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Tagungen „Interkulturelle Kommunikation im Gerichtssaal" und „Justiz und Islam" ausführlich behandelt. Planungen für die Folgejahre liegen noch nicht vor.

Justizsenator Dr. Steffen hat erklärt, dass die Staatsanwaltschaft in bestimmten Fällen von häuslicher Gewalt und Stalking künftig öfter ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung annehmen wolle ­ dies vor dem Hintergrund, dass Anzeigen von Betroffenen häufig gestellt und wieder zurückgezogen werden.

Welche Veränderung hat es hier konkret gegeben oder welche Veränderungen im Vergleich zur bisherigen Handhabung sind für wann geplant?

In welchen Fällen wird in Zukunft ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung regelmäßig unterstellt?

Viele Straftaten, die im Zusammenhang mit familiärer Gewalt oder Beziehungsgewalt den Strafverfolgungsbehörden bekannt werden, sind Privatklagedelikte und Antragsdelikte. Die öffentliche Klage wird in diesen Fällen nur erhoben, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt (Privatklagedelikte) beziehungsweise ­ soweit vom Gesetz bei fehlendem Strafantrag zugelassen ­ von der Staatsanwaltschaft das sogenannte besondere öffentliche Interesse bejaht wird (Antragsdelikte).

Seit dem 16. Oktober 2000 besteht die Anordnung des Leitenden Oberstaatsanwalts „Körperverletzung pp. (häusliche Gewalt)", die eine Handreichung für die Dezernentinnen und Dezernenten der Staatsanwaltschaft enthält, in welchen Fällen regelmäßig ein öffentliches beziehungsweise besonderes öffentliches Interesse bei der Verfolgung von Körperverletzungen, Sachbeschädigungen, Bedrohungen und Hausfriedensbruch im Rahmen von häuslicher Gewalt anzunehmen ist. Entsprechend dieser Anordnung ist bei Geschädigten aus der Opfergruppe „Frauen, Kinder und alle betagten, gebrechlichen oder behinderten Personen, die Opfer von Gewalt werden und mit dem Täter/der Täterin in häuslicher Gemeinschaft leben" sowie „Frauen, die Opfer von Gewalt in bestehender oder beendeter Paarbeziehung werden" bei Körperverletzungsdelikten ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung in der Regel dann zu bejahen, wenn

· die Tat offensichtliche Verletzungen (zum Beispiel sichtbare Wunden; Blutergüsse) zur Folge hatte oder

· es sich um einen Wiederholungsfall handelt oder

· Kinder Zeugen der Tat gewesen sind.

Das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung ­ an Stelle eines nicht gestellten Strafantrags ­ ist dann zu bejahen, wenn

· die Voraussetzungen der Nummer 234 der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren vorliegen (insbesondere: erhebliche Verletzungsfolgen, rohe beziehungsweise besonders leichtfertige Tat, einschlägiges Vorbestraftsein) oder

· Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Strafantrag lediglich aus Angst nicht gestellt beziehungsweise unfreiwillig zurückgenommen wurde.

Aufgrund der Erkenntnisse aus dem „Fall Morsal O." wird diese Anordnung derzeit auf Änderungsbedarfe überprüft.

2.10 In seiner Antwort auf Frage 1.7 in Drs. 19/79 und zu Frage 3 in Drs. 19/405 erklärt der Senat, er habe sich mit gegebenenfalls notwendigen rechtlichen Änderungen zur Verbesserung des Opferschutzes in der Folge der Ermordung einer Frau im März 2008 und der Schießerei zwischen Eheleuten in Billstedt nicht befasst. Hat sich der Senat inzwischen mit Vorschlägen zur Verbesserung der Rechtslage oder des Verfahrens befasst?

2.10.1 Wenn ja, mit welchem Ergebnis? 2.10.2 Wenn nein, warum nicht und gibt es diesbezüglich Überlegungen in einzelnen Behörden?

