Mangelernährung in Hamburger Justizvollzugsanstalten vorprogrammiert

Die Ernährung in Justizvollzugsanstalten ist für Gefangene ohne Alternative.

Gefangene mit längeren Haftstrafen sind viele Jahre auf Gefängniskost angewiesen. Daher besteht eine besondere Verpflichtung des Vollzugsträgers, die Kost so zu gestalten, dass die Beeinträchtigung der Gesundheit vermieden wird und zu den anderen Langzeitfolgen von Haft nicht auch noch durch Mangelernährung verursachte Gesundheitsschäden hinzutreten.

Laut Haushaltsplan-Entwurf 2009/2001, Einzelplan 2 Justizbehörde soll der Richtsatz für Vollverpflegung in Euro pro Tag und Gefangener ab dem nächsten Jahr von jetzt 2,86 Euro auf 3,10 Euro angehoben werden.

Hartz-IV-Empfängern wird pro Tag für Nahrungsmittel/nicht-alkoholische Getränke 4,28 Euro (Alleinstehende) zugestanden, für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren beträgt der Satz 3,42 Euro. Eine Studie der Universität Bonn hat nachgewiesen, dass man ­ bei Einkauf in einem Discounter ­ mindestens 4,68 Euro für die ausgewogene Ernährung von Jugendlichen benötigt, der Satz für Jugendliche also deutlich unter dem Erfordernis einer gesunden Ernährung liegt. Ähnliches gilt entsprechend für erwachsene Hartz-IV-Bezieher und ihre Möglichkeiten, sich gesund zu ernähren. Der Richtsatz für die Gefangenen liegt noch einmal deutlich darunter.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung ist im April 2008 in der Studie „Lebensmittelkosten im Rahmen einer vollwertigen Ernährung", die alle Altersgruppen einbezieht, zu dem Schluss gelangt: „Auf der Basis der Preisberechnungen für das Jahr 2003 belaufen sich die durchschnittlichen Ausgaben für eine vollwertige Ernährung auf circa 43 Euro pro Woche und Person ... Bei einer über alle Lebensmittelgruppe preisbewussten Einkaufsweise kann eine vollwertige Ernährung für circa 21 bis 28 Euro pro Person und Woche... erreicht werden". Bei den im Handel üblichen Verkaufsmengen erhöhten sich demzufolge die notwendigen Ausgaben für eine vollwertige Ernährung auf durchschnittlich 87 Euro pro Person und Woche.

(http://www.dge.de/pdf/ws/Lebensmittelkosten-vollwertige-Ernaehrung.pdf)

Selbst wenn man also zugrunde gelegt, dass der Einkauf von Lebensmitteln in großen Mengen preisgünstig ist, lässt sich angesichts der wissenschaftlichen Ergebnisse der Studie nicht erkennen, wie eine auch nur annähernd vollwertige Ernährung (für überwiegend erwachsene Männer) für 3,10 Euro oder gar 2,86 Euro pro Tag zu bewerkstelligen ist/war..

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Wie hat sich der Richtsatz für Vollverpflegung für Gefangene in Euro (beziehungsweise Mark) pro Tag und Gefangenen seit 1998 entwickelt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

Die Richtsätze für die Gefangenenverpflegung wurden wie folgt festgesetzt: 1998: 5,80 DM, 1999 bis 2001: 5,60 DM, 2002 bis 2007: 2,86 Euro, 2008: 3,10 Euro.

2. Wie haben sich in diesem Zeitraum die durchschnittlichen Preise entwickelt für

a. alkoholfreie Getränke

b. Gemüse und Salat

c. Obst

d. Milchprodukte

e. Getreide, Getreideerzeugnisse, Kartoffeln

f. Fette, Öle

g. Fleisch, Wurstprodukte

h. Fisch

i. Eier Falls die Daten in der für die Beantwortung einer Kleinen Schriftlichen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden können, frage ich alternativ nach der allgemeinen Preisentwicklung für Nahrungsmittel. Für die Jahre 1998 und 1999 liegen keine Daten des Statistischen Bundesamtes für Getreide und Fisch mehr vor.

3. Wie setzt sich der Richtsatz für Vollverpflegung von 2,86 Euro beziehungsweise von 3,10 Euro zusammen nach:

a. Frühstück

b. Mittagessen

c. Abendessen

d. Sonstiges (zum Beispiel Getränke außerhalb der Mahlzeiten)

Der Richtsatz für die Vollverpflegung (Lebensmittel und Getränke) setzt sich wie folgt zusammen: 3,10 Euro 2,86 Euro Frühstück 0,43 Euro 0,43 Euro Mittagessen 1,80 Euro 1,63 Euro Abendessen 0,87 Euro 0,80 Euro

4. Welche Kalkulationswerte liegen im Vergleich einem durchschnittlichen Kantinenessen (Mittagessen) in einer Hamburger Behördenkantine zugrunde?

Die Kantinen der Hamburger Behörden sind an private Kantinenbetreiber verpachtet.

Die Kalkulationswerte liegen der zuständigen Behörde nur teilweise vor, sodass sie kein repräsentatives Bild vermitteln; diese Teilerkenntnisse können zum Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der privaten Kantinenpächter nicht bekannt gegeben werden.

5. Wie setzt sich der Wochenrichtsatz für Vollverpflegung von 20,2 Euro beziehungsweise 21,7 Euro im Hinblick auf Lebensmittelgruppen zusammen (in Klammern die prozentualen Angaben der DGE-Studie für die Ausgaben für Lebensmittel bei vollwertiger Ernährung):

a. alkoholfreie Getränke (11,4 Prozent)

b. Gemüse und Salat (18,5 Prozent)

c. Obst (13,3 Prozent)

d. Milchprodukte (10,7 Prozent)

e. Getreide, Getreideerzeugnisse, Kartoffeln (22,7 Prozent)

f. Fette, Öle (0,2 Prozent)

g. Fleisch, Wurstprodukte (10,3 Prozent)

h. Fisch (6,5 Prozent)

i. Eier (0,1 Prozent)

j. Sonstiges (4,2 Prozent)

Die zur Beantwortung benötigten Daten werden statistisch nicht erfasst.

6. Wie werden in den Hamburger Justizvollzugsanstalten die DACHReferenzwerte umgesetzt?

Bei der Speiseplanerstellung werden pro Tag und Gefangenem circa 2.500 kcal zugrunde gelegt. Dabei wird auf eine vollwertige und ernährungsphysiologisch ausgewogene Ernährung geachtet, die der Kontrolle der Anstaltsärzte unterliegt.

7. Gefangene klagen, dass das Essen stundenlang warmgehalten wird, sodass alle Vitamine buchstäblich verdampfen. Dies widerspricht einer der zehn Regeln der DGE für gesunde Ernährung, derzufolge zubereitete Speisen nicht warmgehalten, sondern rasch abgekühlt und bei Bedarf wieder erwärmt werden sollen.

Wie lange ist gewöhnlich der Zeitraum zwischen Fertigstellen der warmen Mahlzeiten und dem Beginn des Essens, und wie wird mit den fertig gestellten Mahlzeiten verfahren?

Soweit Alu-Menüschalen verwendet werden, werden diese nach dem Portionieren bis zur Kostausgabe durchschnittlich 45 Minuten bis maximal 90 Minuten in wärmeisolierenden Transportkästen warmgehalten und zu den einzelnen Stationen transportiert.

Im Übrigen wird das Essen sofort ausgegeben.

8. Wird vegetarisches Essen angeboten?

Wenn ja, gilt derselbe Richtwert?

Es wird teilweise vegetarische Kost und regelhaft fleischlose Kost als Sonderkostform angeboten. Für diese Sonderkostformen gelten dieselben Richtwerte.

9. Wie werden die Nahrungsgewohnheiten muslimischer Gefangener berücksichtigt?

Für Gefangene muslimischen Glaubens wird eine schweinefleischlose Kost angeboten. Als Ersatz wird Geflügel-, Kalb- oder Rindfleisch sowie Fisch angeboten.