Türen aus der JVA

Vermarktung von Zellentüren aus der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel

In der Bild-Zeitung vom 1.12.2008 wird berichtet, dass seit dem 1. Dezember 2008 „24 Knast-Türen", hinter denen „berüchtigte Verbrecher" viele Jahre verbrachten und die „zur historischen Attraktion" geworden seien, vom „Gefängnis-Internet-Shop" www.santa-fu.de zum Verkauf angeboten werden.

Die Türen würden noch aus der Zeit der Gefängnis-Einweihung im Jahre 1906 stammen, die Justizbehörde lege jeder Tür ein „Echtheitszertifikat" bei.

Auf der Homepage www.santa-fu.de wird unter der Überschrift „Original Zellentür" Folgendes mitgeteilt: „Die Justizbehörde bietet 24 Zellentüren an, aus massivem Holz, mit Eisenriegel und Guckloch, zum Teil mit Durchreichklappe, auf der Innenseite mit Stahl beschlagen. Die Türen waren gleich 1906 bei der Errichtung von Santa Fu eingebaut worden. (...) Ob für die kreative Werkstatt, den witzigen Modeladen, den coolen Partykeller oder die verrückte Bar ­ wir beraten Sie mit Phantasien und Ideen." Historischer Kontext der Gefängnistüren Ausweislich der Ausstellung „Konzentrationslager Fuhlsbüttel „Kola-Fu" ­ ein Ort der Willkür und Gewalt" der KZ-Gedenkstätte Neuengamme wurde im Jahre 1869 in Fuhlsbüttel mit dem Bau eines gewaltigen Gefängniskomplexes außerhalb der Stadt begonnen. Im Jahre 1879 wurde das Gefängnis für Männer fertiggestellt, im Jahre 1891 wurde ein Gefängnis für Frauen errichtet. 1892 erfolgte die Fertigstellung eines Gefängnisses für Jugendliche. Das Zuchthausgebäude wurde im Jahre 1906 errichtet.

Im Begleittext der Ausstellung heißt es: „Die Gebäude galten bereits Ende der 20er Jahre für den damaligen Strafvollzug als veraltet. 1933 stand Fuhlsbüttel weitgehend leer und erste Gebäude waren bereits abgerissen. Nachdem die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren, wurde der weitere Abriss sofort gestoppt; wenige Monate später war dieser Strafanstaltskomplex wieder voll belegt.

Die Strafanstalten Fuhlsbüttel wurden ab April 1933 zu einem Hauptort nationalsozialistischer Verfolgung durch Hamburger Polizei, Justiz, SA und SS:

Ab April 1933 wurden politische Häftlinge der Polizei als „Schutzhaftgefangene" gemeinsam mit Strafgefangenen im Werkhaus und Zuchthaus untergebracht.

Am 4. September 1933 wurde das „Konzentrationslager Fuhlsbüttel" gegründet und dafür das ehemalige Frauengefängnis und das Jugendgefängnis genutzt.

Im August 1934 erfolgte die Erweiterung des Konzentrationslagers um eine Frauenabteilung im ehemaligen Jugendgefängnis.

1936 wurde dieses Konzentrationslager in „Polizeigefängnis" umbenannt, ohne dass sich an den menschenverachtenden Haftbedingungen etwas änderte. Es existierte bis Kriegsende.

Das Zuchthaus und das Gefängnis waren in der gesamten Zeit des Nationalsozialismus überfüllt ­ auch mit Tausenden politischen Regimegegnern, die durch die Strafgerichte abgeurteilt wurden, darunter sehr viele Ausländer.

Von Oktober 1944 bis Februar 1945 war im Zuchthaus Fuhlsbüttel auch ein Außenlager des KZ Neuengamme untergebracht, in dem ca. 1500 Häftlinge inhaftiert waren."

