Inkasso

1. Anlaß

Die Bürgerschaft hat in ihrer Sitzung am 11. Februar 1998 den Senat ersucht, „1. bis zum Inkrafttreten des Kindesunterhaltsgesetzes zu berichten,

­ auf welchem Stand der Umsetzung die am 3. September 1996 zur Kenntnis gegebenen Maßnahmen (Drucksache 15/6020) sind; insbesondere betreffend:

· die Beobachtung und Auswertung der Entwicklung der Einnahmequoten und eventuellen Sonderbewegungen auf Länder- wie auf Bezirksebene,

· die bisherige Umsetzung des modernen Dialogsystems (PROJUGA), inwieweit sich die in Aussicht gestellten Anknüpfungspunkte zu einer weiteren Optimierung des Verfahrens ergeben haben,

· die Entwicklung des EDV-gestützten Berichtswesens, wodurch Auskunft über monatlichen Bestand, Leistungsdauer und -höhe in Aussicht gestellt wurde, wie weit der Anschluß an das automatisierte Verfahren des Amtsgerichts umgesetzt werden konnte,

· die Verfahrensabläufe mit anderen Inkassoverfahren,

· die Fachliche Weisung der BSJB, die die Verfahren für die Heranziehung der Unterhaltspflichtigen regeln soll;

­ inwieweit sich bisher Einnahmeverbesserungen bei der Rückholung von Geldern durch Optimierung des Verfahrens und der Arbeitsprozesse ergeben haben;

2. sicherzustellen,

­ dass die Einführung PROJUGA ­ wie im April und Juni 1997 angekündigt (Drucksachen 15/7120 und 15/7532) ­ Anfang 1998 in der Phase I abschließend umgesetzt wird, so dass die für die weitere Optimierung des Verfahrens wichtige Phase PROJUGA II (Drucksache 15/7532 vom 6. Juni 1997) beginnen kann,

­ dass die damit verbundene Fortbildung der betroffenen Mitarbeiter/innen

­ und die organisatorische Veränderung zur Spezialisierung der Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen ­ um die vielseits problematisierten Zielkonflikte zwischen Aufgaben des Auszahlens und Einziehens zu vermeiden ­ umgehend verwirklicht werden;

3. dafür Sorge zu tragen,

­ dass statistische Daten erhoben werden, die nach unterhaltspflichtigen Männern und Frauen differenziert Aufschluß geben über:

· die Praxis der Unterhaltszahlungen und Rückholung der Gelder,

· die Ursachen, Gründe und Motive für nicht geleisteten Unterhalt."

Der Senat beantwortet das Ersuchen wie folgt:

2. Rechtsgrundlage

Das Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfalleistungen (UVG) sieht vor, dass Kindern von Alleinerziehenden bis zum 12. Lebensjahr längstens 72 Monate Unterhalt aus öffentlichen Mitteln gezahlt wird, falls sie von dem nicht im Haushalt lebenden Elternteil keinen oder keinen regelmäßigen Unterhalt erhalten. Gemäß § 2 Absatz 1 UVG bemißt sich der Umfang zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 11. Februar 1998 (Drucksache 16/341) ­ Unterhaltsvorschußkasse ­ der monatlichen Leistungen, die zur Hälfte vom Bund getragen werden, nach den Regelbeträgen für Kinder, wie sie gemäß § 1 der Regelbetrag-Verordnung in der jeweils geltenden Fassung ausgewiesen sind.

§ 7 UVG sieht die Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen ausdrücklich vor. Die Hälfte der auf diesem Wege realisierten Einnahmen steht ­ entsprechend der Teilung der Lasten ­ dem Bund zu.

3. Stand der Umsetzung der in der beschriebenen Maßnahmen

Entwicklung der Einnahmequoten auf Länder- und Bezirksebene

Im Haushaltsjahr 1997 wurden in Hamburg Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz aus öffentlichen Mitteln in Höhe von rund 48 823 000 DM erforderlich. Sie wurden je zur Hälfte vom Bund und vom Land Hamburg getragen. Den Aufwendungen standen Einnahmen aufgrund von Erstattungen seitens der Unterhaltspflichtigen in Höhe von rund 6 443 000 DM gegenüber, die ebenfalls je zur Hälfte für Bund und Land wirksam wurden. Während in 1995 die Einnahmequote bei 12,8 % lag, konnte sie 1996 auf 13,4 % gesteigert werden. Im Jahr 1997 lag die Einnahmequote bei 13,2 %. Im Ländervergleich lag Hamburg nach Stichtagserhebungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in den Jahren 1996 und 1997 jeweils an siebter Stelle (siehe nachfolgende Tabelle).1)

1) Die Bundeserhebung legt andere Periodenabgrenzungen für Ausgaben und Einnahmen zugrunde, als dies für die haushaltsmäßige Verbuchung nach der Landeshaushaltsordnung vorgesehen ist. Daraus erklären sich die von den Zahlen im Text abweichenden Prozentsätze der nachfolgenden Tabelle.

Die Einnahmequote in Hamburg liegt damit auf dem Niveau der anderen Stadtstaaten. Ein Vergleich mit weiteren Großstädten macht deutlich, dass sich Hamburg mit seiner Heranziehungsquote in der Spitzengruppe befindet.

In München z. B. liegt die Heranziehungsquote im Jahr 1997 bei 12,4 %, in Köln bei 12,6 %, in Stuttgart bei 11,5 % und in Frankfurt bei 9,98 %.

