Unterhaltsvorschuss und die Heranziehung der Unterhaltspflichtigen

In Deutschland kommen nach wie vor ca. 800 000 Unterhaltspflichtige ihrer Unterhaltspflicht nicht nach. Weitere 800 000 Unterhaltspflichtige zahlen den Unterhalt für ihre Kinder unregelmäßig oder nicht in ausreichender Höhe. Daher entstehen dem Staat bundesweit ca. 1,7

Milliarden DM an Kosten für Unterhaltsvorschussleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG). In Hamburg sind 1997 über 48 Millionen DM an Unterhaltsvorschussleistungen ausgezahlt worden. Die Rücklauf- bzw. Einnahmequote betrug nur 13,2 Prozent. Hierbei muss unterschieden werden, warum die Unterhaltspflichtigen ihren Verpflichtungen nicht nachkommen bzw. nicht nachkommen können. Ein Teil der Unterhaltspflichtigen wird effektiv nichts leisten können, da sich die Unterhaltspflichtigen selbst in sozialen Notlagen befinden.

Ein Teil der Unterhaltspflichtigen entzieht sich jedoch ganz bewusst der Verpflichtung.

Ich frage den Senat:

1. Welche Erfahrungen hat der Senat mit der am 1. Juli 1998 in Kraft getretenen Verwaltungsvorschrift VV J 5/98 (Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen oder -ausfallleistungen und die Heranziehung der Unterhaltspflichtigen) bisher gemacht?

Die Heranziehung von Unterhaltspflichtigen ist effizienter geworden, insbesondere ist mit der Beweislastumkehr hinsichtlich der Frage der Leistungsfähigkeit der Unterhaltspflichtigen eine deutliche Vereinfachung bei der Durchsetzung von Ansprüchen eingetreten.

1. a) Hält der Senat eine Verbesserung des Verfahrens zur Heranziehung Unterhaltspflichtiger für erforderlich? Wenn ja, in welchen Bereichen und wann soll diese Verbesserung eingeführt werden? Wenn nein, warum nicht?

Der Zeitraum für Erfahrungen mit der Verwaltungsvorschrift ist für eine fundierte Einschätzung weiterer Verbesserungsmöglichkeiten noch zu kurz.

1. b) In welchem Maße wurden Fortbildungsveranstaltungen zu diesem Thema angeboten und in Anspruch genommen? Ist eine Ausweitung der Fortbildung geplant? Wenn ja, für welchen Zeitraum? Wenn nein, warum nicht?

Im Rahmen eines im November 1998 durchgeführten dreitägigen Fachseminars zur Kindschaftsrechtsreform und zum neuen Kindesunterhaltsgesetz wurden insbesondere Belange der Unterhaltsberechnung behandelt, die auch Grundlage für die Heranziehung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sind. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Jugendämtern aller Bezirksämter nahmen daran teil.

Darüber hinaus fanden im zweiten Halbahr 1998 zwei Fachbesprechungen in der zuständigen Behörde mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Unterhaltsvorschussabteilungen der Jugendämter statt, in denen insbesondere die Anwendung der Verwaltungsvorschrift im Mittelpunkt stand. Weitere Fachbesprechungen sind für 1999 vorgesehen.

2. Seit Mitte 1998 bestehen weitreichende Zugriffsmöglichkeiten zur Datenerforschung.

a) In welchem Maße wurden von der Verwaltung zur Heranziehung Unterhaltspflichtiger Auskünfte bei den Kfz-Zulassungsstellen, bei privaten Versicherungen und bei der Sozialversicherung eingeholt?

b) Welche Erfahrungen wurden mit diesen neuen Datenerforschungsmöglichkeiten gemacht?

c) Zu welchen Erfolgen haben diese Methoden geführt?

Die erweiterten gesetzlichen Möglichkeiten zur Ermittlung des Aufenthalts und der Leistungsfähigkeit der Unterhaltspflichtigen werden intensiv genutzt. Die Erfahrungen mit Anfragen beim Kraftfahrt-Bundesamt sind unterschiedlich; teilweise erwiesen sich die Auskünfte über den Wohnsitz als nicht zutreffend oder überholt, teilweise konnte der Aufenthaltsort ermittelt werden. Anfragen bei privaten Versicherungen erfolgen in der Regel nur dann, wenn eine konkrete Versicherung namentlich bekannt ist.

