Frau Diercks. Es trifft nicht nur die Nachunternehmer mit den Nachweisen die erbracht werden müssen sondern es trifft alle

Frage, ob das eigentlich eine realistische Perspektive ist, dort die Nachunternehmer in dieser Art und Weise einzubinden, obwohl es sicherlich wünschenswert wäre, ganz klar.

Vorsitzende: Ich gucke so in die Runde, ob überhaupt jemand darauf jetzt antworten möchte. ­ Frau Diercks, bitte.

Frau Diercks: Es trifft nicht nur die Nachunternehmer mit den Nachweisen, die erbracht werden müssen, sondern es trifft alle. Und genauso, wie Sie den kleinen Betonbauer oder beziehungsweise die Stahlflechter ­ das sind meistens die, die in den Kolonnen reisen ­ wie Sie die Stahlflechter ansprechen, so geht es letztendlich den kleinen und mittelständischen Unternehmen, die ansässig sind in Hamburg. Auch sie ersticken in der Flut an Bürokratie. Sie dürfen nicht vergessen, dass diese Unternehmen im Wesentlichen davon leben, dass alle mitarbeiten. Das heißt, in dem Moment, wo er seine Zeit nicht für Arbeit benutzen kann, sondern für Verwaltung benutzen muss, verdient er nichts. Und das ist ein ganz, ganz großes Problem. Wenn Sie die Nachunternehmer von Anforderungen freistellen, von Bedingungen, die erbracht werden müssen, dann sollten Sie das gleichzeitig auch machen für die Unternehmen, die überhaupt sich an der Vergabe beteiligen. Und eine Idee wäre, es ist im Vergabegesetz vorgesehen, dass Wertgrenzen festgesetzt werden können für kleine Vergaben und dass man für dieses kleinen Vergaben ebenso festsetzt, dass die Anzahl der Nachweise begrenzt ist, wobei es nicht nur die Nachweise sind, über die wir hier sprechen, die Tariftreue, Umwelt- und Arbeitsschutznormen angehen, sondern es sind im Baubereich auch die Nachweise, die in den Leistungsverzeichnissen gefordert werden. Wenn hier nicht unterschieden wird nach den DIN-Normen, ob hier eine Zertifizierung oder ein Prüfbericht gefordert wird, dann führt das zu wirklich unsäglichen Verfahren ab Erreichung des Schwellenwerts und bei den Bietern zu einer Papierflut. Wenn man diese Vorschriften, wenn man denen nachkommen wollte, so wie es teilweise wortwörtlich geschrieben ist, dann kommen Sie dazu, dass Sie ganze Aktenordner abgeben. Und wenn Sie hier Erleichterung schaffen wollen, dann sollten Sie das ab Wertgrenzen tun und dass es dann allen gleichermaßen zugute kommt, dass die, die vielleicht jetzt nur als Kolonne durch die Gegend reisen, auch die Möglichkeit hätten, nun nicht gerade im Stahlbau, da wäre es nun ungünstig, aber in anderen Bereichen sich selbst zu bewerben.

Vorsitzende: Herr Frey noch.

Herr Frey: Ja, kurz noch eine Ergänzung, weil die Frage vorhin hat ja so ein bisschen provokatorischen Charakter gehabt nach dem Motto Nachunternehmer, da gibt es ja in der Tat im Betonbau die Situation, dass Beton, Stahlbeton, nun einmal aus zwei Teilen besteht, da muss eine Bewährung gemacht werden und dann wird Beton geschüttet. Und die Bewährungskolonnen sind so ähnlich wie bei den Malern die Putzer oder Stuckateure. Das sind dann Reisende. Und die sind dann auf einmal immer auf den Baustellen verfügbar. Und wenn wir uns denn fragen, zu welchen Bedingungen arbeiten die denn, und hören, weil hier eben gerade kam, Entbürokratisierung, das ist ein Ein-Mann-Unternehmen oder ein Ein-Personen-Unternehmen, dann bilden diese zwölf Ein-Mann-Betriebe sozusagen eine Kolonne. Das ist eine merkwürdige Selbstständigkeit, dass die sich gerade zufällig an der Baustelle getroffen haben, um nun diese Eisenflechterarbeiten zu machen.

Ich meine, wir schmunzeln darüber und die Realität sieht aber leider so aus. Und wenn ich dann die Finanzbehörden darauf hinweise und sage „Da sind zwölf Scheinselbstständige, die haben sich zufällig getroffen und arbeiten da", das kann man beim Holzbau genauso gut definieren, die müssten eigentlich 15 Euro noch ein bisschen bekommen, 48, weil das ist Betonbaufacharbeitertätigkeit. Das bekommen sie aber nicht. Weil sie dann selbstständig sind, spielt das keine Rolle ­ werden sie nicht überprüft ­, aber selbst, wenn das eine Kolonne sein sollte, die von einem Nachunternehmer dort tätig ist, bekommen die nicht den Facharbeiterlohn Betonbauer, sondern den Werker 1. Das sind 10 Euro. Und da frage ich mich ernsthaft: War das damit gemeint, wenn in der Vergabe gesagt wird, wir wollen Tariflöhne, allgemeinverbindliche? Das würde nämlich bedeuten, dass wir unsere Betonbauarbeiten künftig zu diesem Lohn auf Baustellen kriegen. Und ob die Qualität dementsprechend ist, wage ich jetzt einmal zu bezweifeln.

Vorsitzende: So, Herr Dr. Willenbruch noch.

Herr Dr. Willenbruch: Ich wollte nur noch ergänzen: Man fragt sich ja beim Nachunternehmereinsatz, wie die Ausgangsposition bei der Vergabe eigentlich ist. Welches Interesse hat der Auftraggeber, also der öffentliche Auftraggeber? Und der öffentliche Auftraggeber hat natürlich ein sehr starkes Interesse daran, mit einem Vertragspartner zu tun zu haben und nicht mit vielen Vertragspartnern. Das mag Bequemlichkeit sein, es hat aber natürlich auch etwas damit zu tun, dass er manchmal auch personell gesehen kaum in der Lage ist, so viele unterschiedliche Verfahren, Vergabeverfahren zu führen und das alles zu koordinieren. Da kann man natürlich dann auch Koordinatoren bestellen, einkaufen auf Deutsch gesagt, das kostet dann wieder sehr viel Geld.

Es ist also nicht nur etwas, was ­ das will ich damit sagen ­ was also aus der Sicht der Unternehmer lästig ist, diese ganzen Nachunternehmerregelungen, sondern sie sind auch aus der Sicht des Auftraggebers, wenn man so will, unbequem dabei. Dem ist es leichter, mit einem Vertragspartner zu tun zu haben. Und das, was wir hier gehört haben, ist sicher Stand der Dinge, aber über das Vergaberecht wird man das nicht in den Griff bekommen können.

Vorsitzende: Vielen Dank, Herr Dr. Willenbruch. ­ Jetzt noch Frau Diercks und dann Frau Badde und ich gucke jetzt auf die Liste. Wenn keiner mehr da ist mit Fragen, würde ich dann die Fragenrunde einfach einmal schließen anschließend und... ­ Ja, Frau Diercks erst einmal.

Frau Diercks: Danke. ­ Also, dass der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich mit dem Generalunternehmer oder -übernehmer, Hauptunternehmer, wie auch immer, besser bedient ist, das ist sehr fraglich. Es gibt natürlich, wie ich schon eingangs sagte, immer das Argument ­ ja, die Nacherfüllungsansprüche und ich habe hier nur einen Ansprechpartner ­ das ist wohl richtig. Wenn Sie sich aber ein Bauvorhaben vorstellen mit der ganzen unterschiedlichen Anzahl an Gewerken, nehmen wir nur einmal ein Hochbauvorhaben, das ist besser vorstellbar, dann ist es so, dass diese Gewerke teilweise unabhängig voneinander arbeiten können. Das heißt, der öffentliche Auftraggeber ist in der Lage, wenn ihm ein Gewerk ausfällt, warum auch immer, sei es eine Insolvenz, sei, dass er mit Arbeitsniederlegung droht ­ wir hatten gerade in Schleswig-Holstein den Bauunternehmer bei der Autobahn, der seine ganze Baustelle wieder abgebaut hat, was durch die Presse ging ­, er hat immer noch andere Gewerke, die weiterarbeiten, das heißt, die es ihm ermöglichen, das Bauvorhaben insgesamt noch in der Zeit zu halten, die es ihm ermöglichen, eine in Verzug zu setzen. Das ist die eine Sache.

Die andere Sache ist, dass man von den großen Bauunternehmen nichts anderes sagen kann, als dass sie juristisch bis an die Zähne bewaffnet sind. Mein Kollege Oppler erzählt immer als Liebstes das Beispiel einer Baustelle, wo er kam und der erste Nachtrag wurde gestellt und der Nachtrag lautete null, null, null, null, eins. Ja, da können Sie sich vorstellen, was die an Nachträgen geplant hatten, und so war es nachher auch. Das heißt, die öffentliche Hand muss sich wirklich fragen, ob sie sich einen Gefallen damit tut, wenn sie auf der einen Seite die Konzentration fördert und auf der anderen Seite sich nur einem Auftragnehmer gegenüber sieht, der ganz anders aufgestellt ist, der Nachtragsmanagement hat als das Ziel der Leistung und nicht als Ziel der Leistung die Erbringung des Bauwerks. Das ist das eine.

Das Zweite ist dieser Punkt mit den Stahlflechtern, der hier angesprochen wurde. Da ging es nicht um die Frage, ob es tunlich ist oder ob man verhindern kann, dass die alle sagen: „Ja, wir sind ja alle selbstständig. Zwölf Mann sind es und lauter Selbstständige haben wir hier." Sondern ich hätte die Frage so aufgefasst: Schafft es denn der Stahlflechter, diese Nachweise, die man von ihm verlangt, auch tatsächlich zusammenzubringen? Und da muss man sagen: Die Stahlflechter ­ da können Sie sich vorstellen, das ist Handarbeit und das ist enorm körperlich anstrengende Arbeit, das sind wirklich Schränke, die da auf der Baustelle herumlaufen und die können prima Stahl flechten. Aber die Frage, ob sie diese Papiere, die hier verlangt werden, zusammensuchen können und ob sie überhaupt verstehen und verstehen wollen und auch noch die Energie haben, sich da reinzulesen, was von ihnen hier verlangt wird, das ist sehr die Frage.

Vorsitzende: Frau Badde. Abg. Elke Badde: Drei ganz kurze Fragen: Also, Sie sprachen gerade von den Nichthandwerkerinnen, von Entbürokratisierung. Ich verstehe oft, das Vergabeverfahren ist deshalb so kompliziert, die Nachweise sind deshalb so ausdrücklich erforderlich, weil es eben insbesondere auch die Widersprüche und Klagen oder Einsprüche der Mitbewerber gibt und insofern auch diese ganz ausführliche Aktenführung erforderlich ist, um ein lupenreines Verfahren nachweisen zu können und dann nachher eben auch im Rechtsverfahren bestehen zu können. Also deshalb meine kurze Frage: Sehen Sie schlagkräftige Entbürokratisierungsbemühungen, die auch noch in das Gesetz aufgenommen werden könnten?

Der zweite Punkt ist: Die Sanktionsmöglichkeiten im Gesetz. Wir hatten eben von der Hotline gesprochen, den Beschwerden. Sehen Sie insgesamt die Regelung im Gesetz im Paragraf 11 als ausreichend an, um gegen Verstöße gegen das Vergabegesetz vorgehen zu können? Dort sind die Sanktionen höher 1 Prozent bei Verstößen ­ und sollte da etwas mehr aufgenommen werden?

