Sozialkarte Hamburg

Seit dem 01. Januar 2009 können Leistungsberechtigte nach dem SGB II, Empfänger/-innen von Sozialhilfe, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und zu einer Bedarfsgemeinschaft der genannten Leistungsberechtigten Gehörige mit Wohnsitz in Hamburg einen Preisnachlass von 18 Euro/Monat auf Zeitkarten im Hamburger Verkehrsverbund (HVV) in Anspruch nehmen.

Neben dem Erwerb von Monatskarten nach Vorlage der sogenannten Sozialkarte Hamburg an den Verkaufsstellen des HVV besteht für den berechtigten Personenkreis alternativ die Möglichkeit, HVV-Zeitkarten im Abonnement mit dem monatlichen Preisnachlass von 18 Euro zu erwerben. Hierzu ist zusätzlich zur „Sozialkarte Hamburg" ein Berechtigungsschein vorzulegen.

Bei Auflösung eines Abonnements vor Ablauf der einjährigen Laufzeit wird nach Auskunft des HVV eine Nachentrichtung des Differenzbetrags zwischen dem regulären Abo-Preis/Monat und dem Preis einer Monatskarte für den in Anspruch genommenen Zeitraum fällig. Der Grund für die Kündigung des Abonnements (zum Beispiel aufgrund von Leistungskürzungen oder -entzug) soll hierbei nicht von Belang sein.

Nach Auskunft der Sozialbehörde können auch Menschen, die über kein Girokonto verfügen, ansonsten aber die Anspruchsvoraussetzungen für die „Sozialkarte Hamburg" erfüllen, ebenfalls eine HVV-Zeitkarte im Abonnement beziehen. Die Abrechnung erfolgt dann direkt aus den Regelleistungen und wird über die BSG abgerechnet. Zuvor soll jedoch geprüft werden, ob die Einrichtung eines Girokontos nicht doch ermöglicht werden kann.

Bei Fahrkartenkontrollen müssen Personen, welche den Preisnachlass in Anspruch nehmen, obgleich sie beim preisermäßigten Erwerb einer Zeitkarte bereits ihre Berechtigung nachwiesen haben, auf Verlangen die „Sozialkarte Hamburg" als Nachweis ihrer Berechtigung erneut vorzeigen.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Zur Erfordernis, die „Sozialkarte Hamburg" bei Fahrkartenkontrollen vorzuzeigen: Insofern Leistungsberechtigte bereits beim Kauf einer verbilligten Monatskarte ihre Berechtigung nachweisen, muss diese Regelung redundant erscheinen. Überdies werden Betroffene so gezwungen, ihren sozio-ökonomischen Status nicht allein gegenüber den Kontrolleuren, sondern auch gegenüber Dritten in den in aller Regel dicht besetzten Verkehrsmitteln des ÖPNV zu offenbaren: Inwiefern sieht der Senat durch diese Regelung eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Fahrgästen, die eine zusätzliche soziale Diskriminierung sozial Benachteiligter bedeutet und damit einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Gründen der sozialen Herkunft, des Vermögens oder eines sonstigen Status (Artikel 14 EMRK) gegeben?

Ein Verstoß nach Artikel 14 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) liegt nicht vor. Nach Auffassung der zuständigen Behörde sind Berechtigungsnachweise erforderlich, um missbräuchliche Nutzungen zu verhindern. Grundsätzlich haben alle Zielgruppen, die im öffentlichen Personennahverkehr von Preisnachlässen profitieren, bei Kartenkontrollen ihre Berechtigung nachzuweisen. Im Übrigen ist eine gesonderte Vorlage der Sozialkarte bei Kontrollen nicht erforderlich, da die Kundenkartenhülle so gestaltet ist, dass sie neben der Wertmarke auch den Berechtigungsnachweis enthält.