Die Lenkungsgruppe der Staatsrätinnen und Staatsräte hat im September 2008 die Arbeitsgremien des Handlungskonzepts „Handeln gegen Jugendgewalt" beauftragt, Vorschläge zur Prävention und Hilfen für Opfer von Gewalt und Zwang, insbesondere in Familien mit Migrationshintergrund, zu entwickeln. Im Übrigen siehe die Antwort zu und 1.3.3.

3. Stärkung der Rechte von Frauen

Das Integrationskonzept des Senats (Drs. 18/5530/Präambel) aus dem Jahr 2006 sieht in der Gleichberechtigung von Frauen und Männern eine Grenze, die im Zusammenleben nicht in Frage gestellt werden darf. Erst auf diesem Fundament können unterschiedliche Traditionen, Religionen und Lebensauffassungen gelebt werden.

Im Zusammenhang mit Fällen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen der letzten Zeit hat der Senat inzwischen „traditionell-patriarchalische Familien" und/oder Familien aus „traditionell-patriarchalischen Kulturen" als potentiell gefährdende Lebenskontexte ausgemacht (siehe hierzu zuletzt Drs. 19/1075). Formen von neuem Machismo, Sexismus und Frauenfeindlichkeit sind in Teilen der Gesellschaft wieder auf dem Vormarsch. Insbesondere wird auch wissenschaftlich in der Erforschung von Jugendgewalt auf den Zusammenhang von Machismo und Gewaltneigung bei jungen Männern hingewiesen.

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU und GAL sieht vor, dass die Jungenarbeit in Hamburg gestärkt werden soll. In Drs. 19/548 hat der Senat verschiedene Maßnahmen der Jungenarbeit bereits dargestellt.

Kooperation und Vernetzung

Wie kooperieren das Fachkommissariat Prävention und Opferschutz, die neue Landesstelle Integration und Zivilgesellschaft und das Referat Gleichstellung in der BSG beim Thema Gewalt gegen Frauen?

Mit der Umstrukturierung der BSG und der Einrichtung der Leitstelle für Integration und Zivilgesellschaft (LIZ) ist die Thematik Gewalt gegen erwachsene Frauen ausschließlich im Referat Opferschutz der LIZ angebunden.

Der Fachaustausch zwischen der LIZ und dem Fachkommissariat Prävention und Opferschutz des LKA findet in Form von regelmäßig stattfindenden Gesprächsrunden (siehe Antwort zu 2.7.1) statt.

Unter der Federführung der LIZ tagt außerdem der sogenannte „Jour-FixeOpferschutz". In diesem behördenübergreifenden Informations- und Fachaustausch ist neben der Justizbehörde, der Behörde für Inneres, der Behörde für Schule und Berufsbildung, der Senatskanzlei, Fachabteilungen der BSG auch das Fachkommissariat Prävention und Opferschutz vertreten.

Die behördeninterne wie behördenübergreifende Zusammenarbeit erfolgt darüber hinaus themenbezogen.

Welche Anstrengungen wurden in den Jahren 2007 und 2008 unternommen, um Frauen über ihre Rechte in Sachen Gewalt und Opferschutz zu informieren?

Geschädigte einer Straftat erhalten von der Polizei in der Regel bereits bei der Anzeigenerstattung das bundeseinheitliche Merkblatt der Justiz „Rechte von Verletzten und Geschädigten in Strafverfahren" (Vordruck StP 500). Außerdem weist die Polizei bei Bedarf auf spezialisierte Opferhilfeeinrichtungen hin und händigt weitere schriftliche Informationen aus.

Aus dem Geschäftsbereich der Staatsanwaltschaft werden Verletzte regelmäßig gemäß § 406h StPO auf ihre Befugnisse im Ermittlungs- und Strafverfahren hingewiesen. Des Weiteren wird ihnen in geeigneten Fällen ein Merkblatt übersandt, das sie über die Möglichkeiten des Adhäsionsverfahrens (§§ 403 fortfolgende StPO) ­ welches vor allem die Geltendmachung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen im Rahmen des Strafverfahrens ermöglicht ­ aufklärt.

