Konzepte zur ambulanten Versorgung für Menschen mit Behinderung

Konzepte zur ambulanten Versorgung setzen dort an, wo der Hauptort der Krankheitsbewältigung ist ­ im direkten Lebensumfeld der betroffenen Menschen. Ziel ist es, den Menschen auch im Alter ihr gewohntes Umfeld und ihre vertraute Wohnung zu erhalten beziehungsweise stationär untergebrachte psychisch kranke und behinderte Menschen so zu begleiten und zu unterstützen, dass sie ihr Leben wieder in den eigenen vier Wänden und ­ soweit wie möglich ­ auch selbstbestimmt bestreiten können. Mit dem Ausbau ambulanter Versorgungsleistungen war zugleich das Ziel der Einschränkung kostenintensiver stationärer Versorgungsangebote verbunden, um dem raschen Ausgabenanstieg im Gesundheitswesen entgegenzuwirken.

Der Begriff „Ambulantisierung" bezeichnet folglich den Prozess der Verlagerung sozialer und gesundheitlicher Versorgungsleistungen aus dem stationären in den ambulanten Sektor und er steht für die Akzentverschiebung in Richtung einer vorwiegend ambulanten Versorgung kranker, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen. Die Prämisse „ambulant vor stationär" ist eine Reaktion auf die demografische Alterung und die Zunahme chronischer Erkrankungen in der Bevölkerung sowie die daraus entstandenen geänderten gesundheitlichen Problemlagen.

Heute können durch ambulante Versorgungsdienste pflegebedürftige Menschen bis ins höchste Alter in ihren Wohnungen bleiben. Aber auch für Menschen, die in Heimen für Behinderte oder in stationären psychiatrischen Einrichtungen wohnen, soll ein selbstbestimmtes Leben in einer eigenen Wohnung möglich werden. Dafür sind mehr barrierefreie Wohnungen beziehungsweise spezielle Betreuungsformen und Wohnprojekte für psychisch Kranke nötig.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

Im Jahr 2005 lebten etwa 2.500 Hamburgerinnen und Hamburger aufgrund ihrer geistigen Behinderung in einer stationären Einrichtung in Hamburg, während 1.800 Personen der gleichen Zielgruppe ambulant versorgt wurden. Die zuständige Behörde hat 2005 gezielt mit der sogenannten Ambulantisierung begonnen, um zum einen dem gesetzlichen Gebot Rechnung zu tragen, wonach individuelle, möglichst nicht-stationäre Hilfen grundsätzlich Vorrang vor einer stationären Betreuung haben sollen (§ 19 Absatz 2 SGB IX, §§ 9, 13 SGB XII). Zum anderen soll der von behinderten Menschen und ihren Organisationen seit Langem erhobenen Forderung nach besseren Rahmenbedingungen für eine unabhängige Lebensführung und für die Einbeziehung in die Gemeinschaft Rechnung getragen werden, wie sie auch im Artikel 19 der UN-Konvention zum Behindertenrecht zum Ausdruck kommt.

Im Rahmen bilateraler Zielvereinbarungen mit den Trägern und Verbänden der freien Wohlfahrtspflege wurde festgelegt, dass insgesamt 770 stationäre Plätze in ambulant betreute Wohnformen umgewandelt werden sollen. Dieses Vorhaben, mit dessen Realisierung Ende 2005 begonnen wurde, nimmt einen hohen Stellenwert bei der Weiterentwicklung der Behindertenhilfe in Hamburg ein. Es sollen dadurch insbesondere

· eine selbstständigere Lebensgestaltung für behinderte Menschen ermöglicht werden,

· die Unterstützungsleistungen individueller und bedarfsgerechter erfolgen und

· die Bedingungen für Teilhabe und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen verbessert werden.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Wohnungen für Rollstuhlfahrer

In der Drs. 19/1596 stellt der Senat fest, dass zwischen 2000 und 2004 jährlich circa 50 Wohnungen für Rollstuhlbenutzer gemäß DIN 18025 erstellt wurden, 2005 nur noch neun Wohnungen, 2006 und 2007 jeweils noch sechs Wohnungen und 2008 nicht eine einzige.

