Steuer

Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg Jahresbericht 2009

Auch kann der Bearbeiter Risikohinweise unterdrücken, wenn er das Risiko eines Steuerausfalls trotz Schwellenwertüberschreitung verneint. Der Rechnungshof erkennt an, dass mit diesem im Rahmen des Projekts KONSENS gebilligten Konzept erste Schritte hin zu einer verhaltensbezogenen Risikoprognose getan worden sind. Nach den neuesten Planungen der Länder zur Modernisierung ihrer Steuerverwaltungen (vgl. Tz. 646) soll dieser ­ vonseiten des Bundes wegen der Einflussmöglichkeiten des Bearbeiters eher kritisch begleitete ­ Weg in der zweiten und dritten Stufe des Projekts fortgesetzt werden. Der Rechnungshof hat diese Perspektive positiv gewürdigt.

Nachvollziehbarkeit der Risikoprognose

Die für die Aussteuerung risikobehafteter Fälle maßgeblichen Kriterien sind von einer auf Bund-Länder-Ebene organisierten Arbeitsgruppe erarbeitet und im Jahresrhythmus fortgeschrieben worden. Seit 2006 haben die im Rahmen des Projekts KONSENS zuständigen Länder Nordrhein-Westfalen und Bayern diese Aufgabe übernommen. Hamburg war bislang nicht beteiligt.

Aus den Unterlagen der Finanzbehörde haben sich keine Hinweise auf die für die konkrete Ausgestaltung der Risikokriterien maßgeblichen Gründe ergeben. Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt für entsprechende Risikoprognosen. Der Rechnungshof geht davon aus, dass dieser Mangel auf unzureichender Dokumentation in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe beruht, und hat gefordert, auf eine Änderung der Praxis hinzuwirken. Da die Verantwortung für die haushaltsrechtlich einwandfreie Justierung des Risikofilters nicht auf die Bund-Länder-Ebene verlagert werden kann, sondern bei der obersten Finanzbehörde des jeweiligen Landes verbleibt, muss sichergestellt sein, dass die Finanzbehörde alle für die konkrete Ausgestaltung des Risikofilters erheblichen Argumente kennt.

Bearbeitung von risikobehafteten Fällen

Steuererklärungen, die als risikobehaftet klassifiziert worden sind, sind nach dem auf Bund-Länder-Ebene erarbeiteten Verfahrenskonzept nur hinsichtlich des Aussteuerungsgrundes manuell zu bearbeiten. Welchem Standard die Bearbeitung genügen muss, lässt das Konzept offen. Nach den für die Hamburger Finanzämter geltenden Vorgaben sind risikobehaftete Steuererklärungen im Ganzen „überschlägig" zu prüfen.

Der Rechnungshof hat beanstandet, dass eine überschlägige Prüfung nicht ausreicht, soweit es um risikobehaftete Sachverhalte geht, derentwegen eine Steuererklärung zur manuellen Bearbeitung ausgesteuert worden ist. Risikobehaftete Sachverhalte waren seit jeher intensiv zu bearbeiten, um das Risiko eines erklärungsbedingten Steuerausfalls im Einzelfall auszuschließen (vgl. Tz. 645). Eine bloße Kontrolle auf Schlüssigkeit und Glaubhaftigkeit reicht nicht aus, um dem anzeigten Risiko gerecht zu werden.

Maschinelle Zufallsauswahl Umfang der Stichprobe

Wie im bisherigen Verfahren der differenzierten Fallbearbeitung muss auch im neuen System der maschinellen Steuerfestsetzung mit Aussteuerung risikobehafteter Steuererklärungen dafür gesorgt werden, dass das System für den Steuerpflichtigen unberechenbar bleibt. Dies soll ­ ähnlich wie im bisherigen System ­ dadurch gewährleistet werden, dass Steuererklärungen nach dem Zufallsprinzip und insofern auch unabhängig von ihrer Risiko klassifikation zur manuellen Bearbeitung ausgesteuert werden. Die manuelle Bearbeitung dieser Steuererklärungen soll auch dazu dienen, Grundlagen für die Nachsteuerung des Risikofilters zu ermitteln. Soweit der Bearbeiter bei der manuellen Steuerfestsetzung von den erklärten Daten abweicht, können sich Anhaltspunkte für ein bisher nicht erkanntes Risikopotenzial ergeben.

Nach einem früheren länderübergreifenden Verfahrenskonzept sollte die Stichprobe 10 % der Steuererklärungen umfassen. Im aktuellen Konzept ist die Quote auf 2 % gesenkt worden, ohne dass dem Rechnungshof hierfür eine Begründung vorgelegt werden konnte. Diese Quote galt ab November 2007 auch in Hamburg. Im Februar 2008 hat die Hamburger Steuerverwaltung das technisch zuständige Bayerische Landesamt für Steuern gebeten, 4 % der Hamburger Steuererklärungen nach dem Zufallsprinzip auszuwählen. Der Rechnungshof hat für den Zeitraum von November 2007 bis Juli 2008 festgestellt, dass mit Ausnahme des Monats April 2008 der tatsächliche Umfang der Stichproben teilweise deutlich hinter den jeweiligen Vorgaben zurückblieb.