Die Höhe der Einnahmequote ist maßgeblich auf die soziale Situation der Unterhaltsschuldner zurückzuführen.

Eine 1994 vom Prüfdienst des Amtes für Jugend in den Jugendämtern aller Bezirke durchgeführte Untersuchung ergab, dass nur ca. 25 % aller Unterhaltsschuldner über ein regelmäßiges Einkommen aus Erwerbstätigkeit verfügen.

Von ähnlichen Erfahrungen geht die Bundesregierung aus, die 1993 in Beantwortung einer Kleinen Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion zum Thema „Unterhaltspflicht und Unterhaltsflucht von Vätern und Müttern" ausführt, „...daß in 70 v. H. bis 75 v. H. der Fälle die Verfolgung des Unterhaltsanspruchs des Kindes aussichtslos ist" (Bundestagsdrucksache 12/5052). Neuere Erhebungen liegen nicht vor. Allerdings ist vor dem Hintergrund der Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren davon auszugehen, dass sich die soziale Situation Unterhaltspflichtiger nicht wesentlich verändert hat.

Obwohl alle Kommunen grundsätzlich das gleiche Instrumentarium für die Heranziehung von Unterhaltspflichtigen verwenden, ist ein Stadt-Land-Gefälle festzustellen.

Dieses Gefälle lässt sich mit der stärkeren sozialen Kontrolle in kleineren Sozialräumen (Kleinstädten, Dörfern) erklären, die Unterhaltspflichtige eher zur Zahlung veranlaßt. Hinzu kommt eine ­ im Vergleich zu Großstädten ­ in der Regel geringere Arbeitslosigkeit und geringere Zahl von Sozialhilfeempfängern.

Auffällig ist die sehr niedrige Heranziehungsquote in den neuen Bundesländern. Sie ist einerseits auf Verfahrensdefizite bei der noch neuen Anwendung des Instrumentariums, insbesondere auf dem Gebiet der Zwangsvollstreckung zurückzuführen, andererseits aber auch auf die vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit und damit einhergehende Zahlungsunfähigkeit der Unterhaltspflichtigen.

Für die unterschiedliche Heranziehungsquote der einzelnen Bezirke ist vor allem die unterschiedliche Einkommensverteilung bzw. die wirtschaftliche Situation der Unterhaltspflichtigen maßgeblich. So hat z. B. das Bezirksamt Altona mit der niedrigsten Hamburger Einnahmequote von 11,9 % in 1997 eine überdurchschnittlich hohe Arbeitslosenquote von 13,3 %. Bergedorf hingegen hat mit 15,2 % die höchste Einnahmequote und verzeichnet mit 9,8 % die niedrigste Arbeitslosenquote.

Projekt Jugendamts-Automation (PROJUGA)

Die Unterstützung der bezirklichen Jugendhilfe durch moderne Informations- und Kommunikationstechnik basiert auf einer Gesamtstrategie, die einen schrittweisen Ausbau auf der Grundlage einer einheitlichen Hard- und Software vorsieht. Umgesetzt wird diese Strategie im Rahmen des Projekts PROJUGA, dessen Stand im folgenden erläutert wird:

Die Projektphase PROJUGA I ist abgeschlossen. Bis Dezember 1996 wurden in allen bezirklichen Jugendämtern die Bereiche Amtspflegschaft/Amtsvormundschaft, wirtschaftliche Jugendhilfe und Leistungen nach dem UVG an ca. 300 Arbeitsplätzen mit einem die Sachbearbeitung unterstützenden IuK-Verfahren ausgestattet. Mit diesem Verfahren wurden alle für die Gewährung, Berechnung und Auszahlung von Leistungen nach dem UVG notwendigen Funktionen zur Verfügung gestellt. Hingegen leistet dieses Grundmodul noch keine umfassende Unterstützung für den Einnahmebereich, sondern beschränkt sich auf die Bereitstellung von Vordrucken und auf eine automatisierte Unterhaltsberechnung. Auch sind der Bereich Statistik und das Berichtswesen nicht einbezogen.

Für die Projektphase II ist neben anderen Modulen auch das Modul „Mündelgeldverwaltung/Einnahmeverwaltung" vorgesehen. Mit diesem Modul können gleichfalls die Heranziehungsaufgaben EDV-unterstützt wahrgenommen werden. Die Planungen dafür sind weitgehend abgeschlossen. Realisierung und Einführung sind bis Ende 1999 beabsichtigt. Im wesentlichen geht es dabei um

­ die Bereitstellung einer Einnahmeverwaltung (einschließlich Mündelgeld) mit den Funktionen Einrichten und Bearbeiten der Daten und Zahlungsmodalitäten des Zahlungspflichtigen sowie Überwachung von Einnahmen und Ausgaben, einschließlich der automatischen Terminüberwachung,

­ das Kassenverfahren mit seiner kassentechnischen Abwicklung und

­ das Sicherstellen einmaliger Aufgaben bei der Übernahme der Mündelgeldkonten von der Landeshauptkasse.

Im übrigen werden Rückstands- und Erstattungsübersichten im Zusammenhang mit der Kindertagesbetreuung und der Umsetzung des neuen Kindschafts- und Unterhaltsrechts in dieses Verfahren einbezogen.

Im Rahmen der weiteren Umsetzung der Gesamtstrategie konzentrieren sich die Vorbereitungen gegenwärtig auf folgende Aufgaben im Jugendhilfebereich: