Asylbewerber

Sozialamt 2000 „Kundenorientierung", „Bürgerfreundlichkeit", „Serviceeinrichtung" und „effizienter Mitteleinsatz" sind Stichworte einer notwendigen Neuorientierung öffentlicher Verwaltungen. Auch die Umsteuerung der Sozialverwaltung und der Sozialhilfe folgen dieser Philosophie. In der Sozialhilfepraxis besteht jedoch die Gefahr, dass die betriebswirtschaftliche Effizienzsteigerung des „Sozialamts 2000" und der „Steuerung der Sozialhilfe" nicht nur zu einer wirtschaftlicheren Leistungserbringung, sondern auch zu Einschränkungen bei den Leistungen, höheren Hemmschwellen und steigenden Unannehmlichkeiten für Sozialhilfeempfänger/innen verbunden sein könnten.

Wir fragen daher den Senat.

An der Gewährung der Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und anderen BSHG-nahen Leistungen sind in Hamburg die zuständige Fachbehörde und die Bezirksverwaltung auf unterschiedlichen Ebenen beteiligt.Mit dem Gesetz zur Reform des Bezirksverwaltungsgesetzes vom 11. Juni 1997 wurde die globale Steuerung eingeführt. Die globalen Vorgaben des Senats für die Sozialhilfegewährung beschränken sich danach auf sozialpolitische Zielvorgaben und die Festlegung eines Ausgaberahmens.

Die Zielsetzung der Sozialhilfe ist auf soziale Integration gerichtet. Das übergreifende Ziel ist, Hilfebedürftigkeit zu vermeiden bzw. so bald und so nachhaltig wie möglich zu überwinden. Ist eine längerfristige Hilfe unvermeidlich, so ist das Ziel der Hilfe die Aktivierung der Selbsthilfepotentiale der Leistungsempfänger zur Verringerung bzw. zur Überwindung der Bedürftigkeit. Der Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt soll sich nach Möglichkeit nicht verfestigen.

Zur Erreichung dieser Ziele sollen die verfügbaren Ressourcen (Personal, Sach- und Fachausgaben) möglichst effizient und wirksam eingesetzt werden. Mit Beschluß vom 30. Juni 1997 hat der Senat daher die „Steuerungsgruppe Sozialhilfe" eingesetzt, in der alle betroffenen Behörden vertreten sind. Die zentralen Handlungsfelder

­ Steuerung bzw. Vermeidung des Zugangs zur Sozialhilfe insbesondere durch systematische Prüfungen zur Durchsetzung des Nachrangprinzips,

­ effizienter und möglichst optimal gewichteter Einsatz der Ressourcen zur Beschränkung des Gesamtaufwandes der Sozialhilfe und

­ Aktivierung der „Hilfe zur Selbsthilfe" und damit die Loslösung aus dem Sozialhilfebezug dienen der Zielerreichung und werden über die Steuerungsgruppe im Konsens mit allen Beteiligten in die bezirklichen Dienststellen zur Umsetzung weitergegeben.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

I. Pilotprojekte/Modellversuche

1. a) Wieviel Pilotprojekte, Modellversuche, Projektgruppen usw. mit welchen Aufgaben und konkreten Zielen sind von seiten der BAGS seit 1994 im Zusammenhang mit der Neuorientierung der Sozialhilfesteuerung initiiert und durchgeführt worden?

b) Welche Laufzeit haben diese Projekte gehabt?Wie viele Mitarbeiter/innen waren davon jeweils betroffen?

c) In welchen Bezirken/Ortsämtern sind diese Projekte durchgeführt worden?

d) Welche konkreten Maßnahmen und Ergebnisse sind anschließend a) in den betreffenden Bezirks-/Ortsämtern, b) allgemein in den Hamburger Sozialämtern, c) anderweitig implementiert und umgesetzt worden?

Nachdem lange Zeit allgemein die Auffassung vertreten wurde, dass Sozialhilfe nicht steuerbar sei, da hier Rechtsansprüche zu erfüllen sind und ein erheblicher Einfluß durch externe Faktoren besteht, wurde in Hamburg im Mai 1994 mit dem Modellversuch Effektive Sozialhilfe die Neuorientierung der Sozialhilfesteuerung eingeleitet. Dieses Projekt wurde in den Sozialdienststellen Eimsbüttel und St.Pauli bis April 1995 durchgeführt.Ziel war, Möglichkeiten zu finden, Sozialhilfebeziehende ganz oder teilweise aus der Sozialhilfe zu lösen und dadurch und durch effizientere Arbeitsabläufe Kosten im Sachmittelhaushalt zu senken. Das Projekt MOVES schloß sich im Januar 1996 an mit der Aufgabe, innerhalb von zwei Jahren die in den beiden Modelldienststellen erarbeiteten Ergebnisse (unter anderem Änderung der Öffnungszeiten, verstärktes Hinwirken auf die Einrichtung von Girokonten) für alle 29 Sozialdienststellen nutzbar zu machen.Betroffen waren die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in den Sozialdienststellen sowie Vertreterinnen und Vertreter der zuständigen Steuerungsgruppe und Projektgruppe von MOVES.

