Ausweispflicht und individuelle Kennzeichnung von Polizeibediensteten

Die Ausweispflicht und die individuelle Kennzeichnung von Polizeibediensteten sind derzeit nicht im Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) geregelt, sondern nur unzureichend in der Polizeidienstvorschrift 350 (PDV 350).

Im Hinblick auf die individuelle Kennzeichnung von Polizeibediensteten durch Namensschilder wird in der PDV 350 auf eine Dienstvereinbarung zwischen der Dienststelle Polizei und dem Personalrat verwiesen, die am 10. Juli 1995 in Kraft getreten ist. Das Tragen von Namensschildern soll nach dieser Dienstvereinbarung ein Schritt sein, um „Anonymität abzubauen, Offenheit zu signalisieren, die Ansprechbarkeit zu erhöhen, den Dialog zu fördern und dadurch das Vertrauensverhältnis Bürger-Polizei zu verstärken". Wörtlich heißt es in der Dienstvereinbarung: „Aus dem Grundgedanken der Vorbildfunktion der Vorgesetzten heraus wird mit den Beamten des höheren Dienstes, den Revierführern und vergleichbaren Funktionsinhabern das Tragen von Namensschildern verbindlich vereinbart. Beamte, die sich in der Ausbildung zum mittleren Polizeivollzugsdienst befinden, haben ihr Namensschild während der Schulzeit zu tragen.

Für die Beamten des Besonderen Fußstreifendienstes bleibt die Verpflichtung zum funktionsbezogenen Tragen des Namensschildes bestehen.

Bei Einheiten im geschlossenen Einsatz trägt der verantwortliche Einsatzführer das Namensschild, um jederzeit für den Bürger der erkennbare Ansprechpartner zu sein.

Für alle anderen Beamten gilt für das Tragen von Namensschildern der Grundsatz der Freiwilligkeit."

Die Problematik dieser Dienstvereinbarung besteht darin, dass der Adressatenkreis allein auf die Hamburger Polizei beschränkt ist und aufgrund der Rechtsnatur der Dienstvereinbarung nach dem HmbPersVG auch nur sein kann. Daraus folgt, dass auswärtige Polizeibedienstete, insbesondere solche, die in geschlossenen Einheiten bei Demonstrationen und Großveranstaltungen eingesetzt werden, keine individuelle Kennzeichnung tragen müssen.

Der Grundsatz der Freiwilligkeit hinsichtlich des Tragens von Namensschildern gilt im Wesentlichen für den gesamten mittleren und gehobenen Dienst der Hamburger Polizei. Auch die Hamburger Polizeibediensteten, die in Einheiten im geschlossenen Ein satz tätig sind, unterliegen keiner individuellen Kennzeichnungspflicht, sondern nur der verantwortliche Einsatzführer, der verpflichtet ist, ein Namensschild zu tragen.

Das Ziel der Dienstvereinbarung, dass „grundsätzlich alle uniformierten Polizeibeamten während des Dienstes ihr Namensschild tragen" sollen, muss aber gerade für die Einheiten im geschlossenen Einsatz sichergestellt werden, da diese bei Demonstrationen und anderen Großeinsätzen auf eine Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern treffen.

Auch die Ausweispflicht ist nicht gesetzlich geregelt, sondern ebenfalls nur Regelungsgegenstand der PDV 350. Demnach sind Polizeibedienstete verpflichtet, sich mit der Dienstnummer auszuweisen. Bei Demonstrationen und Großeinsätzen sind Polizeibedienstete der Bereitschaftspolizei allerdings häufig aufgrund der spezifischen Einsatzsituation nicht in der Lage, sich auszuweisen. Auch deshalb ist eine individuelle Kennzeichnung zur Identitätsfeststellung notwendig.

Ohne die gesetzliche Ausweis- und individuelle Kennzeichnungspflicht von Polizeibediensteten ist staatliches Handeln nicht personell zurechenbar.

In dem Positionspapier „Kennzeichnungspflicht für BeamtInnen mit Polizeibefugnissen" von amnesty international, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., ist im Hinblick auf die besondere Problematik von Polizeigewalt ausgeführt: „Die Straflosigkeit von BeamtInnen mit Polizeibefugnissen ist eines der zentralen menschenrechtlichen Probleme in Europa. Die fehlende Möglichkeit der individuellen Identifizierung eines „polizeilichen Täters" trägt dazu bei, dass dieser für die Anwendung ungesetzlicher Polizeigewalt strafrechtlich nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann.

Amnesty international ist bekannt, dass auch in Deutschland immer wieder „polizeiliche Täter" strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden können, weil ihre Identität selbst bei dokumentierten ungesetzlichen Übergriffen nicht aufgedeckt werden kann." Lösung

Die gesetzliche Normierung der Ausweis- und Kennzeichnungspflicht von Polizeibediensteten garantiert die individuelle Zurechenbarkeit staatlichen Handelns und stellt damit eine Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips dar. Für die juristische Prüfung der Frage, ob die Anwendung körperlicher Gewalt von Polizeibediensteten eine gerechtfertigte Maßnahme unmittelbaren Zwangs oder rechtswidrige Polizeigewalt darstellt, ist die Identitätsfeststellung von Polizeibediensteten der Ausgangspunkt strafrechtlicher Ermittlungen. Sie ermöglicht überdies erst einen effektiven Rechtsschutz von Bürgerinnen und Bürgern, die sich in ihren Rechten verletzt sehen.

