Turnhalle der ehemaligen Israelitischen Mädchenschule

Im Jahre 1900 wurde im Karoviertel im rückwärtigen Bereich der Israelitischen Mädchenschule (Karolinenstraße 35) von Ernst Friedheim ­ neben Semmy Engel, Erbauer der 1938 von den Nazis geschändeten und später zerstörten Bornplatz-Synagoge ­ eine Turnhalle errichtet. Dieses an der heutigen Grabenstraße gelegene Gebäude diente damals sportlichen Zwecken, aber auch als Unterrichtsstätte für die Zeichenstunden der Israelitischen Mädchenschule. Im Zuge der Bedrängung und Auflösung der Jüdischen Gemeinde wurde die Halle zuletzt noch ­ im Herbst 1941 ­ anlässlich der Deportationen der jüdischen Bevölkerung nach Minsk und Riga als Abfertigungsstelle für deren Gepäck genutzt. Unter Missachtung der Besitzverhältnisse ging das Gebäude 1942 von der Reichsvereinigung der Juden auf die Gestapo über, die es vorübergehend der Schulbehörde überließ und 1944 selbst wieder mit Beschlag belegte. Nach der Befreiung vom deutschen Faschismus blieb es ab 1945 in der Zuständigkeit der Hamburger Schulbehörde, obwohl es eindeutig „arisiert", das heißt unter Zwangsbedingungen den Besitzern genommen worden war.

Der aktuelle Zustand der Turnhalle stellt sich absolut sanierungsbedürftig dar, unter anderem hat Efeu an verschiedenen Stellen die Bausubstanz angegriffen. Es wäre nun das Gebot der Stunde, das Gebäude auf städtische Kosten generalzuüberholen und anschließend wieder einer sportlichen, sozialen oder kulturellen Nutzung zuzuführen. Die geschichtsträchtige Halle spielt für das umliegende Quartier diesbezüglich, nicht zuletzt mit Blick auf die Sporttreibenden, eine wichtige Rolle. Umso bedenklicher ist es, wenn verschiedenen Sportgruppen jüngst die Hallenzeiten gestrichen wurden und offenbar Planungen bestehen, die Halle zweckentfremdet zu vermieten oder gar zu verkaufen und damit absehbar einer anderen, von Renditeinteressen geprägten Nutzung zuzuführen.

Im Nachgang zur Drs. 19/607 vom 1. Juli 2008 frage ich den Senat:

1. Wie definiert der hamburgische Senat die gegenwärtigen Besitzverhältnisse der Turnhalle an der Grabenstraße? Wie bewertet er dabei die faktisch im Rahmen der „Arisierung" zustande gekommene Übertragung auf die Schulbehörde?

2. Welche Überlegungen bestehen gegenwärtig, das Gebäude an die Jüdische Gemeinde rückzuübertragen?

Das Grundstück befindet sich im Eigentum der Freien und Hansestadt Hamburg. Am

9. Dezember 1953 fand vor dem Landgericht Hamburg (Wiedergutmachungskammer) eine öffentliche Sitzung statt, in der zwischen dem Jewish Trust und der Stadt ein Vergleich unter anderem über das Grundstück Karolinenstraße 35 mit der Turnhalle aus einstmals „jüdischem Besitz" mit folgendem Ergebnis geschlossen wurde: Hamburg erkennt den Rückerstattungsanspruch des Jewish Trust an, der Jewish Trust verzichtet auf die Rückerstattung, dafür zahlt Hamburg an den Jewish Trust eine Pauschalsumme von 1,5 Millionen DM.

3. Wem oblag bisher die Verwaltung der Halle sowie die Vergabe der Hallenzeiten?

Die Turnhalle wird von der Behörde für Schule und Berufsbildung verwaltet. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte vergibt die Hallennutzungszeiten.

4. In welchem baulichen Zustand befindet sich die fragliche Halle nach Auffassung des Senats zurzeit, insbesondere nachdem im Zuge einer Begehung die Schäden genauer inspiziert wurden? Sieht er inzwischen einen Sanierungsbedarf? Wenn ja, in welcher Hinsicht und in welchem Kostenumfang? Wenn nein, warum nicht?

5. Sind angesichts des bevorstehenden Winters kurzfristige Maßnahmen zur Sicherung des Gebäudes geplant? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?

Siehe Drs. 19/607.

6. Gibt es seitens des Senats Pläne, die Turnhalle ­ auch angesichts seines bedeutenden Baumeisters ­ unter Denkmalschutz zu stellen oder zumindest als denkmalwürdig einzustufen, zumal ja die ehemalige Israelitische Mädchenschule, also das Vordergebäude, bereits einen entsprechenden Denkmalschutz-Status genießt? Wenn nein, warum nicht?

Das Grundstück Karolinenstraße 35 ist bereits im Verzeichnis der erkannten Denkmäler nach § 7a Hamburgisches Denkmalschutzgesetz enthalten.

7. Kann die Stadt eine Garantie dafür abgeben, die Turnhalle auch weiterhin zu erhalten und als Stätte für nichtkommerzielle sportliche, soziale beziehungsweise kulturelle Zwecke zu nutzen?

Zur Deckung des schulischen Bedarfs in der Region wird die Turnhalle nicht benötigt.

Im Übrigen sind die Überlegungen der zuständigen Behörden noch nicht abgeschlossen. Die weitere Entwicklung der Turnhalle wird im Rahmen des Sanierungsverfahrens wie üblich mit dem Sanierungsbeirat abgestimmt.

8. Wie ist bisher die Öffnung beziehungsweise Nutzung der Halle durch die Sportgruppen und -vereine geregelt worden?

Die Nutzung durch Sportgruppen und -vereine ist in der Regel durch unbefristete Überlassungs- und Nutzungsverträge geregelt.

9. Welchen Gruppen und Vereinen wurde die Hallennutzung im Laufe des vergangenen Jahres untersagt? Wo wurden sie gegebenenfalls neu untergebracht beziehungsweise angesiedelt? Wer nutzt die Halle zurzeit noch?

Das für die Vergabe von Hallennutzungszeiten zuständige Bezirksamt hat keine Hallennutzungen untersagt. Im Übrigen siehe Drs. 19/607.

10. Wie geht der Senat hinsichtlich notwendiger Hallenkapazitäten damit um, dass die anderen, in fußläufiger Entfernung gelegenen Hallen laut Senats-Drucksache 19/607 zu 100 Prozent ausgelastet seien?

11. Welche Ziele verfolgt die Stadt momentan bezüglich dieser Turnhalle?

Gibt es den Plan, das Gebäude zu vermieten oder zu verkaufen? Gibt es den Plan, dass die stadteigene Sprinkenhof-AG die Halle vermieten oder gar im Höchstgebotsverfahren verkaufen will? Wenn ja, in welchem Zeitraum?

12. Wie bewertet der Senat das einhellige Votum des örtlichen Sanierungsbeirats vom 28. August 2008, die Turnhalle weiterhin für sportliche, soziale beziehungsweise kulturelle Zwecke zu nutzen, nicht zu verkaufen und auch keine kommerzielle Nutzung zuzulassen? Welchen Stellenwert misst der Senat der Bürger/-innenbeteiligung in dieser Frage zu?

Siehe Antwort zu 7.