Das Projekt „Steuerung der Sozialhilfe" (Herkules) wurde zum April 1996 für zwei Jahre eingerichtet mit der Aufgabe, in ausgewählten Bereichen eine Konzeption neuer fachlicher Steuerung zu entwickeln.

Die Abschlußberichte beider Projekte wurden dem Sozialausschuß der Hamburgischen Bürgerschaft zur Verfügung gestellt. Sie können bei Bedarf auch bei den zuständigen Behörden angefordert werden.

Im Anschluß an MOVES und Herkules sind verschiedene Projekte mit einer bezirksübergreifenden Konzeption in allen Bezirksämtern eingesetzt worden, insbesondere zur Zugangssteuerung und zur Loslösung von der Sozialhilfe.

2. a) Mit welcher Aufgabenstellung/Zielsetzung hat es seit 1994 eigenständige bezirkliche Pilotprojekte, Modellversuche, Projektgruppen usw. gegeben?

b) Mit welcher Laufzeit und wieviel Mitarbeiter/innen haben diese Projekte jeweils gearbeitet bzw. arbeiten sie?

c) Welche ihrer Maßnahmen und Ergebnisse sind in die alltägliche Praxis der Sozialämter implementiert worden?

In den Bezirken haben sich im Rahmen der beschriebenen Gesamtzielsetzung zu unterschiedlichen Themen und Aufgabenstellungen eigenständige Vorhaben (wie z. B. Öffnungszeiten, Loslösung, Spezialisierung in Sachgebieten, Außendienst) entwickelt. Eine gesonderte Auswertung und Dokumentation dieser unterhalb des Projektstatus angesiedelten Maßnahmen ist nicht erfolgt.Maßnahmen wie z.B. Zentralisierung eines Unterhaltssachgebiets oder Spezialisierung in wiederkehrende Einnahmen sind zum Teil, soweit dies organisatorisch und personell umsetzbar war, implementiert worden.

3. a) Im Rahmen welcher Modellversuche, Projekte usw.hat es Leistungsvereinbarungen und (finanzielle) Anreizmechanismen mit und für die bezirklichen Sozialdienststellen gegeben?

b) Was waren die vereinbarten Leistungen bzw.die Erfüllungskriterien der getroffenen Vereinbarungen?

Generell wurden keine Leistungsvereinbarungen mit finanziellen Anreizen abgeschlossen. Für die Modelldienststellen Hamburg-Nord (Kerngebiet) und Bramfeld wurde im Rahmen des Projektes Herkules eine einmalige „Innovationsprämie" von jeweils 15 000 DM gewährt (vgl. Kontrakt zum HerkulesProjekt, Abschlußbericht Seiten 61 bis 63).

Darüber hinaus waren zur Erfüllung der Ziele im Rahmen der Plus-Aktionen des Projekts MOVES Mittel in Höhe von 500 000 DM zur Verfügung gestellt worden, um für ein Jahr zusätzliche Personalaufwendungen decken zu können.

II. Herkules

1. a) Von seiten der Fachbehörde und auch im Abschlußbericht des Projektes HERKULES ist von Zielkonflikten zwischen sozialhilferechtlich-fachlichen Zielen und der betriebswirtschaftlichen Orientierung der Neuen Steuerung die Rede.Wird dieser Zielkonflikt immer noch gesehen?

b) Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie und mit welchen Maßnahmen wird dieser Konflikt gelöst?

Nein. Der mit dem Projekt Herkules entwickelte Ansatz „mit Budget und Zielen steuern" ist nach Abschluß der Modellphase in einen regelhaften Prozeß übergegangen, der fortlaufend begleitet wird.Über die zu schließenden Vereinbarungen ist es möglich, eine Ausgewogenheit zwischen den Anforderungen des neuen Steuerungsansatzes und den sozialhilferechtlichen bzw. sozialpolitischen Zielen herzustellen.

II. 2. Welche positiven wie negativen Sanktionsmechanismen (einschließlich Berichts- und Rechenschaftspflicht) sind im Zusammenhang mit HERKULES auf den jeweiligen Kontraktebenen für Verletzungen der („fiktiven") Budgets vereinbart und angewandt worden?

