Mindestlohn

Herr Frey: Ja, schönen guten Tag. Schönen Dank. Es ist natürlich sehr kompliziert jetzt für mich, noch mal das im Wesentlichen zu toppen, was mein Kollege von der Ver.di hier schon jetzt dargestellt hat. Kurz zu meiner Person: Ich bin Werner Frey, Bezirkssekretär im Bezirksverband Land Bremen und umzu, und bin insofern mit dieser Thematik beschäftigt, weil ich bei der Entstehung des Bremer Vergabegesetzes maßgeblich mit beteiligt war und über die ganzen Jahre hin die Entwicklung mit vollziehen konnte und auch an der Weiterentwicklung des Bremer Vergabegesetz beteiligt bin.

Was Allgemeines würde ich gerne hier als Statement abgeben hinsichtlich der Bedeutung von Vergabegesetzen, und insbesondere darauf wieder abzielend, auf die Tariftreue. Klar ist, dass mit einem Vergabegesetz die gewerkschaftliche Forderung, hin zu einer bundeseinheitlichen Regelung, steht. Das ist uns nicht gelungen, deshalb sind wir in den einzelnen Parlamenten in den Regionen aktiv geworden, und so auch in Bremen, Niedersachsen und Hamburg. Dementsprechend sind auch Erfahrungen mit den sehr unterschiedlichen Gesetzestexten gemacht worden, und von daher ­ möchte ich mich meinen beiden Vorrednern hier anschließen ­ ist das, was jetzt hier in dem Entwurf im Hamburger Vergabegesetz beabsichtigt wird, eine lobenswerte Geschichte und erst mal grundsätzlich von uns positiv zu bewerten. Was die Erfahrungen angeht, möchte ich einfach in Erinnerung rufen, dass das eine, was im Papier steht, noch lange nicht heißt, dass das draußen in der Realität auch gelebt wird. Selbst im Evaluierungsbericht steht drin, dass ja die „Soko" eine sehr sinnvolle und offensichtlich auch schlagkräftige Institution, die die Einhaltung der Hamburger Vergaberichtlinien hier überwachen und kontrollieren und sanktionieren sollte... hier sind ja einige Fälle auch benannt worden. Das heißt, trotz des Vergabegesetzes gibt es offensichtlich immer noch das Bestreben, an Gesetzen vorbei zu lancieren und damit also auch volkswirtschaftlichen Schaden zu erzeugen. Von daher kommt einem Vergabegesetz eine Kontrolle, eine wirksame Kontrolle, eine große Bedeutung zu. Die ist so, so wie ich das verstanden hab, auch in der Gesetzesvorlage wieder verankert. Deshalb ist das, was im Paragraf 3 und im Paragraf 10... was die Kontrollen angeht, von unserer Seite aus vollkommen zu unterstützen und als lobenswert zu betrachten.

Hinsichtlich der Unternehmensliste, die in dem Paragraf 8 angeführt worden ist, wäre von mir die Anmerkung zu machen, die Überlegungen von Präqualifikationen noch mal mit ins Spiel zu bringen, insbesondere unter dem Aspekt: Wer nimmt eigentlich teil am fairen Wettbewerb? Das heißt, wie sind diese Betriebe, die Firmen, die Bieter aufgestellt, haben sie eigenes Personal oder ist es nur eine Briefkopfadresse? Wir haben hier schon eben vorhin gehört, Generalübernehmer, Generalunternehmer ­ also die Versubbung, gerade im Bereich von Bauleistungen, ist eine verheerende Verkettung und in der Tat damit auch einhergehend ein Qualitätsverlust der, letztendlich, Leistung, aber auch der einzelnen Arbeitsplätze der Beschäftigten. Es geht also hier drum, klarzumachen, wer soll eigentlich an diesem fairen Wettbewerb teilnehmen, wie sind die Firmen eigentlich aufgestellt. Das heißt, bilden sie aus, haben sie eine eigene Infrastruktur, sowohl Büro als auch Gewerbliche als auch Angestellte? Alles diese sollte ein wichtiges Kriterium mit sein in der Bewertung, sind das Firmen, die am fairen Wettbewerb mit teilnehmen sollen. Das wäre noch ein Aspekt, den ich hiermit einwerfen möchte.

