigt; ihr stehen die von den Krankenkassen nach §§118, 120 SGB V erhaltenen Vergütungen zur Verfügung. Die Krankenkassen haben gegen die durch Spruch der Schiedsstelle festgelegten Fallkostenpauschalen Widerspruch vor dem Sozialgericht erhoben. Dieses Verfahren ruht derzeit in gegenseitigem Einvernehmen, um die Ergebnisse einer Prüfung durch den Medizinischen Dienst abzuwarten. Die Aufteilung der insoweit vorläufigen Pauschalen auf die einzelnen Ambulanzen wird durch die Kernklinik vorgenommen.

Die Forschungsgruppe „Suizidalität und Psychotherapie" wird aus Haushaltsmitteln des UKE finanziert.

Der Finanzierungsbedarf der beiden Arbeitsbereiche ist im Budget der Kernklinik abgedeckt. Das Direktorium des UKE sieht vor diesem Hintergrund keine aktuellen finanziellen Probleme oder gar eine Bestandsgefährdung des TZS.