Das ungezielte Anschreiben einer Vielzahl von Versicherungen hat sich dagegen als wenig erfolgversprechend herausgestellt. Die Sozialversicherungsträger dagegen werden seit langem regelhaft und mit Erfolg angefragt. Die Zahl der Unterhaltspflichtigen mit „unbekanntem Aufenthalt" ist zurückgegangen.

2. d) Wo wird weiterer Bedarf in der Datenerforschung gesehen?

Die zuständige Behörde wertet die Praxis des Heranziehungsverfahrens aus. Sobald ein weiterer Bedarf in der Datenerforschung erkennbar werden sollte, wird sie die erforderlichen Schritte veranlassen. Vgl. im Übrigen die Antwort zu 1.a).

3. Mit dem Projekt Jugendamts-Automation (PROJUGA) soll eine Unterstützung der bezirklichen Jugendhilfe durch moderne Informations- und Kommunikationstechniken erfolgen.

Für die Projektphase II ist neben anderen Modulen auch das Modell „Mündelgeldverwaltung/Einnahmeverwaltung" vorgesehen. Bleibt es bei der angekündigten Realisierung und Einführung des PROJUGA II bis Ende 1999? Wenn ja, welche Ergebnisse und positive Effekte werden hiervon erwartet? Gibt es eine Möglichkeit, dieses Programm zu einem früheren Zeitpunkt bereits einzuführen, und kann dies auch realisiert werden? Wenn nein, warum nicht?

Nach Abschluss der Ausbildung und Einarbeitung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter startet im März 1999 der Entwicklungsprozess für das PROJUGA-Modul „Einnahmeverwaltung/Mündelgeldverwaltung". Nach den derzeitigen Planungen ist für die Dauer dieses Prozesses ein Zeitraum von 13 Monaten vorgesehen. Mit diesem Modul und der bereits realisierten Unterstützung des operativen Verwaltungshandelns wird eine schnellere und effektivere Aufgabenwahrnehmung möglich.

4. Ist die Prüfung des Senatsamtes für Bezirksangelegenheiten hinsichtlich der Fragen, welche Sachbearbeiterfunktionen des operativen Verwaltungshandelns in den Bereichen Bewilligung und Kostenabrechnung durch EDV unterstützt werden sollen, welche fachlichen, verwaltungsmäßigen und finanziellen Verluste daraus zu erwarten und welche steuerungsrelevanten Informationen dadurch zu gewinnen sind, abgeschlossen? Wenn ja, welches Ergebnis hatten die Prüfungen und welche Maßnahmen werden daraus abgeleitet und wann umgesetzt? Wenn nein, warum nicht und wann wird mit einem Ergebnis zu rechnen sein?

Die Prüfung bezieht sich nicht auf den Bereich Unterhaltsvorschussgesetz, sondern auf den Bereich Hilfen zur Erziehung und ist noch nicht abgeschlossen. Erarbeitet wurde von einer überbehördlichen Arbeitsgruppe ein Rahmenkonzept für eine IuK-Unterstützung des operativen Verwaltungshandelns und der strategischen Steuerung im Bereich Hilfen zur Erziehung. Dabei erfolgte zunächst eine grundsätzliche Orientierung an der gegenwärtigen Arbeitsweise. Kernpunkte des Konzeptes sind die Bereiche:

­ Bewilligung,

­ Zentrale Heimplatzvermittlung,

­ Zahlungsgeschäft,

­ Heranziehung,

­ Kostenerstattung auswärtiger Jugendhilfeträger,

­ Statistik/Berichtswesen,

­ Schnittstellen zu anderen Arbeitsbereichen und

­ HzE-Leitstelle.