Das Dritte ist noch einmal zur Tariftreue. Es kann ja sein, dass ich es nicht ganz richtig verstanden habe, aber das EuGH-Urteil geht ja zu Vergaben, die oberhalb der EU-Schwellenwerte lagen, nur darüber ist ja wohl geurteilt worden. Bestände denn die Möglichkeit, unterhalb der EU-Schwellenwerte einen anderen Tariftreuebegriff quasi im Gesetz einzuführen, also den ­ sagen wir einmal ­ den alten Tariftreuebegriff beizubehalten oder können wir da nur eine allgemein verbindliche Regelung so, wie sie eben jetzt vorgesehen ist im Gesetz und wie wir sie zunächst besprochen haben, dann auch halten? ­ Danke.

Vorsitzende: Wer fühlt sich berufen, darauf zu antworten vielleicht? ­ Ja, Frau Diercks und dann Herr Dr. Willenbruch vielleicht. Frau Diercks zuerst.

Frau Diercks: Also, ich picke mir einfach einmal die mittlere Frage heraus, ob man das entbürokratisieren könnte. Eine Möglichkeit wäre, den Paragraf 4 der Mittelstandsförderung einmal in Absatz 1 wie folgt zu fassen: Die Auftraggeber sind verpflichtet, Leistungen in der Menge (Teillose) und nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) aufzuteilen. Wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern, darf der Auftraggeber mehrere oder alle Lose zusammenfassen.

Absatz 2: Bei Vergabeverfahren, die innerhalb der Wertgrenze des Paragraf 2 a Absatz 2 Hamburger Vergabegesetz liegen, müssen die Bieter die vorzulegenden Unterlagen und Nachweise nicht mit der Abgabe des Angebots vorlegen. Diese Unterlagen sind erst auf Anforderung des Auftraggebers vorzulegen.

Hintergrund für diese Regelung ist, dass der Auftraggeber in diesem Bereich in der Regel sehr, sehr viele Angebote erhält. In der Regel wird es so sein, dass er auf den wirtschaftlichsten abstellt. Der Auftraggeber hat hier auch das Wahlrecht, er kann natürlich auch verlangen, dass er die Unterlagen vorher fordert, und er kann hier nur die Bieter mit diesem bürokratischen Aufwand belasten, die tatsächlich eine Chance haben. Das heißt, von den 15 oder 20, die ein Angebot abgeben, wird es dann eben beschränkt auf die ersten fünf oder von mir aus auf die ersten sieben, wie immer er das festlegen will. Das liegt dann in seinem Ermessen. Sie müssen sich dazu vorstellen, so sagt das zumindest mir von verschiedener Seite die Bauindustrie, dass auf einen Zuschlag in der Regel um die 80 Angebote kommen ­ nur, um Ihnen einmal die Belastung deutlich zu machen, die dahinter steckt. Und das wäre eine wirkliche Entlastung und es würde eben auch nur die unteren Vergaben betreffen, würde in die großen Werte nicht eingreifen.

Vorsitzende: Herr Dr. Willenbruch.

Herr Dr. Willenbruch: Ja, zum Thema Sanktionen: Das ist ja eine Vorschrift, die im Prinzip eine Anleitung darstellt, wie die Verträge nach Zuschlagserteilung zu fassen sind, nämlich mit einer Vertragsstrafe zu versehen im Falle eines Verstoßes gegen das Vergaberecht. Vertragsstrafen unterliegen ihrerseits wieder einer Regelung, nämlich sie dürfen einen bestimmten Betrag, 5 Prozent der Auftragssumme, insgesamt nicht überschreiten. Und wenn man das alles zugrunde legt, dann ist das, was hier drinsteht, im Prinzip der richtige Rahmen.