2. Zur Nachentrichtung bei vorzeitiger Aufkündigung eines HVV-Abonnements: Grund für eine Aufkündigung eines über die „Sozialkarte Hamburg" und den Berechtigungsschein preisermäßigten Abonnements kann gänzliche Mittellosigkeit aufgrund von Leistungskürzungen oder Leistungsentzug sein. Grundsätzlich hat eine Berechtigung zum preisermäßigten Bezug eines HVV-Abonnements jedoch zuvor für einen gewissen Zeitraum bestanden: Inwiefern sieht der Senat durch die Nachentrichtungs-Regelung seinen politischen Willen umgesetzt, Leistungsberechtigten grundsätzlich die Teilnahme am HVV-Abonnement zu ermöglichen?

a) Erwägt der Senat hier nachzujustieren und den vorzeitigen Ausstieg aus dem HVV-Abonnement unter bestimmten Voraussetzungen von der Nachentrichtung freizustellen?

b) Sieht der Senat insbesondere im Falle schwerwiegender sozio-ökonomischer Indikationen, wie der gänzlichen Mittellosigkeit, einen politischen Handlungsbedarf, die Betroffenen bei vorzeitiger Aufkündigung des HVV-Abonnements von der Nachentrichtung zu befreien?

Die vertragsrechtlichen Konsequenzen der Kündigung mit der Folge der Nachentrichtung des Differenzbetrages zwischen Abonnement- und Monatskarte treffen alle Abonnenten gleichermaßen. In Fällen wie beim Wegzug aus dem HVV-Gebiet, Langzeiterkrankung, Beginn des gesetzlichen Mutterschutzes oder unverschuldeter Mittellosigkeit ermöglichen Härtefallbestimmungen des Hamburger Verkehrsverbundes, die Nachentrichtung auf Antrag des Kunden ganz oder teilweise zu erlassen. Weiterer Handlungsbedarf besteht nicht.

3. Zur Situation bei Anspruchsberechtigten ohne eigenes Girokonto: Welche konkreten Bemühungen werden von den jeweils hiermit befassten Dienststellen unternommen, zunächst die Einrichtung eines Girokontos zu ermöglichen?

Bei der Beantragung der Sozialkarte werden in den sozialen Dienstleistungszentren beziehungsweise Ämtern für Grundsicherung und Soziales sowie in den Jobcentern der ArGe mit den Leistungsberechtigten, die über kein eigenes Girokonto verfügen, die Möglichkeiten eigener Kontoführung besprochen (wenn zum Beispiel aus Sicht der Dienststellen der erneute Versuch eigenständiger Kontoführung aussichtsreich ist oder der Hinweis, dass auch Leistungsempfänger nach § 1 AsylbLG ausnahmsweise für den Erwerb eines Abonnements ein Girokonto einrichten können). Die Antragsteller sollen insbesondere darin bestärkt werden, die Einrichtung eines Girokontos in eigener Verantwortung erneut zu betreiben.

4. Wie werden die oben einleitend benannten Leistungsberechtigten mit Wohnsitz in Hamburg von den jeweils befassten Dienststellen über ihren Anspruch auf eine verbilligte Zeitkarte im HVV aufgeklärt?

5. Existieren standardisierte Verfahren, in denen Anspruchsberechtigte über ihren Anspruch auf den verbilligten Erwerb einer Zeitkarte im HVV hingewiesen werden?

a) Wenn „ja"; welches sind diese Verfahren?

Nutzer des bis zum 31. Dezember 2008 gültigen Preisnachlasses in Höhe von 5 Euro haben automatisch die zusätzlichen Vergünstigungen erhalten. Die Öffentlichkeitsarbeit erfolgte über die Hamburger Medien und entsprechende Hinweise im Internet (www.hamburg.de/sozialkarte). Darüber hinaus wurden bereits im Dezember 2008 in allen sozialen Dienstleistungszentren beziehungsweise Ämtern für Grundsicherung und Soziales sowie allen Jobcentern der ArGe und den Servicestellen des HVV Broschüren und Plakate verteilt, mit denen auf die Neuregelung aufmerksam gemacht wurde.

b) Wenn „nein"; warum nicht?

Entfällt.

6. Was spräche aus der Sicht des Senats dafür oder dagegen, zukünftig den Leistungsberechtigten mit Wohnsitz in Hamburg, die einen Anspruch hierauf haben, die „Sozialkarte Hamburg" standardisiert mit ihrem jeweiligen Bewilligungsbescheid mit Gültigkeit für die Dauer des Bewilligungszeitraums zu übersenden? Erfahrungsgemäß werden Vergünstigungen wie die Sozialkarte nur von einem Teil der Berechtigten in Anspruch genommen. Vor diesem Hintergrund erscheint eine flächendeckende Verteilung von Sozialkarten unter Berücksichtigung der damit verbundenen Sach- und Personalkosten unverhältnismäßig.