Dann letzter Punkt. Was die Tariftreue angeht, hat mein Vorredner hinsichtlich des Rüfferts-Urteil ja das Verhalten und die Reaktion dargestellt und unsere unterschiedlichen Sichtweisen. In der Tat sehen wir als Gewerkschaften das nicht als vollkommenen Totschlag von Tariftreueforderungen, sondern wir sind der Meinung, dass wir hier in der Tat weiter verfahren müssten und entsprechend EU-weit dort auch vorstellig werden müssten. Wenn wir von Tariflöhnen sprechen und diese in dem Tariftreuegesetz, oder im Vergabegesetz als Tariftreueerklärung, abverlangen und dort auf allgemein verbindliche Tarifverträge abgezogen wird, müssen wir sehr wohl überlegen, was an „allgemeinverbindliche Tarifverträge" denn existieren. Nicht alle Lohn- und Gehaltstabellen oder Entgeltregelungen sind allgemeinverbindlich. Das ist in der Tat etwas, was sich dann im Gesetzestext sehr gut liest, aber in der Realität dann aussieht... beispielsweise in vielen Bereichen würden dann bestenfalls die Mindestlöhne, die dann als allgemeinverbindlich erklärt worden sind, zur Anwendung kommen. Ich will, was die Bauwirtschaft angeht, kurz mal sagen: Der aktuelle Tariflohn eines Fach7 arbeiters, und wir reden ja auch hier darüber, wenn Lohn, der vor Ort für die Arbeit entrichtet werden soll..., dann ist das das Tabellengehalt der entsprechenden Lohngruppe, das heißt die Tätigkeit, die der jeweilige Kollege oder Kollegin dort macht, entsprechend der Lohntabelle dann zu bekommen. Das würde bei einem Facharbeiter aktuell 15,48 Euro bundesweit bedeuten, für einen Zimmermann beispielsweise.

Wenn wir gucken, was an Mindestlöhnen im Bauhauptgewerbe allgemeinverbindlich erklärt worden ist, Lohngruppe 1, dann liegen wir bei 10,70 Euro; das ist gut und gerne 5 Euro Differenz. Also, wenn wir hier über Tariftreue sprechen, dann meine ich, gilt der Lohn- und Gehaltstarif und nicht der Mindestlohn. Darüber sollten sich die Abgeordneten hier noch mal Gedanken machen, dass das entsprechend auch Verankerung findet. ­ Danke.

Vorsitzende: Vielen Dank, Herr Frey. Dann Herr Doktor Willenbruch.

Herr Dr. Willenbruch: Ja, die Luft für neue Erkenntnisse wird dünner. Vielleicht zu meiner Person: Ich bin Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und als solcher seit gut zehn Jahren mit Vergaberecht befasst und mache das seit einigen Jahren schwerpunktmäßig, sehr schwerpunktmäßig. Habe hier im Jahre 2005 bei der Anhörung zum damaligen Vergabegesetz, das jetzt ja praktisch Grundlage der Anhörung ist, daran teilgenommen und meine, dass ich aus der Praxis heraus, und das ist die Brille, durch die ich sehe, die anwaltliche Praxis des Vergaberechts, durchaus einiges sagen kann.

Lassen Sie mich zwei Dinge vor die Klammer ziehen. Da ist zum einen die Frage der Prüfungskriterien. Wenn man ein neues Gesetz oder eine gesetzliche Regelung gibt, muss man sich ja fragen, nach welchen Kriterien überprüfe ich dieses Gesetz? Das ist natürlich zunächst der Inhalt, das ist klar. Die Rechtmäßigkeit ist ein solches Kriterium, aber aus meiner Sicht eben auch sehr stark die Praktikabilität. Und da muss man sehen, dass man die Praktikabilität dieses Gesetzes, oder eines jeden Gesetzes in diesem Fall, aus einer Perspektive, nämlich der Vergabestelle, also der öffentlichen Hand, sehen muss, aber auch der Bieter, die sich um diesen Auftrag bewerben und im Wettbewerb untereinander stehen. Wenn ich das so sage, muss ich sagen, dass das geltende Vergaberecht schon riesige Schwierigkeiten bereitet und gerade aus der Sicht der öffentlichen Hand es enorm schwer ist, überhaupt eine einwandfreie Vergabe hinzubekommen. Es sind nicht nur kleine Vergaben, es sind mittlere und große; selbst bei denen ist es sehr schwierig, eine so einwandfreie Vergabe hinzubekommen, dass sie einer rechtlichen Nachprüfung standhält. Denn das ist ja die Erkenntnis, die wir in den letzten Jahren gewonnen haben: Es gibt zunehmend Vergaben, die angefochten werden durch ein Nachprüfungsverfahren. Die Vergabekammern sind unterschiedlich beschäftigt, zum Teil aber sehr stark beschäftigt, die Vergabesenate zum Teil bei den Oberlandesgerichten etwas schwächer. Aber diese Nachprüfungsverfahren führen doch zu einer deutlichen zeitlichen Verzögerung und damit immer auch zu einer erheblichen Kostensteigerung. Das wäre der dritte Punkt.

Es wird immer gesagt ­ das wär der vierte Punkt: Entbürokratisierung. Und die Bestimmungen sollen dazu führen, so eine Entbürokratisierung, man kann auch sagen, möglichst wenig Bürokratisierung... ein Kriterium, das gerade auch im Vergaberecht eine ziemlich große Rolle spielt. Ich komme im Zusammenhang mit den Nachweisen, die gefordert werden, darauf gleich noch zurück.

Das Stichwort Verschlankung des Vergaberechts spielt auch immer eine große Rolle.

Man muss sich also vorstellen, in diesem Büchlein sind sämtliche Vergabevorschriften, nur die Vorschriften, die anzuwenden sind, enthalten, und irgendwo in der Mitte, ganz klein, befindet sich das Hamburgische Vergaberecht. Das befindet sich zwischen dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung, das ist so die Bundesregelung, Vergabeverordnung, dann gibt es die Verdingungs- und Vertragsordnung. Und dann gibt es viele Landesvergabegesetze, dann gibt es Mittelstandsförderungsgesetze. Und irgendwo dazwischen muss das Hamburgische Gesetz seinen Platz finden. Das führt, und dazu komme ich im Einzelnen gleich noch oder nachher noch, dazu, dass ich dafür plädieren würde, sich einer gewissen Selbstbeschränkung zu unterwerfen und nicht mehr zu regeln, als wirklich geregelt werden sollte.

Der nächste und letzte Punkt ist der: Mittelstandsförderung. Das ist schon angesprochen worden, das kann ich vorwegnehmen. Ich glaube erstens mal, der Punkt der Mittelstandsförderung wird immer überschätzt. Das Vergaberecht ist ein schlechtes Werkzeug, Mittelstandsförderung zu betreiben. Es ist eigentlich ungeeignet, aber wenn man es ­ und dagegen ist nichts zu sagen, im Gegenteil ­, wenn man es aufnimmt, dann kann man es nur durch eine konkrete Regelung der Losbildung erreichen. Das ist schon angesprochen worden. Ein Allgemeinprogrammsatz, die mittelständischen Interessen sollen gefördert werden, ist gar nichts wert. Wenn man es wirklich ernst meint, dann durch Losbildung, und ob das im einzelnen Fall hält, überzeugt, anwendbar ist, ist eine andere Frage.

Und was mir als nächster Punkt fehlt, muss ich sagen, ist der Gesichtspunkt, der aber im ganzen Vergaberecht eine große Rolle spielt, nämlich der Gesichtspunkt der Korruptionsbekämpfung. Wir haben über Korruptionsregister schon seit Jahren nachgedacht, in Berlin denkt man wieder über die Dinge nach, aber es ist immer noch nicht so weit. Und wenn sich das so weiterzieht, wird es dazu auch nicht kommen. Das finde ich persönlich... empfinde ich persönlich als vertane Chance.

Soweit die Prüfungskriterien. Und dann würde ich gerne noch einmal, damit wir den Rahmen haben, die Grundlagen, auf denen wir uns bewegen, darstellen. Es ist natürlich zunächst mal das Bundesvergaberecht, wenn ich das mal so sagen soll, und vor dem Hintergrund dieses Gesetzes müssen wir auch wissen, dass in Berlin derzeit ja in der parlamentarischen Verfassung eine Neufassung des GWG ist. Die Neufassung ist deshalb von Bedeutung, weil die Vergabekriterien auch neu gefasst werden sollen. Da sollen die Umweltkriterien extra aufgenommen werden, Sozialelemente und so weiter, darauf können wir im Einzelnen noch eingehen. Das nimmt jedenfalls zum Teil das vorweg, was hier auch noch geregelt werden soll, sodass man sich dann fragt, ob es sinnvoll ist, das noch zu regeln. Wir haben, was die Tarifvertragsdinge angeht, in der Tat das Rüffert-Urteil, das ist geltendes Recht, und die Länder sind ja allesamt sehr unterschiedlich, aber alle sehr intensiv, wenn auch unterschiedlich bemüht, nun auf der Basis dieses Urteils eine Regelung zu schaffen zur Tariftreue ­ die hält, aber gleichzeitig auch der Bedeutung gerecht wird. Und wir haben natürlich den Evaluierungsbericht, der in der Tat eindrucksvoll ist, obwohl ich nicht genau weiß, wie repräsentativ er ist. Also, das kann man, kann ich dem Bericht etwas schwer entnehmen, aber das ist jedenfalls eine gute Basis, auf der man sich bewegen kann. Und wenn man das tut, will ich einen kurzen Abriss... finde ich es erst mal richtig, dass über die Entfristung des alten Vergabe... oder des geltenden Vergabegesetzes hier nicht nur entschieden wird, sondern dass die auch... dass das erster Regelungspunkt ist. Das Vergabegesetz in Hamburg hat sich bewährt; die Bedeutung ist nicht sehr groß geworden, aber sie hat sich bewährt.

Was bisher nicht angesprochen worden ist, ist die Ausweitung der Vergaberegelungen auf den Sektorenbereich unterhalb der Schwellenwerte. Das klingt jetzt sehr technisch, aber der Sektorenbereich spielt eine gewisse Rolle. Das ist im Grunde der Bereich der Verkehrsbetriebe, der Versorgungsbetriebe, Hafenverkehr, also die HPA zum Beispiel ist ein Sektorenauftraggeber. Auch unterhalb der Schwellenwerte sollen die nach der Neuregelung die Verdingungsregelungen anwenden. Das ist sicher sehr zu begrüßen, hat sicher ja zum großen Teil nur klarstellenden Charakter, aber ist gut, dass das geregelt wird dabei. Es gibt dann eine Freistellung der Beschaffung unterhalb von gewissen Bagatellgrenzen. Das ist auch zu begrüßen, dass man das vorsieht. Das haben andere Bundesländer schon länger vorgesehen, sozusagen als Experimentierklausel. Es gibt dazu auch Berichte, allerdings muss ich sagen, kenne ich diese Berichte zum Teil nicht, weil sie nur schwer veröffentlicht worden sind. Ich weiß also nicht, wie... welche Folgen es gehabt hat, dass bestimmte, betragsmäßig nicht sehr hohe Vergaben befreit worden sind von den Fesseln sozusagen des förmlichen Vergaberechts. Aber das ist natürlich im Sinne der Entbürokratisierung sehr sinnvoll, so etwas zu machen.

Und dann gibt es drei Regelungen: die Tariftreue, die ILO und die umweltverträgliche Beschaffung, zu denen ich noch etwas Genaueres sagen will. Korruptionsvermeidung hatte ich schon gesagt. Um es ganz kurz zu machen, die Tariftreueregelung ist ja der Not gehorchend eingeschränkt worden, und ich kann, ich möchte aus meiner Sicht, etwas anders als meine Vorredner, sagen, ich glaube, man hat damit den Rahmen, der noch zur Verfügung stand, ausgenutzt.