Verbot des Verteilens von Flugblättern sowie Kriminalisierung von Spontan- und Eilversammlungen in Hamburg

Mit Bescheid vom 28.10.2008 hat das Fachamt „Management des öffentlichen Raumes" des Bezirksamts Hamburg-Mitte eine Sondernutzungserlaubnis gemäß § 19 des Hamburgischen Wegegesetzes für einen Informationsstand erteilt. In dem Bescheid ist vor der Rechtsbehelfsbelehrung und den Auflagen sowie Hinweisen auf den folgenden zwei Seiten in roter Schrift vermerkt: „Kein Verteilen von Flugblättern". Mitarbeiter des Fachamts teilten auf telefonische Nachfrage zur Begründung des Flugblattverbots mit, dass das Verteilen von Flugblättern zu einer „Verschmutzung der öffentlichen Wege" führe und deshalb grundsätzlich untersagt sei. Dies gelte auch für „Einzelpersonen", die „im Auftrag von Gruppierungen" auf öffentlichen

Wegen und Plätzen Flugblätter verteilen wollen.Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Ist es richtig, dass alle Menschen in Hamburg allein oder zu zweit Flugblätter auf öffentlichen Wegen und Plätzen ohne vorherige Anmeldung oder Genehmigung verteilen dürfen, sofern es sich dabei nicht um „Handzettel" gemäß § 23 III Nummer 1 des Hamburgischen Wegegesetzes (HWG) handelt, die „zu gewerblichen Zwecken" verteilt werden sollen?

a) Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage beruht die grundsätzliche Erlaubnis des Verteilens von Flugblättern, die keine Handzettel gemäß § 23 III Nummer 1 darstellen?

Ja. Das Verteilen von Flugblättern, die keine Handzettel zu gewerblichen Zwecken im Sinne von § 23 Absatz 3 Nummer 1 Hamburgisches Wegegesetz darstellen, ist grundsätzlich vom Schutzbereich des Artikel 5 Grundgesetz erfasst.

Die in der Vorbemerkung geschilderte Auflage zur Genehmigung des Informationsstandes ist inzwischen vom zuständigen Bezirksamt zurückgenommen worden.

b) Wenn nein, aufgrund welcher Rechtsgrundlage werden solche Verbote verfügt?

Entfällt.

2. Ist es richtig, dass das Verteilen von Flugblättern, die keine „Handzettel" gemäß § 23 III Nummer 1 HWG darstellen, grundsätzlich vor, hinter und neben einem genehmigten Informationsstand rechtmäßig ist?

a) Wenn ja, in welchem Umkreis vom Informationstisch?

Ja. Es gibt keinen bestimmten Umkreis um Informationsstände, der das Verteilen von Flugblättern einschränkt.

b) Wenn nein, aufgrund welcher Rechtsgrundlage werden solche Verbote verfügt?

Entfällt.

3. Ist es richtig, dass erst bei einer Anzahl von drei Personen eine Versammlung vorliegt, die grundsätzlich vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gemäß Artikel 8 GG geschützt ist?

Nein. Versammlungen im Sinne des Artikel 8 Grundgesetz sind örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zwecks gemeinschaftlicher Erörterung und Kundgebung mit dem Ziel der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung. Diese Voraussetzungen können auch bei Zusammenkünften von zwei Personen erfüllt sein.

4. Ist es richtig, dass Spontan- und Eilversammlungen nicht der 48 Stunden-Frist gemäß § 14 Absatz 1 Versammlungsgesetz unterliegen? Wenn ja, aufgrund welcher höchstrichterlichen Rechtsprechung? Wenn nein, aufgrund welcher Rechtsgrundlage?

Ja. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 85, Seite 69, 75 folgende) entfällt bei Spontanversammlungen die Anmeldepflicht. Bei Eilversammlungen ist lediglich die Fristwahrung unmöglich und nicht die Anmeldung überhaupt.

Die Anmeldung hat daher regelmäßig etwa zeitgleich mit dem Entschluss, eine Versammlung zu veranstalten, spätestens mit dessen Bekanntgabe zu erfolgen.

5. Wie viele Versammlungen wurden von der Polizei beziehungsweise Versammlungsbehörde seit dem 23. September 2001 als

a) Spontanversammlungen,

b) Eilversammlungen, anerkannt?

6. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden wegen Nichtanmeldung einer Versammlung gemäß § 26 Nummer 2 Versammlungsgesetz seit dem 23. September 2001 durchgeführt? Wie viele Ermittlungsverfahren wurden aufgrund welcher Rechtsgrundlage eingestellt? Wie viele Verurteilungen mit welchem Strafmaß hat es gegeben?

Die zur Beantwortung benötigten Daten werden nicht gesondert statistisch erfasst.

Eine Einzelfallauszählung ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich.