Architektenrecht

Als Auskunftspersonen waren eingeladen Herr Martin Beckmann, Ver.di Bundesverband Berlin, Bereich Politik und Planung, Frau Gritt Diercks, Kanzlei Böck, Oppler, Hering Rechtsanwälte, Hamburg, Herr Werner Frey, IG Bauen-Agrar-Umwelt, Frankfurt am Main, Herr Andreas Rönnau, Handwerkskammer Hamburg und Herr Dr. Klaus Willenbruch, Rechtsanwalt bei Taylor Wessing, Hamburg.

II. Beratungsinhalt Vorsitzende: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten, sehr geehrte Damen und Herren Gäste, unsere Experten, herzlich willkommen zu unserer Wirtschaftsausschusssitzung. Als unsere Gäste heute sind dabei: Herr Beckmann, Frau Diercks, Herr Frey, Herr Rönnau und Herr Dr. Willenbruch. Herzlich willkommen, vielen Dank, dass Sie gekommen sind.

Der erste Tagesordnungspunkt ist die Drs. 19/1516 ­ Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Vergabegesetzes, Senatsantrag. Und wir haben in der letzten Sitzung beschlossen, dass wir hier zu einer Anhörung einladen werden, das ist der Fall jetzt. Wir haben Sie als Auskunftspersonen eingeladen und würden gerne Sie bitten, eingangs vielleicht ein Statement kurz abzugeben, zehn Minuten, wenns geht, beschränkt für jeden ­ soweit Sie es brauchen, wenn weniger, ist auch gut. Und dann würden wir in die Fragen einsteigen. Mir liegen, oder Frau Lünzmann lagen, keine Fragenkataloge vor bis heute Morgen. Heute Morgen ist noch ein Fragenkatalog reingekommen. Den können wir auch gerne verteilen, wenn es erforderlich, sonst wird der halt gestellt. Haben Sie? ­ Ach so, Sie haben einen eigenen, oder...? Nein, okay.

Insofern eröffnen wir nachher die Fragerunde und werden dann direkt die Fragen stellen. Ich würde vorschlagen, dass wir vielleicht nach den Paragrafen dann gehen, sodass wir Paragraf für Paragraf vielleicht die Frage stellen und die Erläuterungen dann vornehmen. Aber erst vielleicht die Statements.

Ich fange einfach mal bei Frau Diercks an, Ladys first, und freu mich, wenn Sie das Mikro nutzen dafür. Danke schön.

Frau Diercks: Vielen Dank. Ja, mein Name ist Gritt Diercks, bin Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht... Vorsitzende: Ich muss Sie grad noch mal einmal kurz unterbrechen und zu Frau Lünzmann schauen. Wortprotokoll, müssen wir das heute noch mal extra erwähnen?

­ Haben wir schon gemacht, Sie wissen Bescheid, wunderbar. Es wird ein Wortprotokoll geführt, weil wir es nachher auch auswerten müssen und vielleicht auch noch mal als Unterlage nachher haben. Nur eine Formalie. So, jetzt haben Sie das Wort.

Frau Diercks: Also, ich bin Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht. Ich befasse mich ausschließlich mit Baurecht, das heißt VBB, und dem Werkvertragsrecht sowie mit Vergaberecht, VLA, VBA und der VOF. Das ist der Schwerpunkt meiner Tätigkeit, und folglich hat bei der Durchsicht des Gesetzentwurfs der Fokus für mich auf diesen Gewerken gelegen. Das heißt, ich habe mich im Kern damit befasst, inwieweit die Mittelstandsförderung, die hier vorgesehen ist im Vergabegesetz, tatsächlich durchgreift. Wir haben, oder ich habe zumindest, den Evaluierungsbericht erhalten aus dem November 2007, und dabei wurde für den Bereich der Bauindustrie zwar berücksichtigt, dass wir hier unterschiedliche Unternehmensgrößen haben, nicht aber, dass wir unterschiedliche Gewerke haben. Wenn man von der Bauindustrie spricht, dann muss man bedenken, dass es Gewerke gibt, die auf den öffentlichen Auftraggeber angewiesen sind, zum Beispiel Straßenbau oder Brückenbau, oder eben Gewerke wie Hochbau, die auch noch private Investoren haben. Das heißt, wenn wir die Aussage im Evaluierungsbericht lesen, dass 80 Prozent der Bauunternehmer als Hauptunternehmer tätig sind, dann sagt das nichts über diese beiden Bereiche aus. Dieser Aspekt ist deshalb besonders erwähnenswert, weil die öffentliche Hand extrem auf Straßenbau, Brückenbau, Klärwerksbau angewiesen ist. Das heißt, wenn sich in diesen Bereichen der Markt verengt, wenn Sie hier Monopolbildung zulassen, dann wird es so sein, dass die Anzahl der mittelständischen Unternehmen, wie es auch in den letzten Jahren war, weiter zurückgeht, und letztendlich die öffentliche Hand nur noch wenig Unternehmen zur Verfügung hat. Teilweise wird diese Konzentration nicht öffentlich, weil die großen Bauunternehmen Familienunternehmen aufkaufen, die in dem bisherigen Namen, in der bisherigen Firmierung, weiter existieren. Wenn wir uns das mal angucken ­ das ist jetzt beliebig rausgegriffen ­ zum Beispiel für die STRABAG, dann haben wir dort Unternehmen wie DYWIDAG, Becker Bau oder ALPEN, alles Familienunternehmen, die 100 Prozent STRABAG-Töchter sind. Das muss man wissen, um nachzuvollziehen, was letztendlich die losweise Vergabe bedeutet und was für Auswirkungen sie hat.

Betrachten wir das einmal von der Seite des Auftraggebers. Für den Auftraggeber ist das so, dass er sagt, wenn ich Generalübernehmer oder Generalunternehmer habe, dann ist mir das auf der einen Seite von Vorteil, weil ich erhalte alles aus einer Hand.

Wenn wir uns überlegen, was für Kosten dahinterstehen, dann werden wir feststellen, dass weder der Generalübernehmer noch der Generalunternehmer diese Dinge umsonst tut. Das heißt, die Koordination der Nachunternehmer, der Subunternehmer, kostet Geld. Die Aufschläge sind regional unterschiedlich, im Schnitt sind es meiner Erfahrung nach ungefähr 15 Prozent. Wenn wir diese 15 Prozent der Bausumme nehmen und einmal auf die Leistungsphasen der HOAI runterbrechen, die für die Koordination der Gewerke und Überwachung der Gewerke anfallen würden, so kommen wir dazu, in der Regel bis Honorarzone III oder IV, dass hier teilweise mehr gezahlt wird, als wenn die Leistung extern an Architekten oder Ingenieure vergeben würde. Das heißt also, dass die öffentliche Hand das, was sie durch Generalübernehmer oder -unternehmer spart, oder zu sparen scheint, an anderer Stelle wieder ausgibt. Für den Subunternehmer selbst, also die kleinen oder mittelständischen Unternehmen, ist die Arbeit... mit der Arbeit als Nachunternehmer mit erheblichen Nachteilen verbunden. Zwar ist im Hamburger Vergabegesetz festgelegt, dass auf der einen Seite die Subunternehmer nicht weiter... oder nicht schlechtere Bedingungen erhalten sollten, als sie der Hauptunternehmer hatte, also der Generalunternehmer oder der Generalübernehmer. Ich habe allerdings im Evaluierungsbericht nichts darüber gefunden, ob auch das überprüft wurde. So, wie es im Moment im Gesetz steht, ist es rechtlich umstritten, ob das eine gesetzliche Regelung mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist, die selbstverständlich sehr sehr weitreichend wäre. Weiterhin ist es so, dass kleine und mittelständische Betriebe, wenn sie an letzter Stelle der Kette der Unternehmen sind, auch diejenigen sind, die als Letztes ihr Geld erhalten. Sie müssen dabei bitte bedenken, dass wir bei Bauvorhaben erhebliche Materialkosten und Lohnkosten haben, und die Bauindustrie geht hier in Vorlage. Das heißt, sie finanziert die Sachen vor und braucht folglich, wenn sie erst nach dem Hauptunternehmer, Generalübernehmer oder -unternehmer Geld bekommt, eine sehr sehr viel längere Kreditlinie, und diese Kreditlinie ist bei den Mittelständlern klassisch abgedeckt über das Privatvermögen. Das heißt, wenn hier die Zahlungen nicht erfolgen, dann bedeutet das, es geht nicht nur das Unternehmen in die Insolvenz, sondern es wird auch die Existenzgrundlage des einzelnen Unternehmers vernichtet. Dass die Zahlungen nicht immer erfolgen, zeigen Rechtsprechungen des BGH, wie zum Beispiel die Entscheidung, dass der Generalunternehmer selbstverständlich den Subunternehmer zahlen muss und keine Mängel mehr geltend machen darf, wenn seine Leistung mangelfrei abgenommen wird. Aus diesem Grund würde ich aus meiner Sicht empfehlen, dass hier hinsichtlich der Mittelstandsförderung, das sind in dem Entwurf des Gesetzes im Wesentlichen die Paragrafen 4, der Nachunternehmereinsatz, Paragraf 5 und dann die Auflistung, die wir haben in Paragraf 7, was einen Wertungsausschluss zur Folge hat und was denen auferlegt werden soll, hier Änderungen reinzunehmen, die in die Richtung gehen, wie es im Bund angedacht war, jetzt aber nicht mehr vorangetrieben wird im GBB, dass die Teillos- und Fachlosvergabe verpflichtend ist und Ausnahmen nur dann gelten, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Das wäre nach meiner Auffassung ein Schritt, hier für den öffentlichen Auftraggeber und für den Mittelstand im Vergaberecht etwas zu vereinfachen. Einhergehen muss das mit einer Verschlankung der Unterlagen, die gefordert werden. Zertifizierung ist für den Mittelstand keine Lösung, das ist zu teuer, und die Unterlagen machen erheblichen Aufwand, das zusammenzusuchen. ­ Das von meiner Seite. Vielen Dank.

Vorsitzende: Herzlichen Dank, Frau Diercks. Dann würde ich Herrn Rönnau bitten, weil das von der Reihenfolge gut passt.

Herr Rönnau: Gerne. Mein Name ist Andreas Rönnau von der Handwerkskammer Hamburg. Ich bin dort zuständig für öffentliche Auftragsvergabe, unter anderem für diesen Themenbereich, bin aber selbst kein Jurist. Also bei juristischen Fragestellungen würde ich dann gerne wieder zu den Juristen gerne abgeben. Vielleicht erst einmal eine Grundeinschätzung zu dem Gesamtvorhaben. Ich finde, dass die Bürgerschaft hier sehr mustergültig vorgegangen ist. Wir hatten ein oder haben ein befristetes Gesetz. Während dieser Befristungszeit ist eine Evaluation durch die Finanzbehörde mithilfe der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt in Verband mit den bauwirtschaftlichen Organisationen durchgeführt worden, ausgewertet worden, und die Aussage dieses Evaluationsberichtes ist ja sehr eindeutig. 97 Prozent der Unternehmen stimmen der bisherigen Gesetzesvorlage zu, und das ist also ein deutliches Signal. Und ich denke, ein wichtiges Signal jetzt Ihrerseits, oder der Hamburgischen Bürgerschaft, wäre jetzt entsprechend die Entfristung und die tatsächliche Umsetzung dieses Gesetzes noch rechtzeitig hinzubekommen.

Grundbewertung ist Zustimmung zum Entwurf. Es gibt ein paar Dinge, die ich einschränkend sagen möchte oder erläuternd sagen möchte. Ein wichtiger Punkt, der ja auch am Antragsweg hier vorliegt, ist die Frage der Mittelstandsorientierung. Da bin ich der Auffassung, dass durch den Änderungsvorschlag eine stärkere Mittelstandsorientierung erreicht werden kann, ich möchte das auch gleich begründen. Aber ansonsten eben der Appell, pragmatisch über die Entscheidungen... pragmatisch zu entscheiden über die Änderungsvorschläge.

Einleitend möchte ich noch etwas sagen zu den öffentlichen Unternehmen. Wir werden da vielleicht ja nachher noch in der Fragerunde drauf eingehen. Für uns ist es wichtig gewesen, dass im Zuge der Evaluation die fünf Unternehmen benannt wurden, die für sich in Anspruch nehmen, im entwickelten Wettbewerb zu stehen, nämlich SAGA GWG, Hamburg Messe und Congress GmbH, Flughafen Hamburg und SPRI3