Wie erklärt sich der Senat oder die zuständige Behörde den deutlichen Rückgang des Wohnungsbaus für Rollstuhlbenutzer gemäß DIN 18025?

Welche Gründe gibt es für die in den Jahren 2006 bis 2008 erhebliche Diskrepanz zwischen bewilligten und fertiggestellten Wohneinheiten? Und wie hoch fielen die Bewilligungen im Einzelnen jeweils aus?

Die Angaben in Drs. 19/1596 bezogen sich darauf, wie viele der im jeweiligen Jahr bewilligten Wohnungen inzwischen fertiggestellt sind. Das ist bei den in den letzten Jahren bewilligten Wohnungen regelmäßig noch nicht der Fall.

Warum wird nach Einschätzung des Senats oder der zuständigen Behörde das Wohnraumförderungsprogramm des Senats im Segment „Rollstuhlbenutzer-Wohnungen" nicht ausgeschöpft?

Der frei finanzierte und der geförderte Mietwohnungsbau befindet sich derzeit auf einem niedrigeren Niveau als in früheren Jahren, sodass insgesamt weniger potenzielle Neubauobjekte für Rollstuhlbenutzerwohnungen zur Verfügung stehen.

Weiterhin ist nicht jeder Standort, an dem öffentlich geförderter Mietwohnungsbau realisiert wird, auch für die Zielgruppe der Rollstuhlbenutzer geeignet. Die zuständige Behörde prüft vor jeder Aufnahme in das Wohnraumförderungsprogramm die Nachfragesituation.

Hält der Senat an der in den Produktinformationen zum Haushaltsplan-Entwurf 2009/2010 im Einzelplan 6 aufgeführten Zielzahlen von 45 Wohneinheiten jährlich im Segment „Rollstuhlbenutzer-Wohnungen" fest und hält er diese Zahl für ausreichend?

Wenn ja, wie will er in den kommenden Jahren eine bessere Ausnutzung der bereitstehenden Fördermittel sicherstellen?

In welchem Umfang sieht der Senat jährlich bis 2015 einen Bedarf am Bau barrierefreier Wohnungen für Rollstuhlbenutzer gemäß DIN 18025?

Sieht der Senat oder die zuständige Behörde weitere oder andere Bedarfe an barrierefreien Wohnungen?

Wenn ja, für welche Bedarfe und in welchem Umfang jährlich bis 2015?

Ja, im Übrigen wird in regelmäßigen Beratungs- und Informationsgesprächen mit Wohnungsbauinvestoren und Wohnungsverbänden die Bedeutung des Neubaus von Rollstuhlbenutzerwohnungen von der zuständigen Behörde und der Hamburgischen Wohnungsbaukreditanstalt thematisiert.

Zur Deckung der entstehenden Bedarfe sind besondere Förderprogramme bei der Hamburgischen Wohnungsbaukreditanstalt aufgelegt worden. Nach derzeitigem Sachstand sind bei den Mietwohnungen in den Förderprogrammen bis 2010 jährlich über die oben genannten 45 barrierefreien Wohnungen für Rollstuhlbenutzer (DIN 18025 Teil 1) hinaus 75 barrierefreie Wohnungen (DIN 18025 Teil 2) vorgesehen.

Mögliche zusätzliche Bedarfe über den Zeitraum von 2010 hinaus wird die zuständige Behörde prüfen und bei der Konzeption künftiger Wohnungsprogramme entsprechend berücksichtigen.

In der Drs. 19/1596 stellt der Senat fest, dass in der Zentralen Vermittlungsstelle für rollstuhlgerechten Wohnraum im Grundsicherungs- und Sozialamt Wandsbek 1.163 barrierefreie Wohnungen zur Verfügung stehen.

Trifft es zu, dass dies der Gesamtbestand an barrierefreien Wohnungen ist, den die Zentrale Vermittlungsstelle vermitteln kann beziehungsweise bereits vermittelt hat?

Ja.

Wie viele dieser barrierefreien Wohnungen sind aktuell frei und können noch vermittelt werden?

Es sind fünf Wohnungen.