Zu den Strafanstalten in Fuhlsbüttel wird auf der Homepage der KZ-Gedenkstätte Folgendes festgestellt: „Auch die Strafanstalten Fuhlsbüttel, die der Justiz unterstanden, waren Teil des nationalsozialistischen Verfolgungsapparates. Viele Strafgefangene waren wegen politischer Gegnerschaft zum Nationalsozialismus unter Heranziehung der Gesetzesvorschriften über die „Vorbereitung zum Hochverrat" zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden; Sondergerichte wiesen schon bei Unmutsäußerungen Menschen wegen „Heimtücke" in Strafhaft ein. Noch in anderer Hinsicht waren die Strafanstalten mit dem Terrorapparat verbunden: Mehr als einhundert Gefangene des Zuchthauses Fuhlsbüttel und „Sicherungsverwahrte" wurden 1942 in Konzentrationslager zur „Vernichtung durch Arbeit" überstellt." Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung waren politische Häftlinge, Juden, die als sogenannte Rasseschänder verurteilt wurden, Homosexuelle und Zeugen Jehovas, die sowohl in den Gefängnissen als auch im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert waren.

Auf der Gedenktafel der „Gedenkstätte Konzentrationslager und Strafanstalten Fuhlsbüttel 1933 ­ 1945", die 1987 im ehemaligen Eingangsgebäude eingerichtet und 2003 neu gestaltet wurde, ist folgender Text zu lesen: „Konzentrationslager Fuhlsbüttel ­

Von Ende März 1933 bis zum Kriegsende 1945 wurden durch dieses Tor viele politische Gegner des NS-Regimes in die Gefangenschaft geführt. Das ehemalige Konzentrationslager Fuhlsbüttel, damals „Kolafu" genannt, war in einem Bau dieser Strafanstalt untergebracht. Es unterstand der SS, später wurde es Gestapogefängnis. Die Gefangenen wurden ohne Gerichtsurteil festgehalten, viele misshandelt und gefoltert, manche zum Selbstmord getrieben oder ermordet."

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Ist es richtig, dass die 24 Türen aus der JVA Fuhlsbüttel, die auf der Homepage www.santa-fu.de zum Verkauf angeboten werden, aus dem Jahre 1906 stammen?

Die Türen gehören zur Originalausstattung der Justizvollzugsanstalt (JVA). Das genaue Herstellungsjahr ist nicht bekannt.

2. Ist es richtig, dass die Justizbehörde ein „Echtheitszertifikat" für die Türen ausstellt?

Wenn ja, welcher Text ist auf dem Zertifikat abgedruckt?

Der Text des Echtheitszertifikates lautet: ECHTHEITS-ZERTIFIKAT: Hiermit wird bestätigt, dass es sich bei der vorliegenden Zellentür mit der laufenden Nummer um eine Original-Zellentür aus der Hamburger Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel (genannt „Santa Fu") handelt.

Diese historische, rund 100 Jahre alte Zellentür aus massiver Eiche, zur Zellenseite mit Stahlblech beschlagen, wurde bei Renovierungsarbeiten im Jahre 2006 ausgebaut.

Freie und Hansestadt Hamburg Justizbehörde ­ Strafvollzugsamt

3. Aus welchem Gefängnisgebäude beziehungsweise welchen Gefängnisgebäuden stammen die Türen, die zum Verkauf angeboten werden? Bitte sowohl die historische als auch die heutige Bezeichnung des Gebäudes beziehungsweise der Gebäude angeben.

Die Türen stammen aus dem heutigen Haus 2 der JVA Fuhlsbüttel, das von 1901 bis 1906 erbaut und als „Zuchthaus" mit den Flügeln A bis D bezeichnet wurde.

4. Ab April 1933 waren politische Häftlinge im „Werkhaus" und „Zuchthaus" inhaftiert. Wo befanden sich die Gebäude? Welche historischen und welche heutigen Bezeichnungen wurden beziehungsweise werden für die Gebäude verwendet?

Die beiden Gebäude liegen hinter dem Torgebäude der Pforte Am Hasenberge 26.

Das „Werkhaus" trägt heute die Bezeichnung „Altes Werkhaus". Das früher als Zuchthaus genutzte Gebäude ist das heutige Haus 2.

5. Am 4. September 1933 wurde das „Konzentrationslager Fuhlsbüttel" im Frauen- und Jugendgefängnis gegründet. Wo befanden sich die Gebäude? Welche historischen und welche heutigen Bezeichnungen wurden beziehungsweise werden für die Gebäude verwendet?

