Vertreibung von Alkoholikern, Obdachlosen und Punkern in der Innenstadt durch die „Handlungsanweisung für das Einschreiten gegen Personen"

Das Polizeikommissariat 14 (Großstadtrevier) in der Innenstadt hat am 11.02.2009 eine „Handlungsanweisung für das Einschreiten gegen Personen und Personengruppen" verfügt, die die Vertreibung von „Randgruppen (Alkoholiker, Obdachlose, Punker usw.)" durch „Identitätsfeststellungen", „Platzverweise" und „Ingewahrsamnahmen" vorsieht.

Die Innenstadtwache begründet dieses Vorgehen in ihrer Lageeinschätzung damit, dass die „umfassenden Einkaufsmöglichkeiten" und die „touristischen Sehenswürdigkeiten" zu einer „hohen Besucherfrequenz" führen und das Verhalten der „Randgruppen" die „öffentliche Sicherheit und Ordnung" sowie das „Sicherheitsgefühl der Bürger" beeinträchtigt.

Die Ausgrenzung von Jugendszenen und Obdachlosen wird in der Lageeinschätzung mit dem Schutz der öffentlichen „Sicherheit und Sauberkeit in der Innenstadt" gerechtfertigt. Es sei „nicht mehr hinnehmbar, dass durch bestimmte Gruppen Aufenthaltsorte (z.B. Bänke und Plätze) (...) in Anspruch genommen werden und somit der Allgemeinheit nicht mehr zur Verfügung stehen." Platzverweise sind ein erheblicher Eingriff in das Grundrecht der Bewegungsfreiheit gemäß Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz.

Im Handbuch des Polizeirechts (Lisken/Deninnger) wird die juristische Bewertung der Sachverhalte klar und eindeutig vorgenommen: „Der bloße Aufenthalt von Nichtsesshaften etwa in städtischen Fußgängerzonen oder Parks rechtfertigt keine Platzverweisung, da der Tatbestand der Nichtsesshaftigkeit ebenso wie auch der bloße Alkoholkonsum oder das Betteln nicht die Voraussetzungen einer Gefahr im polizeirechtlichen Sinn erfüllen."

Auch im Kommentar zum Hamburgischen Polizei- und Ordnungsrecht (Merten/Merten) heißt es zu § 12 a Platzverweisung unter VII Platzverweis für Nichtsesshafte: „Nicht mehr strittig ist, dass Bettelei und freiwillige Obdachlosigkeit nach allgemeiner Betrachtung keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen (VGH Mannheim, NVwZ 1999,560 ff.; Ruder, NVwZ 2001, 1223). Daher kann dem bloßen Aufenthalt von Nichtsesshaften etwa in Fußgängerzonen oder Parkanlagen nicht mit einem Platzverweis begegnet werden. Die Tatbestände des Bettelns und der Nichtsesshaftigkeit stellen keine Gefahr im polizeirechtlichen Sinne und keine Straftat dar. Das Sitzen und vorübergehende Lagern auf öffentlichen Straßen und Plätzen und in Parkanlagen, auch wenn es zum Alkoholgenuss erfolgt, hält die Grenzen des kommunikativen Gemeingebrauchs ein und stellt keine Platzverweis rechtfertigende Gefahr dar (OLG Saarbrücken, NJW 1998,251; VGH Mannheim, DVBl. 1999,333;Roos,RhpfPOG,§ 13,Rn. 7;Baller/Eiffler/Tschisch, BlnASOG,§ 29,Rn. 3)."

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

Beim Auftreten polizeirelevanter spezifischer Problem- und/oder Ereignislagen hat es sich als sinnvoll erwiesen, zur Verfahrens- und Handlungssicherheit der eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten sogenannte „Handlungsanweisungen" mit verbindlichem Charakter zu erlassen. Diese beschreiben den Anlass, die zu treffenden Maßnahmen und geben rechtliche Hinweise.

In der Innenstadt war es verstärkt zu Beschwerden über Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gekommen. Die Leitung des Polizeikommissariates (PK) 14 setzte am 11. Februar 2009 eine Handlungsanweisung für die im dortigen Zuständigkeitsbereich tätigen Polizeibeamtinnen und -beamten in Kraft. Diese Handlungsanweisung aktualisiert aufgrund der aktuellen Lageentwicklung unter Beteiligung des Justiziariats der Polizei in Teilaspekten eine Handlungsanweisung aus 2007, die wiederum auf einer Handlungsanweisung aus 2002 aufbaut. Die Fassung der Handlungsanweisung vom Februar 2009 ging von einem polizeilichen Lagebild aus, bei dem Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch Gruppen von Alkoholabhängigen, Obdachlosen, Punkern oder Anhängern der Musikrichtung „Emotional Hardcore" (sogenannte EMOs) im Zuständigkeitsbereich des PK begangen wurden. Eine Vielzahl von Personen der genannten Gruppen hielt sich nach diesem Lagebild zu unterschiedlichen Zeiten insbesondere in den durch hohen Publikumsverkehr frequentierten Bereichen Rathausmarkt, Alsteranleger, Gänsemarkt, Mönckebrunnen, Spitalerstraße, Gertrudenkirchhof und dem Verkehrsknotenpunkt Jungfernstieg auf, war zum Teil stark alkoholisiert und fiel teilweise durch aggressives Betteln, das Urinieren in der Öffentlichkeit ­ insbesondere in Haus- und Geschäftseingänge ­, das Zurücklassen von zerworfenen Glasflaschen und das Abbrennen von Feuerwerkskörpern auf, wodurch die Passanten belästigt und gefährdet wurden. Darüber hinaus wurden nach Kenntnis der Polizei öffentliche Toiletten und U-Bahnzugänge blockiert. Dabei wurde auch festgestellt, dass zunächst kleine Personengruppen schnell anwuchsen und das Verhalten zum Teil zunehmend aggressiver wurde.

Ziel der aktuellen Fassung der Handlungsanweisung ist nach wie vor, die Gefahren und Störungen durch abgestimmte polizeiliche Maßnahmen frühzeitig zu beseitigen und Straftaten und Ordnungswidrigkeiten konsequent zu verfolgen und nicht, Maßnahmen gegen einzelne Personen oder Gruppen allein aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes durchzuführen. Ein insoweit missverständlicher Absatz aus der Handlungsanweisung wurde auf Bitten der Behördenleitung durch das PK 14 am 26. Februar 2009 herausgenommen.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Welche „Handlungsanweisung für das Einschreiten gegen Personen und Personengruppen, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Bereich des PK 14 nachhaltig gefährden und/oder stören", wurde mit Datum vom 11.02.2009 vom PK 14 geändert?

Siehe Vorbemerkung.

2. Welche Änderungen der „Handlungsanweisung" vom 11.02.2009 haben sich hinsichtlich

Lage

Taktische Ziele

Taktische Maßnahmen

Einzelaufträge

Betroffene Rechtsgebiete

Adressaten der beschriebenen Maßnahmen konkret ergeben?

Die Frage berührt die Einsatztaktik der Polizei. Der Senat sieht daher von einer Beantwortung ab. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

3. Inwiefern beeinträchtigen „Randgruppen (Alkoholiker, Obdachlose, Punker usw.)" die „umfassenden Einkaufsmöglichkeiten" und „touristischen Sehenswürdigkeiten" in der Innenstadt?

4. Durch welche Datenerhebung wird das „aufwachsend rücksichtslose Verhalten" der „Randgruppen" nachgewiesen?

Siehe Vorbemerkung.

5. Inwiefern ist es gesetzliche Aufgabe der Polizei, das „Sicherheitsgefühl der Bürger" vor Beeinträchtigungen zu schützen? Wie definiert und erfasst die Polizei das „Sicherheitsgefühl der Bürger"?

Es ist gesetzlicher Auftrag der Polizei, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Im Zuge dieses Auftrags berücksichtigt die Polizei auch die subjektive Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Indikatoren dafür ergeben sich aus Gesprächen, schriftlichen Hinweisen und Medienberichten.

6. Inwiefern „ist es nicht hinnehmbar, dass durch bestimmte Gruppen Aufenthaltsorte (z.B. Bänke und Plätze), die grundsätzlich zum Verweilen oder zur freien Beweglichkeit (und nicht zum Schlafen oder Alkoholkonsum) eingerichtet wurden, in Anspruch genommen werden und somit der Allgemeinheit nicht mehr zur Verfügung stehen"?

7. Welche Gruppen nehmen welche Bänke und welche Plätze wie lange im Bereich des PK 14 in Anspruch, sodass sie „der Allgemeinheit nicht mehr zur Verfügung stehen"?

8. Teilt der Senat die Rechtsauffassung, dass das Sitzen und vorübergehende Lagern auf öffentlichen Straßen und Plätzen und in Parkanlagen, auch wenn es zum Alkoholgenuss erfolgt, die Grenzen des kommunikativen Gemeingebrauchs einhält?

Wenn nein, worauf stützt der Senat seine Rechtsauffassung?

Siehe Vorbemerkung.

9. Wie viele Hundebisse hat es im letzten Jahr durch unangeleinte freilaufende Hunde im Bereich des PK 14 gegeben? Wie viele bissige Hunde gehörten zu welcher der oben beschriebenen Randgruppen?

Die erfragten Daten werden statistisch nicht erfasst.

10. Teilt der Senat die Auffassung, dass es zu den „taktischen Zielen" der Polizei gehört, die „Verfestigung der Szene", insbesondere von „Alkoholikern, Obdachlosen, Punkern usw.", zu verhindern? Welche weiteren „Randgruppen", die die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören, kennt die Polizei? Bitte abschließend aufzählen.

Der Senat hat sich hiermit nicht befasst. Die Polizei verfügt über keine abschließende Erhebung. Sie orientiert sich an der jeweils aktuellen Erkenntnislage und gesellschaftlichen Entwicklung. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

11. Unter der Überschrift „Taktische Maßnahmen" wird in der oben genannten „Handlungsanweisung" der gesetzliche Auftrag der Polizei die Bereiche der Prävention und der Repression aufgeteilt.