Immobilienhandel, Steuerbetrug und die Tätigkeiten der Steuerverwaltung

In der jüngeren Vergangenheit wird immer häufiger darüber berichtet, dass sich bei Immobiliengeschäften häufig zwischen dem notariell beurkundeten und dem tatsächlich gezahlten Kaufpreis eine erhebliche Wertdifferenz ergibt. Der im Kaufvertrag nach unten manipulierte Kaufpreis führt dazu, dass Steuerausfälle eintreten.

Ich frage den Senat:

1. In welcher Form und in welchem Umfang wird die Plausibilität von Kaufpreisen bei Immobiliengeschäften durch die Finanzämter und/oder durch andere Behörden geprüft?

Bei Finanzämtern und anderen Verwaltungsdienststellen besteht kein formelles Verfahren zur Prüfung der Angemessenheit des Kaufpreises einer erworbenen Immobilie. Die in den notariellen Kaufverträgen enthaltenen Angaben lassen Rückschlüsse auf den Verkehrswert des Grundstücks kaum zu. Hinzu kommt, dass der noch als angemessen anzusehende Kaufpreis einer Immobilie einer größeren Bandbreite unterliegen kann. Eine Überprüfung der notariell beurkundeten Kaufpreise könnte nur durch eine Bewertung der Kaufobjekte durch verwaltungseigene oder externe Sachverständige erfolgen. Der hierfür erforderliche Kosten- und Zeitaufwand (bei jährlich rund 25 000 Grunderwerbsteuervorgängen) würde in keinem Verhältnis zum möglichen Erfolg stehen.

Für Zwecke der Grunderwerbsteuer wird davon ausgegangen, dass der im Kaufvertrag genannte Betrag regelmäßig dem von den Vertragsparteien ernsthaft gewollten Kaufpreis entspricht. Weitere Ermittlungen werden nur angestellt, wenn ein offensichtliches Mißverhältnis zwischen Kaufpreis und Immobilienwert besteht.

Der Gutachterausschuß für Grundstückswerte bei der Baubehörde zieht Fälle, bei denen erkennbar ungewöhnliche Verhältnisse vorliegen bzw. die Kaufpreise extrem von den übrigen Kaufpreisen abweichen, nicht alsVergleichsfälle zur Grundstückswertermittlung oder zur Analyse des Grundstücksmarkts heran. Weitergehende Maßnahmen werden nicht ergriffen.

2. In welcher Form und in welchem Umfang wird überprüft, ob die Erwerber von Immobilien staatliche Transfers beispielsweise in Form von Sozialhilfe beziehen?

Die Finanzämter erhalten keine Informationen über den Bezug von Sozialhilfe; einerseits steht das Sozialgeheimnis einer generellen Mitteilungspflicht entgegen, andererseits ist Sozialhilfe steuerfrei.

Andere staatliche Leistungen müssen dem Finanzamt mitgeteilt werden. Hierzu zählen beispielsweise Arbeitslosengeld und -hilfe, Übergangsgeld, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Vorruhestandsgeld. Eine gezielte Prüfung, ob der Erwerber einer Immobilie zu dem Personenkreis gehört, der eine der letztgenannten staatlichen Leistungen erhält, findet durch Steuerbehörden nicht statt.

3. In welcher Form und in welchem Umfang wird überprüft, ob der Kaufpreis aus Finanzmitteln, die gegenüber den Steuerbehörden bereits offengelegt wurden, bestritten wird?

Die Veranlagungsdienststellen der Finanzämter werden von der Grunderwerbsteuerstelle des Finanzamts für Verkehrsteuern und Grundbesitz, die als erste von einem Grundstücksübergang Kenntnis erlangt, über jeden Eigentümerwechsel informiert;dieVeranlagungsdienststellen prüfen routinemäßig, ob die in der Vergangenheit erklärten Einkünfte den Immobilienerwerb ermöglichen, ggf. wird die Herkunft der Mittel erfragt.

4. Welche Maßnahmen werden üblicherweise ergriffen, wenn sich eine erhebliche Diskrepanz zwischen Verkaufspreis und Verkehrswert einer Immobilie ergibt?

Besteht der Verdacht, dass ein Mißverhältnis zwischen beurkundetem und tatsächlichem Kaufpreis zu einer Steuerverkürzung geführt hat, legen die Dienststellen der Finanzämter den Fall der beim Finanzamt Neustadt-St.Pauli (Strafsachen- und Steuerfahndungsstelle) eingerichteten Vorprüfstelle vor.

Diese leitet den Fall ­ je nach Sachverhalt ­

­ der Bußgeld- und Strafsachenstelle zur Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens oder

­ der Steuerfahndungsstelle zur weiteren Ermittlung zu.