Der Rechnungshof hält es ­ was das länderübergreifend akzeptierte Verfahrenskonzept betrifft ­ für problematisch, die Zufallsstichprobe auf 2 % der Steuererklärungen zu beschränken. Es ist zweifelhaft, ob eine solche Quote ausreicht, um Steuerpflichtige bei unwahren, aber nicht zur risikobezogenen Aussteuerung führenden Angaben einer ernsthaften Gefahr der Aufdeckung auszusetzen. Die angestrebte Unberechenbarkeit des Risikomanagementsystems wird damit nicht gewährleistet. Außerdem hat der Rechnungshof problematisiert, ob eine Stichprobe diesen Umfangs ausreicht, um hinsichtlich der einzelnen Steuersachverhalte verwertbare Erkenntnisse zur Nachsteuerung des Risikofilters zu erlangen.

Bearbeitungsstandard

Die von der maschinellen Zufallsauswahl erfassten Steuererklärungen sind nach den in Hamburg geltenden Vorgaben intensiv zu bearbeiten. Allerdings sind intensiv zu bearbeitende Fälle „.. zu prüfen". Letztendlich wird es dem Bearbeiter überlassen, „im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der Gegebenheiten in seinem Arbeitsbereich" über die Intensität der Bearbeitung zu entscheiden.

Nach den Auswertungen der Finanzbehörde für die Monate November 2007 bis Mai 2008 hat die Intensivbearbeitung der von der maschinellen Zufallsauswahl erfassten Steuererklärungen nur bei jedem sechsten Fall zu Abweichungen von den erklärten Daten und damit zu Mehr- oder Mindersteuern geführt.

Der Rechnungshof hat darauf hingewiesen, dass eine weitgehend in das Ermessen des Bearbeiters gestellte Intensivbearbeitung nicht ausreicht, um die Justierung des Risikofilters einer qualifizierten Kontrolle zu unterwerfen. Wenn ein Referenzfall je nach Umfang der Stichprobe für 24 (4 %) oder gar 49 (2 %) andere nicht ausgesteuerte Fälle steht, hat seine Bearbeitung Auswirkungen auf die Qualität des Systems im Ganzen. Der Rechnungshof hat gefordert, dass die zufällig ausgewählten Fälle durchgängig mit höchstmöglicher Intensität geprüft werden, um sicherzustellen, dass sich der Bearbeiter auch mit solchen Sachverhalten befasst, die im Einzelfall nur von untergeordneter Bedeutung sind, in der Masse der Fälle aber durchaus relevant sein können. Er hat empfohlen, die Bearbeitung von Referenzfällen gesondert zu regeln.

Stellungnahme der Verwaltung

Die Finanzbehörde ist davon überzeugt, dass die in Hamburg eingeführte maschinelle Bearbeitung von Steuererklärungen eine vollständige Erhebung der Steuern gewährleistet. Da eine Steuererklärung nur dann als risikoarm behandelt werde, wenn sich bei maschineller Prüfung anhand der Kriterien des Risikofilters und unter Berücksichtigung von Bearbeitereingaben zu sogenannten Dauertatbeständen keine Anhaltspunkte für unschlüssige oder unglaubwürdige Angaben ergeben hätten, sei in diesen Fällen ein Steuerausfall unwahrscheinlich. Die maschinelle Bearbeitung von Steuererklärungen mit Risikomanagement sei im Übrigen schon deshalb ein Fortschritt, weil der Bearbeiter zielgerichtet mit Sachverhalten befasst werde, die nach einheitlichen Maßstäben als risikobehaftet qualifiziert worden seien. Eine vom Sachbearbeiter beeinflusste Fallaussteuerung im Sinne des Verfahrenskonzepts (vgl. Tz. 651) sei in Hamburg nicht möglich. Der Bearbeiter habe aber die Möglichkeit, fallbezogenen Aspekten Rechnung zu tragen. Die Berücksichtigung der individuellen Pflichtentreue sei erst im Rahmen der zweiten Stufe des Projekts möglich.

Hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit der Risikoprognose (vgl. Tz. 652) hat die Finanzbehörde darauf hingewiesen, dass sie bei der Erprobung der maschinellen Bearbeitung von Steuererklärungen von dem im Rahmen des Projekts KONSENS erarbeiteten Risikofilter ausgegangen sei und sich für den Weg einer empi10

Vgl. „Dienstanweisung für die Arbeitsweise in den Veranlagungsstellen zum 1.1.1997 (DA-V 97) für die Hamburger Finanzämter". Bearbeitungsstandard bei Referenzfällen nicht aus reichend Bearbeitung von Referenzfällen gesondert regeln