Amnesty international und andere Bürger- und Menschenrechtsorganisationen fordern die Kennzeichnungspflicht für Beamtinnen und Beamten mit Polizeibefugnissen und verweisen auf den European Code of Police Ethics (ECoPE), der am 19. September 2001 vom Ministerkomitee des Europarats verabschiedet wurde und eine Selbstverpflichtung der Mitgliedstaaten darstellt. Hierin ist festgeschrieben, dass „Polizeibedienstete auf allen Rangstufen persönlich verantwortlich und rechenschaftspflichtig für ihr eigenes Tun und Unterlassen oder für ihre Anweisungen an Untergebene sind" (Nummer 16 des ECoPE). „Polizeibedienstete sind während Einsätzen gewöhnlich in der Lage, sich hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zur Polizei und ihrer amtlichen Identität auszuweisen." (Nummer 45 des ECoPE) In der dazugehörigen Kommentierung zu diesem Passus heißt es: „Ohne die Möglichkeit, eine/n Polizeibediensteten persönlich zu identifizieren, wird der Begriff der Rechenschaftspflicht aus der Perspektive der Öffentlichkeit sinnentleert." Amnesty international empfiehlt deshalb den Innenministerien in Deutschland im Einklang mit dem European Code of Police Ethics, ihren Behörden vorzuschreiben, dass Beamtinnen und Beamten mit Polizeibefugnissen während ihrer dienstlichen Tätigkeiten Namensschilder (oder Dienstnummern) zu tragen haben, die ihre persönliche Identifizierung und Zuordnung ihrer vorgesetzten Behörde erlauben.

Die gesetzliche Normierung der Ausweispflicht und der individuellen Kennzeichnung von Polizeibediensteten entspricht außerdem dem Grundsatz des Parlamentsvorbe2 halts und der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts, nach der alle grundlegenden und wesentlichen Entscheidungen allein vom Gesetzgeber getroffen werden müssen. (BVerfGE 47, 46 fortfolgende sowie BVerfGE 49, 89; Kalkar I) Befristung Keine Alternativen Keine Finanzielle Auswirkungen

Bei circa 9.000 Polizeibediensteten entstehen geringfügige Kosten für die Anbringung individueller Kennungen an den Uniformen und Helmen. Die Aufwendungen hierfür werden durch geringere Aufwendungen bei der Ermittlung von Polizeibediensteten, deren Identität festgestellt werden muss, voraussichtlich aufgewogen.

Auswirkungen, die Frauen anders oder in stärkerem Maße betreffen als Männer Keine Besondere Auswirkungen auf behinderte Menschen Keine Petitum:

Die Bürgerschaft wolle das nachfolgende Gesetz beschließen: Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG)

Das Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) vom 14. März 1966 (HmbGVBI. 1966, Seite 77), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Januar 2006

(HmbGVBI. Seite 37), wird wie folgt geändert:

Nach § 5 wird folgender neuer § 6 eingefügt: „§ 6 Ausweispflicht, Kennzeichnung:

(1) Die Dienstkräfte der Verwaltungsbehörden und der Polizei sind verpflichtet, sich bei Diensthandlungen auszuweisen.

(2) Auf Verlangen ist die Dienstkarte mit der Dienstnummer auszuhändigen. Im geschlossenen Einsatz stellen die Vorgesetzten das Aushändigen sicher, wenn die besonderen Umstände des Einsatzes ein direktes Aushändigen nicht zulassen.

(3) Grundsätzlich müssen alle uniformierten Dienstkräfte deutlich sicht- und erkennbar ein Namensschild tragen. Bei geschlossenen Einsätzen müssen die Dienstkräfte der Polizei eine zur Identitätsfeststellung geeignete individuelle Kennung in Form einer höchstens sechsstelligen Buchstaben- und Zahlenkombination deutlich sicht- und erkennbar auf der Vorderseite der Uniform und an beiden Seiten des Helmes tragen."

Begründung: Uniformierte Dienstkräfte müssen grundsätzlich deutlich sicht- und erkennbar ein Namensschild tragen. Eine Ausnahme hiervon gilt nur bei geschlossenen Einsätzen der Polizei. Für diese wird verbindlich vorgesehen, dass die Dienstkräfte der Polizei eine zur Identitätsfeststellung geeignete individuelle Kennung in Form einer höchstens sechsstelligen Buchstaben- und Zahlenkombination deutlich sicht- und erkennbar auf der Vorderseite der Uniform und an beiden Seiten des Helmes tragen.

Die sechsstellige Buchstaben- und Zahlenkombination ermöglicht eine eindeutige Identifizierung des Polizeibediensteten und liefert folgende Informationen: Hundertschaft, Zug, Gruppe, Mitglied der Gruppe, Prüfbuchstabe.

Der Prüfbuchstabe beziehungsweise die Prüfzahl stellt sicher, dass mögliche Verwechslungen minimiert werden. Die Leiter der Hundertschaften, Züge und Gruppen werden durch die Buchstaben H, Z, G hervorgehoben. Sie sollen zusätzlich ein

Namensschild tragen, um den Dialog und das Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Polizei zu erhöhen. Die Helmrückseite sowie die Rückseite der Uniformen kann weiterhin für taktische polizeiinterne Kennzeichnungen verwendet werden.