Die BSG hat im Mai 2007 die beiden interkulturellen Beratungsstellen LÂLE und i.bera initiiert, die sich an volljährige Frauen und Männer sowie an Minderjährige mit Migrationshintergrund richten, die von Zwangsheirat und/oder häuslicher Gewalt betroffen oder bedroht sind. Beide Beratungsangebote klären unmittelbar sowie mittelbar Betroffene über ihre Rechte und Handlungsmöglichkeiten im Kontext von Zwangsheirat und häuslicher/familiärer Gewalt auf. Im Rahmen von Informationsveranstaltungen und Fortbildungsmaßnahmen werden die breitere Öffentlichkeit sowie Fachkräfte anderer Berufsgruppen über die Rechte der Betroffenen aufgeklärt und sensibilisiert.

Die Multiplikatoren anderer Berufsgruppen erfahren zudem Informationen über ihre Handlungsmöglichkeiten zur Unterstützung von unmittelbar betroffenen Frauen.

Das von der BSG herausgegebene Faltblatt „Wer schlägt muss gehen" das in Deutsch, Türkisch, Englisch, Französisch, Russisch und Polnisch aufgelegt wird, wird weiterhin verteilt.

Das ebenfalls durch die BSG veröffentlichte und auch online erhältliche Faltblatt „Entschädigungsleistungen für Opfer" enthält Informationen über die Art der Leistungen, die rechtlichen Voraussetzungen, die Beantragung von Leistungen und Ansprechpartner. Der Polizei als erster Kontaktpartner von Gewaltopfern kam auch 2007 und 2008 als Multiplikator eine tragende Rolle zu, was die Auskunft über eine Antragstellung nach dem Opferentschädigungsgesetz betrifft. Im Rahmen von Polizeilehrgängen zum Polizeilichen Opferschutz und zu Beziehungsgewalt wurde über das Opferentschädigungsgesetz und die Leistungsmöglichkeiten für von Gewalt betroffene Frauen informiert. Außerdem fand ein Austausch mit verschiedenen Trägern statt, die auch mit der Frage „Gewalt gegen Frauen" Beratungstätigkeit vornehmen. Die BSG nimmt mit einem Informationsstand außerdem am jährlich statt findenden Opferschutztag teil.

Neben der Förderung von Einzelberatungen, Kriseninterventionen und der Begleitung zu Ermittlungs- und Gerichtsprozessen erhielt der Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen e.V. in 2007 und 2008 eine zusätzliche Förderung für die niedrigschwellige Emailberatung und Öffentlichkeitsarbeit für Mädchen und junge Frauen (bis 21 Jahre).

In diesem Zusammenhang wurde das Faltblatt („Die Würde des Menschen ist unantastbar") speziell für diese Zielgruppe erstellt.

Im Übrigen siehe Antworten zu 3.1.8 und zu 3.3.1.

Welche Studien oder Gutachten zum Thema Gewalt gegen Frauen in Hamburg hat der Senat in den Jahren 2004 ­ 2008 in Auftrag gegeben?

Die BSG hat die Evaluierung der Interventionsstelle pro-aktiv in Auftrag gegeben. Der im Oktober 2006 fertig gestellte Bericht befasst sich mit der Analyse der Arbeit der Interventionsstelle in Bezug auf ihre Arbeitsziele, dem beratenen Personenkreis und der Vernetzung mit anderen Institutionen sowie deren Wirkung im Hilfesystem für Opfer häuslicher Gewalt.

Im Bereich des Opferschutzreferats der zuständigen Behörde wurde im Jahre 2006 außerdem die Befragung zu Zwangsheiraten in Hamburg bei 54 Hamburger Beratungseinrichtungen einschließlich der bezirklichen Jugendämter durchgeführt (Vergleiche Drs. 18/6435).

In welchen überregionalen, nationalen und/oder internationalen Arbeitsstrukturen/-gremien, die sich mit der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen befassen, ist Hamburg durch wen vertreten?

Vertreterinnen aus dem Opferschutzreferat der zuständigen Behörde nehmen regelmäßig an einer Länderbesprechung „Häusliche Gewalt" und „Zwangsheirat" teil.

Überdies gibt es eine temporäre Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Einbeziehung des