Gesetz

2. Weiterhin bestehen auch erhebliche Bedenken gegen die Einhaltung des Schriftformerfordernisses des § 3 Abs. 1 Wahlprüfungsgesetz, die gleichfalls zulasten des Einspruchsführers gehen müssen.

Die Formgerechtigkeit eines Wahleinspruchs per Telefax ist auf der Bundesebene anerkannt, falls das Originaldokument eigenhändig unterzeichnet ist (vgl. Drucksache 14/1560, Anlage 6). Am Vorliegen dieser Voraussetzung bestehen aber aufgrund des Inhalts und der Form des Schreibens vom 25. April 2008 und dessen Anlage erhebliche Zweifel:

Wie sich aus dem unter (1) dargelegten Sachverhalt ergibt, bezeichnet der Einspruchsführer das beigefügte Dokument im ersten Satz als „Original", im letzten aber als „Zweitausdruck meines Einspruchs". Beides ist nicht vollständig zutreffend. Um das Original handelt es sich nicht, weil die auf dem Faxausdruck abgebildete Unterschrift fehlt. Es handelt sich auch nicht um einen Zweitausdruck, denn der Einspruchsführer hat das Dokument, welches das Datum von 24. April 2008 trägt, offensichtlich nachträglich durch den Zusatz „Gez. Matthias C (...)" verändert, da sich eine derartige Textpassage nicht auf dem Faxausdruck des Rathauses findet. Warum der Einspruchsführer hier nicht das von ihm unterzeichnete Original beigefügt hat, ist nicht nachvollziehbar.

II. Der Einspruch ist aber jedenfalls auch unbegründet.

Der Einspruchsführer trägt nicht, wie in § 5 Wahlprüfungsgesetz vorgegeben, vor, dass eine wahlrechtliche Vorschrift unbeachtet geblieben oder unrichtig angewandt worden sei. Er hält stattdessen § 4 Bürgerschaftswahlgesetz (BüWG) für unvereinbar mit der Hamburgischen Verfassung. Die Bürgerschaft kann jedoch nicht die Unvereinbarkeit von § 4 BüWG mit der Verfassung feststellen. Das ist dem Hamburgischen Verfassungsgericht vorbehalten. Schon deshalb wäre der Wahleinspruch von der Bürgerschaft zurückzuweisen.

Der Einspruchsführer kann aber gegen eine den Einspruch zurückweisende Entscheidung der Bürgerschaft nach §§ 14 Nr. 7, 47 ­ 49 a Verfassungsgerichtsgesetz Beschwerde einlegen; das Verfassungsgericht kann dann die Wirksamkeit der Vorschrift als Vorfrage für seine Entscheidung prüfen (vgl. HVerfG, Urteil vom 20. September 2005, HVerfG 10/04)

Die Vorschrift des § 4 BüWG ist jedoch mit der Hamburgischen Verfassung vereinbar.

Das Hamburgische Verfassungsgericht hat in dem Urteil vom 27. April 2008 (HVerfG 04/06) Art. 1 Nr. 3.3 des Wahlrechtsänderungsgesetzes (Regelung über die Relevanzschwelle) wegen Verstoßes gegen das durch Art. 3 Absatz 1 HV verfassungsrechtlich gewährleistete Gebot der Normenklarheit für verfassungswidrig und nichtig erklärt (S. 3, 37 ­ 41). Maßgeblich war hier vor allem die Überlegung, dass wegen der Höhe der Relevanzschwelle ein Überschreiten eher theoretisch als praktisch möglich ist. Ergänzend hat das Hamburgische Verfassungsgericht ausgeführt, dass auch die in der ursprünglichen Fassung des vom Volksgesetzgeber beschlossenen § 4 Absatz 3 BüWG wegen der dort vorgesehenen Nichtwertung der Listenstimmen erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt ist (S. 41). In den sich anschließenden Sätzen wird der Gesetzgeber aufgefordert, zeitnah für eine verfassungsgemäße Regelung zu sorgen, die der Normenklarheit hinsichtlich der Berücksichtigung der ausdrücklich vorgesehenen Listenstimmen bei der Sitzverteilung innerhalb der Wahlkreise genügt (S. 41).

Die Formulierung des § 4 Absatz 3 Satz BüWG, wonach die auf den Wahlvorschlag entfallenden Sitze entweder in der Reihenfolge der Listenplatzierung und der Persönlichkeitsstimmen oder allein in der Reihenfolge der Listenplatzierungen oder der Persönlichkeitsstimmen vergeben werden, entspricht den Vorgaben des Hamburgischen Verfassungsgerichts zu den Anforderungen an die Normenklarheit. Der Wähler kann aus dieser Formulierung erkennen, dass er die Liste en bloc akzeptieren oder aber verändern kann. Dass die Intention des Wählers durch abweichendes Verhalten anderer Wähler möglicherweise nicht zum Erfolg führt, ist jedem Wahlsystem grundsätzlich immanent und kann nicht als Argument gegen die Normenklarheit angeführt werden.

Zudem ist diese Regelung dem niedersächsischen Kommunalwahlgesetz entnommen (vgl. Bürgerschafts-Drs. 18/6339 vom 31.05.2007, S. 4 f.). Sie ist in Niedersachsen bisher vom dortigen Staatsgerichtshof nicht beanstandet worden."

Der Einspruchsführer hatte Gelegenheit erhalten, hierzu eine Erwiderung abzugeben.

Von dieser Möglichkeit machte er mit seinem Schreiben vom 12. Juni 2008 Gebrauch.

Unter Anderem habe er mit einem Auszug aus dem Einzelverbindungsnachweis seines Telefonanschlusses nachgewiesen, dass zwei Faxe noch rechtzeitig an die Bürgerschaftskanzlei gesandt worden seien.

Die Landeswahlleitung ist aufgrund dessen zu dem Schluss gekommen, dass ein fristgerechter Eingang des Einspruches zu unterstellen sei. Es habe sich außerdem herausgestellt, dass der Bürgerschaftskanzlei ein unterschriebenes Exemplar vorliege. Hinsichtlich der Zulässigkeit des Einspruches würden daher keine Bedenken mehr bestehen. Trotzdem sei der Einspruch aber als unbegründet zurückzuweisen.

Der Verfassungs- und Bezirksausschuss hat sich in seiner Sitzung am 19. Juni 2008 mit dem Einspruch befasst und sich der Meinung des Landeswahlleiters einstimmig angeschlossen.

Ausschussempfehlung

Der Verfassungs- und Bezirksausschuss empfiehlt der Bürgerschaft einstimmig,

1. die Wahleinsprüche 01/08 bis 04/08, 06/08 und 08/08 zurückzuweisen,

2. aufgrund des Wahleinspruchs 05/08 folgenden Beschluss zu fassen: „Die Bürgerschaft,

a. stellt fest, dass durch den Landeswahlausschuss am 05. März 2008 die Zahl der zur Bürgerschaft am 24. Februar 2008 Wahlberechtigten mit 1.237.397 Personen um 726 Personen zu hoch feststellt wurde,

b. ermächtigt die Landeswahlleitung, die Zahl der zur Bürgerschaft am 24.02.2008 Wahlberechtigten mit 1.236.671 Personen im Amtlichen Anzeiger bekannt zu machen und bei der Auflistung der Angaben zu den einzelnen Wahlbezirken für den Wahlbezirk 425 13 die Zahl der Wahlberechtigten von 1.452 auf 726 herabzusetzen." Britta Ernst, Berichterstattung.