Die Finanzämter sind ferner durch § 31a Absatz 3 Abgabenordnung berechtigt, Sozialleistungsträgern und Subventionsgebern Tatsachen mitzuteilen, die

­ zur Aufhebung eines Verwaltungsakts, aufgrund dessen Sozialleistungen erbracht worden sind oder erbracht werden, oder

­ die zur Erstattung von Sozialleistungen führen können oder

­ die subventionserheblich im Sinne des § 264 Absatz 7 StGB sind.

Von dieser Möglichkeit wird in einschlägigen Fällen Gebrauch gemacht. Allerdings sind Ermittlungsmaßnahmen der Finanzämter, die über die Überprüfung steuerlicher Sachverhalte hinausgehen, zur Feststellung derartiger Mißbräuche nicht zulässig.

Im Bereich des Grundbuchamtes wird bei festgestellter Wertdifferenz zwischen Kaufpreis und Verkehrswert der höhere Wert für die Gebührenberechnung zugrunde gelegt. Strafbare Handlungen werden durch die Staatsanwaltschaft verfolgt und, sofern sich genügend Anhaltspunkte für ein förmliches Strafverfahren ergeben, bei den Gerichten angeklagt.

5. Welche Behörden und Dienststellen sind mit der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung im Bereich des Immobilienhandels betraut, und wie gestaltet sich die Kompetenzabgrenzung zwischen den Behörden im einzelnen?

­ Die Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt Neustadt-St.Pauli. Sie hat ­ ebenso wie das Zollfahndungsamt der Oberfinanzdirektion Hamburg ­ gemäß § 208 Abgabenordnung die Aufgabe

1. Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten zu erforschen,

2. die Besteuerungsgrundlagen in den in Nummer 1 bezeichneten Fällen zu ermitteln und

3. unbekannte Steuerfälle aufzudecken und zu ermitteln.

Die Steuerfahndungsstelle arbeitet mit den für Delikte im Zusammenhang mit Geldwäsche zuständigen Polizeidienststellen zusammen.

­ Bei der Polizei ist für die Bearbeitung von Geldwäschedelikten das Landeskriminalamt (LKA) 74/Gemeinsame Finanzermittlungsgruppe Polizei und Zoll (GFG) zuständig. Darüber hinaus besteht seit Mai 1998 die gesetzliche Verpflichtung für Ermittlungsbehörden, nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Geldwäsche die zuständige Steuerfahndung zu unterrichten.

6. Wie viele Stellen und welche Sachmittel standen den Behörden und Dienststellen für die in Frage 5 genannten Aufgaben im Jahr 1998 zur Verfügung?

­ Die Steuerfahndungsstelle ist mit 70 Stellen für Steuerfahnder und sieben Stellen für Sachgebietsleiter Steuerfahndung ausgestattet. Der auf die Bearbeitung von Immobiliengeschäften entfallende Anteil an diesen Personalmitteln und den Sachkosten ist mit vertretbarem Aufwand nicht feststellbar.

­ Eine Aufschlüsselung der Personal- und Sachmittel des LKA 74 nach dem Merkmal „Immobiliengeschäfte" ist ebenfalls in der Kürze der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zurVerfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Aufwand nicht möglich, weil hierfür neben der Durchsicht aller Verdachtsanzeigen die rückwirkende Erhebung z. B. von Arbeitszeitanteilen und jeweiligem Mitteleinsatz erforderlich wäre. Gleiches gilt für den Geschäftsbereich der Justizbehörde.

7. Wie viele Grundstücks- und Gebäudeverkäufe wurden ­ aufgeschlüsselt auf die letzten fünf statistisch erfaßten Jahre und unterteilt in deutsche und ausländische Käufer ­ gezählt?

Immobilienkäufer werden von keiner Verwaltungsdienststelle nach Nationalität oder Wohnsitz erfaßt.

8. In wie vielen Fällen wurden ­ aufgeschlüsselt auf die letzten fünf statistisch erfaßten Jahre ­ Maßnahmen wegen einer offensichtlichen Differenz zwischen steuerlich offengelegtem und tatsächlich gezahltem Kaufpreis eingeleitet? In wie vielen Fällen waren davon jeweils

a) Sozialhilfeempfänger,

b) Asylbewerber,

c) wegen Prostitution, Drogenhandel, Schutzgelderpressung, Menschenhandel oder Schleusertätigkeit verurteilte vorbestrafte Deutsche,

d) wegen Prostitution, Drogenhandel, Schutzgelderpressung, Menschenhandel oder Schleusertätigkeit verurteilte vorbestrafte Ausländer,

8. d) Ausländer und

e) Ausländer, die Sozialhilfe im letzten Jahr vor Abschluß des Vertrages bezogen haben, betroffen?

9. Wie hoch waren die Einnahmen aus

a) zusätzlichen Steuergeldern und

b) Strafgeldern, die durch die einer Plausibilitätsprüfung des Kaufpreises folgenden Maßnahmen ­ aufgeschlüsselt auf die letzten fünf statistisch erfaßten Jahre ­ erzielt wurden?

Hierüber werden keine Statistiken geführt.