Für die IuK-technische Realisierung erfolgte eine erste Prüfung der Varianten

­ Realisierung eines PROJUGA-Moduls „Hilfen zur Erziehung" und

­ Nutzung marktgängiger Standard-Produkte für den Jugendamtsbereich.

Auf Grund der Ergebnisse dieser Prüfung hat die vom Senat eingesetzte Lenkungsgruppe „Hilfen zur Erziehung" im November 1998 beschlossen, dass ein IuK-Verfahren zur Unterstützung der Vorgangsbearbeitung und zur Steuerung im Bereich Hilfen zur Erziehung mit dem dargestellten Funktionsumfang erstellt werden soll. Des Weiteren sind Aufträge zur Erarbeitung eines Feinkonzepts ­ unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisse des Projekts „Aufgabenanalyse ASD" ­ zur Aufnahme des Verfahrens in den IuK-Plan 2000 sowie zur Sicherstellung der „elektronischen Zwischenlösung" für den Übergangszeitraum beschlossen worden.

5. Welche Erfahrungen wurden mit dem bereits in der Drucksache 16/1334 angekündigten System für Controlling und Steuerung unter Verwendung eines „Data-Warehouse"-Moduls gemacht?

Erfahrungen liegen noch nicht vor. Der Aufbau des angekündigten Systems wird im Zusammenhang mit der Realisierung der IuK-Umsetzung für den Bereich Hilfen zur Erziehung angestrebt.

6. a) Zu welchem Ergebnis ist der Senat hinsichtlich der Prüfung, ob durch eine Vergabe einer wissenschaftlichen Studie, die sich auf das vorhandene Aktenmaterial und eine Befragung von Unterhaltspflichtigen stützen soll, ergänzende Erkenntnisse zu Ursachen, Gründen und Motiven für nicht geleisteten Unterhalt ermittelt werden können, gekommen?

b) Wurde eine solche Studie bereits ausgeschrieben und in Auftrag gegeben bzw. wann soll dies geschehen? Wann ist mit dem Ergebnis zu rechnen?

c) Hält der Senat die Wiederholung einer solchen Studie ­ nach welchem Zeitraum ­ für sinnvoll?

d) Falls eine solche Studie nicht geplant ist, warum nicht?

Die Vergabe einer wissenschaftlichen Studie soll abhängig gemacht werden von den erwartbaren Effekten der Verwaltungsvorschrift, in der insbesondere die Fragen der Heranziehung Unterhaltspflichtiger spezifiziert sind, und nach Vorliegen der Einnahmeentwicklung bis Mitte 1999 erneut geprüft werden.

7. Welche Erfahrungen wurden mit der Vernetzung mit dem automatischen Mahnverfahren beim Amtsgericht Hamburg gemacht?

Das automatisierte Mahnverfahren beim Amtsgericht Hamburg ist so angelegt, dass Anträge auf Erlass eines Mahnbescheides per Datenträger oder per Beleg eingereicht werden können. Insofern besteht mit dem Verfahren PROJUGA keine Vernetzung.

Die Forderungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, die über das Verfahren PROJUGA abgewickelt werden, werden von der Landeshauptkasse per Diskette beim Amtsgericht eingereicht. Dieses Verfahren wird von der Landeshauptkasse erst seit kurzer Zeit praktiziert, sodass noch keine auswertbaren Erfahrungen vorliegen.

8. Welches Ergebnis hat die Prüfung, ob durch die Inanspruchnahme von Anwälten im Zusammenhang mit Leistungen nach dem UVG effizientere Formen der Heranziehung Unterhaltspflichtiger möglich sind, ergeben?

Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.

9. Personen, die mit Kindern leben, erhalten keine anderen Bezüge bei der Arbeitslosenhilfe als solche, die ohne ihre Kinder leben. Was hält der Senat von Überlegungen, bei der Gewährung von Arbeitslosenhilfe in solchen Fällen den Selbstbehalt im Unterhaltsrecht für abwesende Elternteile zu streichen, so dass dieser nur denjenigen zugute kommen kann, die auch die Kinder versorgen?

Der Senat war mit dieser Fragestellung nicht befasst und sieht von einer Bewertung im Rahmen der Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage ab.