Der Zugang zum ehemaligen Frauen- und Jugendgefängnis erfolgte über das Torgebäude Suhrenkamp 98, in dem heute die Gedenkstätte für das Konzentrationslager Fuhlsbüttel untergebracht ist. Das frühere Jugendgefängnis war in dem Gebäude untergebracht, das heute die Bezeichnung „Haus 3" trägt. Das frühere Frauengefängnis war im heutigen Haus 4 der JVA Fuhlsbüttel untergebracht.

6. Ab Oktober 1944 wurde im „Zuchthaus" ein Außenlager des KZ Neuengamme eingerichtet. In welchen Gebäudeteilen des „Zuchthauses" befand sich das Außenlager des KZ Neuengamme? Bitte die historischen und die heutigen Bezeichnungen angeben.

Das Außenlager des KZ Neuengamme wurde in den Blöcken A und B des früheren Zuchthauses untergebracht. Die heutige Bezeichnung des Gebäudes lautet Haus 2 der JVA Fuhlsbüttel. Die früheren Blöcke A und B entsprechen dem A- beziehungsweise B-Flügel des Hauses 2.

7. Die Zuchthausstrafe wurde erst durch das „Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts" vom 25. Juni 1969 abgeschafft. Welche Arbeiten mussten die Häftlinge der JVA Fuhlsbüttel bis zu dieser Strafrechtsreform an welchem Ort verrichten?

Die zur Beantwortung benötigten Daten liegen der zuständigen Behörde nicht vor.

8. Wann erfolgte die Modernisierung der JVA Fuhlsbüttel und wo wurden die Türen zwischengelagert?

Die Sanierungsarbeiten, in deren Zuge die Türen ausgebaut wurden, haben in den Jahren 2004 bis 2008 stattgefunden. Die Zwischenlagerung der Türen erfolgte in einem Kellerraum der Werkstätten der JVA Fuhlsbüttel.

9. Sind Museen, Gedenkstätten und Geschichtswerkstätten oder Vereine gefragt worden, ob sie die historischen Türen aufbewahren wollen?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

Nein. Es gab zum damaligen Zeitpunkt keinen Anlass.

10. Wer hatte die Idee, die historischen Türen im Rahmen einer „Weihnachtsaktion" zu verkaufen? Zu welchem Preis werden die Türen verkauft? Wer bekommt welchen Betrag in Euro pro verkaufte Tür?

Die Idee, die Türen jetzt zu Weihnachten zu verkaufen, kam von den Kooperationspartnern des Projektes „Santa Fu". Der Preis pro Tür betrug 397 Euro.

Ja, Ende des Jahres 2006. Die Freie und Hansestadt Hamburg ist Eigentümerin und somit zum Verkauf befugt. Die Türen wären sonst im Zuge der Baumaßnahme entsorgt worden.

12. Kann der Senat den Verkauf der Türen sofort stoppen?

Wenn nein, warum nicht?

Ja. Der Verkauf wurde am 6. Dezember 2008 gestoppt. Soweit bereits Kaufverträge abgeschlossen wurden, hat die zuständige Behörde den Käufern angeboten, die Kaufverträge aufzuheben und gegebenenfalls das Geld zurückzuerstatten.

13. Wäre der Senat bereit, die restlichen Türen der Willi-Bredel-Gesellschaft Geschichtswerkstatt e.V. (www.bredelgesellschaft.de) zu übereignen, die seit der Einrichtung der KZ-Gedenkstätte in Santa Fu im Jahre 1988 mit Hilfe von Zeitzeugen und Experten durch Erinnerungsberichte, Lesungen, Diskussionen, Filmvorführungen, Rundgänge und Exkursionen zur Entwicklung eines kritischen Geschichtsbewusstseins beiträgt, damit diese eine Ausstellung zum Thema Justiz- und Gefängnisgeschichte konzipieren kann?

14. Wäre der Senat bereit, die restlichen Türen der KZ Gedenkstätte Neuengamme, den Hamburger Museen, den Hamburger Geschichtswerkstätten oder dem Forum Justizgeschichte e.V. zu übereignen, damit diese eine Ausstellung zum Thema Justiz- und Gefängnisgeschichte konzipieren können?

Der Senat hat sich hiermit nicht befasst.