Keine.

3. a) Mit dem Projekt HERKULES sollen „die Grundsätze des BSHG" „wieder" in denVordergrund gestellt werden. Welche Grundsätze sind gemeint?

Siehe Vorbemerkung.

3. b) Was stand bisher im Vordergrund?

Die genannten Grundsätze galten auch bereits vor Einsetzung des Projektes. Die Umsetzung war jedoch nicht systematisiert und daher zwischen den Dienststellen auch nicht vergleichbar.

4. a) Ist die „Gewährung bedarfsgerechter Hilfen" als Ziel im Rahmen von HERKULES formuliert worden?

b) Wenn ja, wie ist dieses Ziel operationierbar gemacht worden? Welche Kennziffern sind dafür angewandt worden?

Ja. Im übrigen wird auf den Abschlußbericht des Projektes hingewiesen, in dem dieses ausführlich dargestellt ist (unter anderem Abschnitt V, Seiten 22 ff. sowie Seiten 50/51 und 80 ff.).

5. a) Wie ist das fachliche Ziel „Grundsätzlich keine (einmalige) Leistung bei Eintritt in die HzL" inhaltlich begründet?

b) Dieses Ziel soll dadurch erreicht werden, dass in den ersten sechs Monaten des HzLBezugs keine einmaligen Leistungen gewährt werden bzw.diese Gewährungen um 10 Prozent unter den Hamburger Durchschnitt gesenkt werden.Wie wird das inhaltlich begründet?

Ausgangspunkt ist ­ die im Beratungsgespräch widerlegbare ­ Vermutung, dass Menschen, die bislang nicht Sozialhilfe bezogen haben, mit den notwendigen Bedarfsgegenständen ausgestattet sind.Es wird daher bei Anträgen auf bestimmte einmalige Leistungen in den ersten sechs Monaten eine kritischere Bedarfsprüfung vorgenommen. Damit soll erreicht werden, die Ausgaben bei bestimmten Hilfeartpositionen um 10 Prozent unter den Hamburger Durchschnitt zu vermindern.

6. a) Das Ziel der „wirtschaftlichen Hilfegewährung" soll unter anderem dadurch erreicht werden, dass Hilfeberechtigte mit „voraussichtlich kurzem Hilfebezug" keine Artikel über 250 DM bewilligt bekommen. Wie wird dies inhaltlich begründet? Wie wird die „Voraussichtlichkeit" festgestellt?

b) Zur Operationierbarkeit dieses Wirtschaftlichkeitsziels wird eine Verminderung des durchschnittlichen Bewilligungsvolumens pro Person um 10 Prozent gegenüber dem Vormonat festgesetzt. Wie wird diese Bezifferung inhaltlich begründet?

Die Erkenntnisse in der Modellphase zeigten die Untauglichkeit dieser Meßzahl/Operationalisierung, sie wurde daher im weiteren Verlauf nicht mehr verfolgt.

7. Das globale Finanzziel der Fachbehörde soll dadurch umgesetzt werden, dass die (fiktiven) Budgets der Dienststellen um 3,5 Prozent abgesenkt werden.Wie wird diese Bezifferung begründet?

Zu Beginn des Modellversuchs lagen noch keine Erfahrungswerte vor, so dass ein fiktiver Wert zugrunde gelegt wurde, der ständig überprüft wird und veränderbar ist.

8. In welcher Weise wurden und werden unterschiedliche Ziele bzw. operationalisierbare Kennziffern gewichtet? Besteht eine Zielhierarchie, und, wenn ja, wie sieht diese aus?

Es gibt keine Zielhierarchie. Die Ziele und Operationalisierungen sind nicht gewichtet.

9. a) Im Zusammenhang mit dem Data-Warehouse ist im Abschlußbericht zu HERKULES von einem Submodell „Richtwerte" die Rede.Wer legt die dort enthaltenenVorschlagswerte für die einzelnen Hilfearten der einmaligen Leistungen fest?

Die Sozialamtsleiterinnen und Sozialamtsleiter verfügen gemeinsam einheitliche Regelungen auf Bezirksebene. Die Richtwerte sind Vorschläge, die sich an der Preisentwicklung in Hamburg orientieren und eine Gleichbehandlung in der Praxis sicherstellen sollen.

9. b) Welche Vorschlagswerte sind in diesem Zusammenhang im einzelnen geändert worden und warum? Wie hoch waren die damit verbundenen Einsparungen?

10. a) Welche neuen Preislisten sind im Rahmen von HERKULES erarbeitet worden?

Keine.